Die juristische Presseschau vom 18. April 2012: Fristablauf für Vorratsdaten – Gauck spielt Verfassungsrichter – Gehirnscans bei Pädophilen

18.04.2012

Die Ende der Woche ablaufende Frist für die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und eine scharfe Stellungnahme des Innenministers bringen das Thema wieder auf den Tisch. Außerdem in der Presseschau der 17. Verfassungsrichter Gauck, Witwergeld für Lebenspartner, keine Karten für Rostock-Fans – und was sich mit einem Pädophilie-Gehirnscan so alles anfangen ließe.

Vorratsdatenspeicherung: Die Bundesregierung wird die von der EU-Kommission bis Ende dieser Woche gesetzte Frist zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wohl verstreichen lassen. Innen- und Justizministerium seien von einer Einigung weit entfernt, berichtet die SZ (Susanne Höll). Die FAZ (Peter Carstens) berichtet über den ihr vorliegenden, teilweise scharf formulierten Schriftwechsel zwischen den beiden Ministerien und erkennt eine "Kriegserklärung des Innenministers". Auch die FR (Steffen Hebestreit) dokumentiert das Schreiben des Innenministeriums.

In einem gesonderten Kommentar kritisiert Höll in der SZ die "Prinzipienreiter beider Seiten" und fordert sie zur Kompromissfindung auf, um ein Vertragsverletzungsverfahren noch zu verhindern. Reinhard Müller (FAZ) kritisiert "das Stück" als "Koalitionsposse" und beleuchtet den juristischen Rahmen, in dem sich diese zuträgt.

Weitere Themen – Justiz

Anrechnung des Maßregelvollzugs: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass jedenfalls in Härtefällen der Maßregelvollzug auf noch ausstehende verfahrensfremde Freiheitsstrafen angerechnet werden müsse. Den Beschluss des Gerichts begrüßt Max Steinbeis (verfassungsblog.de).

Gauck & Eurorettung: Nach einem Bericht der SZ (Cerstin Grammelin) sieht Bundespräsident Gauck keine Chance für die gegen den Eurorettungsschirm angekündigten Verfassungsbeschwerden. Spöttisch bezeichnet ihn Heribert Prantl (SZ) daraufhin als "17. Verfassungsrichter" und kritisiert seine anmaßende Äußerung, mit der dieser offenbar schon das Ergebnis noch nicht einmal eingereichter Klagen vorwegnehmen wolle.

Anzeige gegen Bundesbank-Vorstand: Wie die FAZ (Joachim Jahn) knapp berichtet, hat der Münchner Strafrechtler Bernd Schünemann den Vorstand der Bundesbank wegen Untreue angezeigt. Hintergrund sei die interne Kredit-Verrechnung zwischen den Notenbanken, sogenannte "Target-Salden", durch die Europäische Zentralbank.

Witwergeld für Lebenspartner: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass auch dem Lebenspartner eines Beamten jedenfalls ab 2005 Witwergeld zusteht. Der Ausschluss eines solchen Anspruchs durch das Landesrecht verstoße gegen die EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtilinie, berichtet lto.de.

Osthilfe-Gesetz: Die FAZ (Reiner Burger) bescheinigt den gegen das Land Nordrhein-Westfalen klagenden Kommunen gute Aussichten, bald weniger für den Aufbau Ost zahlen zu müssen. Der Landesverfassungsgerichtshof habe bei der gestrigen mündlichen Verhandlung die Berechnungsgrundlage für die Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen als "juristisch nicht nachvollziehbar" kritisiert; das Urteil soll am 8. Mai verkündet werden.

St. Pauli-Gästekarten: Nach einer Meldung von lto.de hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg das gegenüber dem Fußballverein St. Pauli verhängte Verbot, an Rostocker Fußballfans Karten für die bevorstehende Begegnung zu verkaufen, im vorläufigen Rechtsschutz aufrechterhalten. Begründet werde das Verbot mit von der Polizei befürchteten schweren Auseinandersetzungen zwischen den Fußballfans der beiden Vereine.

