Die EU erntet für den Versuch, Ratingagenturen zu kontrollieren, keinen Beifall. Einen möglichen Weg zu deren Haftung eröffnet derweil der BGH. Außerdem in der Presseschau: Der Innenminister zweifelt am Sinn des NPD-Verbotsverfahrens, das LG Braunschweig stoppt die Verbreitung einer Loriot-Biografie, schärfere Waffengesetze in den USA und wie Gabriele Pauli auch künftig angeschaut werden darf.
Gegenwind für Ratingagenturen: Das Europaparlament billigte am Mittwoch eine Verordnung, mit der Ratingagenturen schärferen Regeln unterworfen werden sollen. So sollen ab April Bewertungen der Kreditwürdigkeit von Staaten nur noch an bestimmten, vorab festgelegten Terminen und außerhalb der europäischen Börsenzeiten vorgenommen werden. Auch die Bewertungen von Unternehmen soll transparenter gestaltet werden. Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sehe in den Vorschriften die Quittung für den Beitrag der Agenturen zur Finanzmarktkrise, berichtet die Welt (Florian Eder). Kritiker bemängelten jedoch Ausnahmeregeln und den Verzicht auf die Schaffung einer unabhängigen europäischen Rating-Stiftung. Die FAZ und die taz (Eric Bonse) melden, dass die Agenturen zukünftig für grob fahrlässige Fehleinschätzungen haften sollen.
Kommentare zum Vorhaben fallen enttäuscht aus: Eric Bonse (taz) wartet auf die nächste Reform; nach Cerstin Gammelin (SZ) seien die Regeln kaum das Papier wert, auf dem sie stehen.
Dabei könnte eine Schadensersatzpflicht in Deutschland auch nach bisheriger Rechtslage bestehen, wie aus einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom Dezember hervorgeht. Der hinreichende Inlandsbezug ergebe sich aus dem Wohnsitz des Klägers. Dieser begehrt Schadensersatz für eine Anlage in Zertifikate der Investmentbank Lehman Brothers, die unmittelbar vor ihrer Insolvenz von der beklagten "Standard & Poor's"-Agentur als sehr gut bewertet wurden. Die Erfolgsaussichten hingen dabei auch von der Frage ab, ob deutsches oder US-amerikanisches Recht zur Anwendung käme. Dies sei ebenso offen wie der eigentliche Prozessbeginn, so das Handelsblatt (Massimo Bognanni). Das ursprünglich mit der Sache befasste Landgericht Frankfurt müsse zunächst prüfen, ob der Ratingagentur die Klage richtig zugestellt worden sei.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Familienzuschlag für verpartnerte Beamte: Beamte in Lebenspartnerschaften sollen mehr Geld erhalten, fordern die FDP-Minister Leutheusser-Schnarrenberger und Rösler in einem Brief an ihren Kabinettskollegen Friedrich (CSU). Hiermit soll einer gesetzlichen Neuregelung als Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichts-Beschlusses aus dem letzten Jahr vorgegriffen werden. Die SZ (Heribert Prantl) weist auf die zeitliche Nähe des Vorschlags zur anstehenden Wahl in Niedersachsen hin, aber auch darauf, dass derartige Vorgriffe gerade bei verfassungsgerichtlichen Anordnungen nicht unüblich sind. Die finanzielle Ungleichbehandlung von Lebenspartnern und Verheirateten im Beamtenrecht habe bis zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes im Jahre 2009 bestanden, weshalb auch die geforderte Rückwirkung der Zahlung gerechtfertigt sei.
Sterbehilfe ohne Gesetz: Der Plan der Regierungskoalition, die "kommerzielle" Sterbehilfe unter Strafe zu stellen ist vorerst gescheitert, meldet die SZ. Das missglückte Gesetzgebungsverfahren zeichnet die Welt (Robin Alexander) in einem ausführlichen Beitrag nach.
Friedrich zum NPD-Verbot: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich äußert sich in einem Interview in der Zeit kritisch zum geplanten NPD-Verbotsverfahren. Nicht nur wegen der unklaren Erfolgsaussichten bestünde die Gefahr eines "einzigen, langen Werbefeldzugs" für die Partei, die aktuell vor dem politischen Aus stehe.
Europäischer Konflikt um Fluggastdaten: Bereits vor der Zustimmung des europäischen Parlaments zur umstrittenen Sammlung von Fluggastdaten beschäftigt sich die Europäische Kommission mit deren Umsetzung. Sie stellte Fördergelder in Höhe von 50 Millionen Euro bereit, mit denen Dienstleister die technischen Voraussetzungen für Sammlung und Verarbeitung der Daten schaffen soll, berichten Handelsblatt (Thomas Ludwig) und SZ (Javier Caceres).
