Für die Probleme am BGH gibt es nur einen Schuldigen, meint der Spiegel: den Präsidenten Klaus Tolksdorf. Außerdem in der heutigen Presseschau: Differenzen zwischen Steuer- und Strafrecht, das BVerfG zum Waffenrecht, das VG Schleswig hilft Facebook, die tolle neue französische Justizministerin und warum eine junge Argentinierin den verurteilten Mörder ihrer Schwester heiratete.
Spiegel zu Tolksdorf: In einem vernichtenden Portrait schildert der Spiegel (Dietmar Hipp) den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Klaus Tolksdorf. Er wird ausführlich dargestellt als ein Präsident, "der sich in zu viele Dinge einmischt, der keinen Widerspruch duldet und ein hierarchisches Herrschaftsdenken pflegt". Tolksdorf habe "Kontrollwahn", "Herrschaftsallüren" und werde im BGH schon als "Ajatollah Tolkmeni" bezeichnet. Als Beleg für die wachsende Kluft zwischen Tolksdorf und Teilen der Richterschaft werden die jüngsten Wahlen zum Präsidium genannt. Dort gewann eine Oppositionsliste. Als Hintergrund des Konflikts zwischen Tolksdorf und BGH-Richter Thomas Fischer wird eine von Tolksdorf gebrochene Abmachung über die Ernennung Fischers zum Senatsvorsitzenden angeführt.
Dienstgericht des Bundes zu Tolksdorf: lto.de (Christian Rath) schildert die Verhandlung und das Urteil des Dienstgerichts des Bundes vom Donnerstag. Es ging um die Frage, ob Tolksdorf mit verschiedenen Maßnahmen die richterliche Unabhängigkeit der BGH-Richter Thomas Fischer und Ralf Eschelbach verletzt hat. Die Klagen wurden abgelehnt, weil die Maßnahmen keinen dienstaufsichtlichen Charakter hatten.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Gesetz – Betreuungsgeld: Bundespräsident Joachim Gauck hat das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgelds unterzeichnet. Dabei hat er aber verfassungsrechtliche Zweifel geäußert, berichtete die Samstags-SZ (Christoph Hickmann). Hamburg will gegen das Gesetz klagen, da der Bund keine Gesetzgebungskompetenz habe, meldet zeit.de.
EU-VO-Vorschlag – Medizinversuche: Die Montags-SZ (Heribert Prantl) stellt einen umstrittenen Verordnungsentwurf der EU-Kommission vor. Bei Medizinversuchen sollten künftig keine Ethikkommissionen mehr mitentscheiden. Die Auftraggeber aus der Pharma-Industrie sollen sich den EU-Staat, der den Versuch genehmigt, aussuchen können. In einem gesonderten Kommentar schreibt Prantl (Montags-SZ): Bald sei "das Schutzniveau künftig bei Tierversuchen höher als das bei den Versuchen am Menschen."
Diskussion – Steuerrecht und Strafrecht: In einem Wirtschafts-Leitartikel unterstützt Joachim Jahn (Samstags-FAZ) einen Vorschlag von Rudolf Mellinghoff, dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs: "Wo Straf- und Finanzrichter zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, solle ein gemeinsamer Spruchkörper entscheiden." Derzeit würden Bürger immer wieder wegen Steuerdelikten strafrechtlich verurteilt, obwohl die Finanzgerichte später gar keine entsprechende Steuerschuld feststellen.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zum Waffenrecht: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde abgelehnt, die eine Verschärfung des Waffenrechts forderte. Der Gesetzgeber habe zwar eine Schutzpflicht, aber auch einen weiten Gestaltungsspielraum, berichteten u.a. die Samstags-SZ (Helmut Kerscher) und die Samstags-taz (Christian Rath).
