Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. Mai 2015: Vorrats­daten­speicherung kommt – Verfassungs­widriges Tarif­einheits­gesetz – Regierung findet BVerfG zu teuer

18.05.2015

Justiz

EuGH – Vassilios Skouris: Vor der anstehenden Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs zum OMT-Programm der EU am 16. Juni, porträtiert die FAS (Corinna Budras) den Präsidenten des EuGH Vassilios Skouris. Dem Europarechtsexperten mit griechischer Herkunft und Ausbilds- und Lehrzeit in Deutschland wird eine prägende Rolle für die erwartete Entscheidung beigemessen.

NPD-Verbotsverfahren: Am Freitag haben die Länder im NPD-Verbotsverfahren Akten vorgelegt, die nachweisen sollen, dass alle V-Leute aus der Führungsebene der NPD vor dem Verbotsantag abgeschaltet worden sind. Daraus ergibt sich, dass zuvor eine Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter mit insgesamt 11 Personen im Bundesvorstand und den Landesvorständen der NPD stattgefunden hat. Zwar werden die Namen nach wie vor unter Verschluss gehalten, doch soll anhand von internen Verfügungen und Protokollen nachweisbar sein, dass die V-Leute jeweils eine Abschalterklärung unterschrieben haben und der Kontakt eingestellt worden war. Es berichten der Spiegel (Hubert Gude u.a., spiegel.de-Zusammenfassung), die Samstags-taz (Konrad Litschko) und die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch/Tanjev Schultz).

Wolfgang Janisch (Montags-SZ) zeigt sich beeindruckt von den Anstrengungen der Ländern und den tiefen Einblicken, die im Verfahren in die sonst so streng geheime Praxis der Beobachtung möglicher Verfassungsfeinde gewährt würde. Das Gericht habe die schwierige Aufgabe, Maßstäbe für ein Parteiverbot herauszuarbeiten, die Parteiverbote der 50er Jahre könnte auf eine gefestigte Demokratie nicht übertragen werden.

Sanierung BVerfG-Gebäude: Wie die WamS (Martin Greive) zu berichten weiß, übt die Bundesregierung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht scharfe Kritik an den Sanierungskosten für das Karlsruher Gerichtsgebäude. Obgleich die Renovierung des denkmalgeschützten Baus mit insgesamt 57,6 Millionen Euro lediglich 20 Prozent über dem Veranschlagten läge, werfe man regierungsseitig eine Verdoppelung der Kosten vor und beklage eine Tunnelblick-Steuerung bei der Fertigstellung. Parlamentarier aus Opposition und Regierungsfraktionen wunderten sich, so die WamS. Auch stehe die Frage im Raum, ob es sich nicht um eine Retourkutsche für unliebsame Urteile handele.

AG Charlottenburg zu Mietspiegel: Das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg von vergangenem Montag, das dem Berliner Mietspiegel die Tauglichkeit zum qualifizierten Mietspiegel abgesprochen hat, greifen nun auch der Spiegel (Matthias Bartsch u.a.) und die FAS (Dennis Kremer/Christian Siedenbiedel) auf. Das Urteil habe wegen der kommenden Mietpreisbremse, die an den Mietspiegel anknüpft, eine Debatte über die wissenschaftlichen Standards ausgelöst. Das Bundesjustizministerium wird voraussichtlich bis Ende des Jahres einen Gesetzentwurf zur Regelung des Mietspiegels vorbereiten.

Massimo Bognanni (Handelsblatt) meint im Leitartikel, das Urteil habe den gravierendsten Planungsfehler aufgedeckt: "Niemand hat festgelegt, nach welchen Kriterien der Mietspiegel berechnet werden muss, damit er gerichtsfest ist." Joachim Jahn (Samstags-FAZ) appelliert an die Regierung, es müsse endlich Rechtssicherheit - gerade auch für die Vermieter - geschaffen werden: "Mietspiegel müssen rechtssicherer werden, dürfen aber die Mietpreisbremse nicht weiter verschärfen."

LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Beim derzeit vor dem Landgericht Lüneburg gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning geführte Prozess wegen Beihilfe zum Mord an hunderttausenden Juden gehe es nicht, so Christian Bommarius (Sonntags-Berliner Zeitung), um eine Bestrafung des nicht mehr haftfähigen Greises. Sinn sei vielmehr die "Bestätigung seiner Schuld" und die Anhörung der Zeugen, die über die Vergangenheit berichteten.