Parteiausschluss gescheitert: Ein vom Bundesvorstand der Piratenpartei gegen eines ihrer Mitglieder wegen rechtsextremer Äußerungen angestrengtes Parteiausschlussverfahren ist nach einem Bericht der SZ (Hannah Beitzer) vor dem Bundesschiedsgericht der Partei gescheitert. Der Pirat war wegen seiner Äußerung vom Bundesvorstand zuvor schon "verwarnt" worden; er könne wegen derselben Äußerung nicht noch einmal belangt werden.

Blitzen für den Säckel: Mit einem sächsischen Richter, der Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren inzwischen einstellt, wenn er aufgrund einer fehlenden anderweitigen Begründung der Behörde davon ausgeht, dass die Geschwindigkeitsüberwachung nicht der Verkehrssicherheit, sondern den Kommunalfinanzen dienen soll, und der dahinter stehenden Rechtslage beschäftigt sich auf lto.de der Verkehrsrechtler Dieter Müller.

Antidiskriminierungsrecht: In einem Vorabbericht beschäftigt sich die SZ (Daniela Kuhr) mit dem für Donnerstag erwarteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Antidiskriminierungsrichtlinie. Folge das Gericht der Stellungnahme seines Generalanwalts, könnten Unternehmen künftig verpflichtet sein, ihre Einstellungsentscheidung gegenüber gleich qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern zu begründen.

Reisekosten und Verfahrenskostenhilfe: Mit dem Erfordernis der "alsbaldigen" Geltendmachung von Reisekosten bei bewilligter Verfahrenskostenhilfe beschäftigt sich anlässlich einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg blog.beck.de (Hans-Otto Burschel).

Verbraucherschützer vs. Telekom: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat nach einem Bericht der FR beim Landgericht Bonn ein Urteil gegen die Telekom erstritten, das es dieser untersagt, Verbrauchern in Shops oder am Telefon kostenpflichtige Zusatzangebote "unterzuschieben". Die Telekom habe bereits Berufung eingelegt.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Breivig-Prozess: Als "Wahnwelt des Tempelritters" bezeichnet die FAZ (Friedrich Schmitt) den Rechtfertigungsversuch des wegen mehrfachen Mordes in Oslo angeklagten Attentäters Anders Behring Breivig am gestrigen zweiten Prozesstag. Wegen Befangenheit habe unterdessen ein Schöffe ausgewechselt werden müssen. Dieser hatte nach den Anschlägen auf der Facebook-Seite einer Boulevardzeitung die Todesstrafe für Breivig gefordert. focus.de (Janine Schaller-Bøyum) porträtiert den ausgewechselten Laienrichter.

Ulrike Hermann (taz) stellt derweil die Frage, warum überhaupt so breit über den Breivig-Prozess berichtet wird – und kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei nicht um Nachrichten, sondern die Befriedigung der Sensationslust handele. zeit.de (Markus Horeld) rechtfertigt die eigene Berichterstattung.

UBS-Ermittlungen: Nach einem Bericht der FAZ (Jürgen Dunsch) ermittelt die Pariser Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung französischer Kunden gegen die schweizerische Großbank UBS. Bei einem ähnlich gelagerten Prozess in den USA habe die Bank eine solche Beihilfe einräumen müssen.

Kriminalisierung von Protest: Die taz (Reiner Wandler) beschäftigt sich mit von der spanischen Regierung geplanten Verschärfungen des Strafrechts, durch die auch friedliche Protestaktionen und der Aufruf dazu im Internet künftig scharf bestraft werden können sollen.

Sonstiges

IStGH-Moot Court: "Ein bisschen wie Boston Legal" – so beschreibt eine Teilnehmerin die im Rahmen des National Model United Nations stattfindende Simulation des Internationalen Strafgerichtshofs im New Yorker Sheraton-Hotel. lto.de (Anna Katharina Bernzen) mit einer Reportage.

Das Letzte zum Schluss

Pädophilen-Scan: Pädophilie soll per Hirnscan feststellbar sein. Davon seien jedenfalls Forscher der Universität Kiel überzeugt, berichtet lawblog.de (Udo Vetter) – und warnt vor den Konsequenzen vorsorglicher Pädophilie-Tests. Daneben spekuliert er über mögliche Verteidigerstrategien im Umgang mit solchen Tests.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. April 2012: Fristablauf für Vorratsdaten – Gauck spielt Verfassungsrichter – Gehirnscans bei Pädophilen . In: Legal Tribune Online, 18.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6019/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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