Reinhard Müller (Samstags-FAZ) begrüßt die Entscheidung: "Karlsruhe hat nur eine Letztkontrolle – in engen Grenzen." Ursula Knapp (Samstags-FR) kritisiert das Urteil: "Die Verfassungsrichter hätten dem Gesetzgeber zumindest den Auftrag geben sollen, die weitere Entwicklung zu untersuchen." Christian Rath (taz) hält ein allgemeines Waffenverbot für unverhältnismäßig: "Es gibt offensichtlich auch eine gute liberale Einsicht in der Bevölkerung, dass man nicht jeder Gefahr mit generellen Verboten begegnen kann."
BVerfG zu biometrischen Reisepässen: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde der Schriftstellerin Juli Zeh gegen die Verwendung biometrischer Daten in ihrem Reisepass abgelehnt, meldet lto.de. Sie habe nicht deutlich gemacht, welche konkreten Maßnahmen und Vorschriften ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt haben könnten.
VG Schleswig zu Facebook: Der Internet-Konzern Facebook hat beim Verwaltungsgericht Schleswig erfolgreich gegen eine Verfügung des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert geklagt, meldet spiegel.de. Für den Datenschutz von Facebook sei ausschließlich Irland zuständig. Konkret ging es um die Frage, ob Facebook Pseudonyme verbieten darf. Thomas Stadler (internet-law) hält das Urteil nur im Ergebnis für richtig, nicht aber in der Begründung.
BGH zu Zahlungsversprechen an Gesellschafter: Anwalt Christian A. Krebs stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem September 2012 vor. Danach ist für das Zahlungsversprechen einer Aktiengesellschaft an einen stillen Gesellschafter folgendes erforderlich: Schriftform, die Zustimmung der Hauptversammlung und die Eintragung ins Handelsregister. "Überraschend ist, dass der BGH die Sonderzahlungszusage als Änderung des Teilgewinnabführungsvertrags qualifiziert hat, obwohl die Parteien dies offensichtlich nicht wollten."
BVerfG – Adoption durch Homosexuelle: Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob Homosexuelle das von ihrem eingetragenen Lebenspartner adoptierte Kind ebenfalls adoptieren können (Sukzessivadoption). In Vorberichten wird das Problem von der Montags-SZ (Heribert Prantl) und der Samstags-taz (Paul Wrusch) vorgestellt.
BVerwG – Auskunftsanspruch der Presse: Am Mittwoch wird das Bundesverwaltungsgericht über die Frage verhandeln, ob die Presse Auskunfts-Ansprüche gegen Bundesbehörden auf Landespressegesetze stützen kann. In einem Vorbericht schildert spiegel.de (Philipp Wittrock) das Problem und die mit dem Urteil verbundenen Befürchtungen für die Pressefreiheit.
LG Koblenz – Kindesentführung: An diesem Montag wird das Landgericht Koblenz voraussichtlich über die mutmaßliche Kindesentführung eines deutschen Paars in Tschechien urteilen. Die FAS (Lena Schipper) gibt einen Überblick über den Prozessverlauf. Es scheine unwahrscheinlich, dass der mitangeklagte Mann nur naiv auf die Lügen seiner geständigen Partnerin, der Haupttäterin, hereingefallen sei.
LG Frankfurt/M – Suhrkamp: Der Spiegel sprach mit dem Sprecher des Frankfurter Landgerichts über den Stand des auf September vertagten Suhrkamp-Verfahrens. Eine Einigung der streitenden Gesellschafter könne noch fünf Minuten vor Urteilsverkündung erfolgen.
LG Augsburg – Polizistenmord: In dieser Woche beginnt vor dem Landgericht Augsburg der Prozess gegen zwei Brüder, die einen Polizisten ermordet haben sollen. spiegel.de (Julia Jüttner) schildert den Fall: Eine Polizeistreife verfolgte ein verdächtiges Motorrad und wurde dann unter Beschuss genommen. Die Brüder sollen an dem Abend einen Raubüberfall vorgehabt haben.