OLG Hamburg – Max Mosley: Max Mosley, ehemaliger FIA-Vorsitzender, wollte vor Gericht erreichen, dass Google bei der Suche nach seiner Person keine kompromittierenden SM-Aktbilder mehr listet. Kurz vor einer Entscheidung des Oberlandesgericht Hamburg hat sich Mosley nun mit Google verglichen. Wie taz.de (Christian Rath) und der Spiegel (Isabell Hülsen, spiegel.de-Zusammenfassung) erklären, wird Google voraussichtlich den von Mosley geforderten Filter einbauen, der die Fotos von vornherein aus den Suchergebnissen aussortieren soll. Google habe damit eine negative Grundsatzentscheidung vermieden.

Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) kommentiert, der Fall zeige, dass sich ein Kampf gegen Google durchaus lohne.

Fehlurteile in der Strafjustiz: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) stellt prominente Fehlurteile zusammen und geht der Frage nach, ob die Falschverurteilungen auf einem Fehler im System der Strafjustiz beruhen. Typische Fehlerquellen seien Zeugenaussagen und falsche Geständnisse, aber auch psychologische Wirkmechanismen wie das Phänomen des "Confirmation Bias": Dieses soll dafür verantwortlich sein, dass Ermittlungsbeamte Indizien in eine bestimmte Richtung werten, wenn sie sich erst einmal für eine Version der Geschichte entschieden haben. Auch die Eröffnung des Hauptverfahrens sei oft eine Vorentscheidung, weil auf eine "hinreichende" Verurteilungswahrscheinlichkeit abgestellt werde. Dazu Thomas Stadler (internet-law.de): "Als Gelegenheitsstrafverteidiger habe ich auch den Eindruck, dass die Zahl der falschen Urteile durchaus nennenswert ist, weil man vernünftige Zweifel allzu oft gar nicht aufkommen lässt."

EuGH – Theodor-Heuss-Preis: Der Europäische Gerichtshof ist am Samstag in Stuttgart mit dem Theodor-Heuss-Preis ausgezeichnet worden. Dem Programm der Preisverleihung lasse sich entnehmen, dass das Gericht für seine Rechtsprechung zum Datenschutz ausgezeichnet werde, erläutert die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch). Trotz gespannten Verhältnisses zum Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könne der Gerichtshof in Zukunft als Hüter von Grundrechten einen größeren Stellenwert im Bewusstsein der EU-Bürger einnehmen.

OLG Frankfurt/Main – Al-Schabab-Milizen: Der Focus (Frank Lehmkuhl /Axel Spilcker, focus.de-Zusammenfassung) bringt einen Vorbericht zum Verfahren gegen fünf Islamisten aus dem Rheinland, die in der somalischen Milizgruppe Al-Shabaab gekämpft haben sollen. Der Prozess soll am 12. Juni vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main beginnen; der Vorwurf lautet auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Mord.

LG Köln - Sal. Oppenheimer: Für diesen Mittwoch werden im Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Köln die Schlussanträge der Staatsanwaltschaft erwartet. Wie die Montags-Welt noch einmal zusammenfasst, halte die Kammer wohl alle fünf Angeklagten für schuldig und auch Gefägnis- statt Bewährungsstrafen für möglich.

StA Hannover - Körperverletzung im Amt: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen einen Beamten der Bundespolizei Ermittlungen aufgenommen wegen des Verdacht von Körperverletzungen im Amt und Verstoßes gegen das Waffengesetz. Dazu zeit.de. Der Beamte solle mindestens zwei festgenommene Flüchtlinge misshandelt haben.

RAF-Prozess: Der Focus (Tatjana Heid) erinnert an den Stammheim-Prozess gegen die RAF vor vierzig Jahren, besucht die Justizvollzugsanstalt und die Verhandlungshalle in Stuttgart-Stammheim und lässt die Ereignisse der 70er Jahre Revue passieren. Die Gebäude erinnerten an die Bedrohung durch den Terror, aber auch an den "überreizten Versuch des Rechtsstaats, dieser Bedrohung Herr zu werden". Die FAS (Cord Riechelmann) rezensiert den erscheinenden Band "Prozesse" mit Gerichtsreportagen von Uwe Nettelbeck, der unter anderem zum Prozess gegen die RAF-Mitglieder wegen Kaufhausbrandstiftung schrieb.

Anwalt Adam Ahmed: Die WamS (Jörg Völkerling) bringt ein ausführliches Porträts des Anwalts Adam Ahmed aus München. Es sei bundesweit als "Anwalt der Bösen" bekannt, weil er vor keinem Mandat zurückschrecke.

Schöffendienst: Peter Maxwill (spiegel.de) ist beim Landgericht Hamburg als Schöffe verpflichtet, beschreibt seine Tätigkeit und den Versuch das Amt auf Antrag niederzulegen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. Mai 2015: Vorratsdatenspeicherung kommt – Verfassungswidriges Tarifeinheitsgesetz – Regierung findet BVerfG zu teuer . In: Legal Tribune Online, 18.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15551/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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