StA Bonn – Anklage gegen Teldafax-Manager: Gegen drei Manager des ehemaligen Stromlieferanten Teldafax hat die Bonner Staatsanwaltschaft Anklage wegen Insolvenzverschleppung, Bankrotthandlungen und gewerbsmäßigen Betrugs erhoben. Das berichtet die Samstags-SZ (Stefan Weber). Das Geschäft mit extrem günstigen Strompreisen sei ein Schneeballsystem gewesen. Das Handelsblatt (Jürgen Flauger/Sönke Iwersen) schildert in einem ausführlichen Report die Karriere des Haupttäters Michael Josten.
StA Hamburg – Gysi und der Richter: Die Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Gregor Gysi (Die Linke) wegen einer möglicherweise falschen eidesstattlichen Erklärung über seine Stasi-Kontakte wurden durch die Strafanzeige eines pensionierten Richters aus Süddeutschland ausgelöst, berichtet der Focus (Alexander Wendt). Der Pensionär arbeite an einem Buch über DDR-Anwälte, war nie Mitglied einer Partei und wolle anonym bleiben.
StA Zweibrücken – Abu Omar-Entführung: Nachdem in Italien mehrere italienische Geheimdienstler wegen Beteiligung an der CIA-Entführung des ägyptischen Imams Abu Omar verurteilt wurden, spricht Der Spiegel mit dem Zweibrücker Oberstaatsanwalt Eberhard Bayer. Er hatte gegen CIA-Agenten ermittelt, weil die Entführer vermutlich den deutschen Flughafen Ramstein benutzten, musste das Verfahren aber ergebnislos einstellen: "Am Ende konnten wir nicht herausfinden, welche CIA-Agenten in Ramstein waren."
Weitere Themen – Recht in der Welt
Frankreich – Justizministerin Taubira: Die FAS (Michaela Wiegel) portraitiert ausführlich die parteilose französische Justizministerin Christiane Taubira. Anlass: "Christiane Taubira hat die französische Nationalversammlung mitgerissen mit ihren Reden zur 'Ehe für alle', die gespickt waren mit klugen Zitaten und geistreichen Versen."
IStGH – Prozess gegen Gbagbo: Am Dienstag beginnt am Internationalen Strafgerichtshof der Prozess gegen den Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, nachdem er seine Wahlniederlage Ende 2010 nicht anerkannte. In ausführlichen Vorberichten zeigen die Montags-SZ (Ronen Steinke) und die Montags-FAZ (Thomas Scheen), wie der IStGH mit der neuen Regierung der Elfenbeinküste zusammenarbeitet und dabei die Glaubwürdigkeit des Gerichts gefährdet.
WTO - Antigua vs. USA: Die Welthandelsorganisation hat dem Karibikstaat Antigua die Verletzung von amerikanischen Urheberrechten im Wert von 21 Mio. Dollar erlaubt. Das berichtet das Handelsblatt (Klaus Ehringfeld). Auslöser des Rechtsstreits war die unzulässige US-Blockade von Online-Casinos auf Antigua. Als eine Art Vergeltungsmaßnahme erlaubte die WTO nun Antigua den Aufbau einer staatlichen Piraten-Webseite.
Das Letzte zum Schluss
Heirat mit dem Mörder der Schwester: Ihre Mutter verzögerte die Heirat um mehrere Wochen: Zuerst sollte die Braut auf ihre Zurechnungsfähigkeit untersucht werden. Ohne Erfolg. Eine 22-jährige Argentinierin heiratete den Mann, der als Mörder ihrer Zwillingsschwester verurteilt wurde, berichtet spiegel.de. Die junge Frau geht fest davon aus, dass er unschuldig hinter Gittern sitzt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. - 18. Februar 2013: Tolksdorf als Ajatollah – Waffen bleiben erlaubt – Facebook siegt in Schleswig . In: Legal Tribune Online, 18.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8164/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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