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu Kosten für Medikamente: Krankenkassen müssen die Kosten rezeptfreier Medikamente nicht tragen. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts hervor, meldet lto.de. Die hierdurch zum Ausdruck kommende Ungleichbehandlung verschreibungspflichtiger und nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente sei nach Auffassung des Gerichts durch Gründe der Arzneimittelsicherheit gerechtfertigt, zudem verfolge die gesetzgeberische Unterscheidung mit der Kostenkontrolle im Gesundheitswesen ein legitimes Ziel.
LG Kiel zu Heimtückemord: Ein Mordprozess vor dem Landgericht Kiel zu dramatischen Geschehnissen auf einem norddeutschen Bauernhof fand mit dem Freispruch des angeklagten Vaters ein Ende. Dieser hatte zugegeben, die Leiche des Opfers – seines Sohnes – zerstückelt und in einer Jauchegrube versenkt zu haben. Der von der Staatsanwaltschaft erhobene Vorwurf des Mordes aus Heimtücke habe sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen, berichtet die SZ (Ralf Wiegand).
AG Dresden zu Landfriedensbruch: Das Amtsgericht Dresden hat einen Teilnehmer an einer Anti-Neonazi-Demonstration im Februar 2011 wegen besonders schwerem Landfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Schöffengericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte, mittlerweile Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der Linken, als Rädelsführer die Durchbrechung einer Polizeisperre angeführt und koordiniert habe. Nach dem Bericht der taz (Michael Bartsch) sei das Verfahren das erste, das wegen des unfriedlichen Verlaufs der Demonstration mit einer Verurteilung beendet wurde; zahlreiche Verfahren gegen friedliche Blockierer seien "ins Leere" gelaufen.
AG Regensburg zu Volksverhetzung: Das Amtsgericht Regensburg hat den früheren Bischof Richard Williamson wegen dessen Holocaust-Leugnung in einem Fernsehinterview zu einer Geldstrafe verurteilt, meldet die FR. Die erste Verurteilung in der Sache hatte das Oberlandesgericht Nürnberg wegen Verfahrensmängeln aufgehoben, weshalb erneut verhandelt werden musste.
LG Braunschweig zum Urheberrecht: Nach einem Urteil des Landgerichts Braunschweig darf eine unmittelbar nach dem Tod des 2011 verstorbenen Komikers Loriot veröffentlichte Biografie des Künstlers nicht mehr verbreitet werden, berichtet spiegel.de. Das Gericht gab der Klage einer Tochter Vicco von Bülows wegen Verletzung des Urheberrechts teilweise statt. Im Buch seien zahlreiche Zitate ohne die hierfür notwendige Einbettung in Gedankengänge des Autors verwendet worden. Die taz meldet, dass der beklagte Verlag bereits Vorkehrungen für eine geänderte Auflage getroffen habe.
Bundesbildungsministerin unter Plagiatsverdacht: In der kommenden Woche entscheidet die Promotionskommission der Düsseldorfer Universität über die Eröffnung des Verfahrens zum Entzug des Doktorgrades der Bundesbildungsministerin Schavan wegen des Verdachts, bei ihrer Dissertation plagiiert zu haben. Anlass für die Zeit, in zwei Gastbeiträgen Für und Wider des Entzugs gegenüber zu stellen. Rechtsprofessor Volker Rieble bejaht diesen als wissenschaftlichen Betrug, der emeritierte Philosophieprofessor Ludger Honnefelder vermag hingegen keine Täuschungsabsicht, höchstens Flüchtigkeitsfehler zu erkennen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Waffenkontrolle: Der Streit um schärfere Waffengesetze in den USA geht in die nächste Runde. Nachdem am Dienstag der Gouverneur des Bundesstaates New York ein Gesetzespaket mit der "striktesten Kontrolle des individuellen Waffenbesitzes in den gesamten USA" unterzeichnete, ordnete Präsident Obama am Mittwoch Sofortmaßnahmen per Exekutiv-Verfügung an. Die Einzelheiten stellen spiegel.de (Sebastian Fischer) und die SZ (Oliver Klasen, Matthias Kolb) vor.
Indien – Haftbefehl gegen Porsche-Chef: Ein Gericht in Indien hat einem Bericht auf welt.de gemäß einen Haftbefehl gegen den Porsche-Chef Matthias Müller und weitere Spitzenmanager erlassen. Hintergrund sei der Vorwurf, einen ehemaligen indischen Vertriebspartner betrogen und erpresst zu haben; Porsche habe die Geschäftsbeziehungen ohne Vorwarnung beendet und hierdurch bereits getätigte Investitionen dem Verlust preisgegeben.
Sonstiges
Aufklärung ohne Ende: Wer trägt die Schuld am Scheitern des Projekts zur Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche? Die FAZ (Daniel Deckers) sieht die Entscheidungsträger der Kirche in einer undankbaren Rolle: Um eine lückenlose Aufklärung bemüht, hätten sie voreilig dem Forschungsprojekt zugestimmt, ohne dass zuvor wichtige Einzelheiten geklärt worden seien. Dabei habe gerade in datenschutzrechtlicher Hinsicht Klärungsbedarf bestanden; der geschlossene Vertrag zeuge außerdem von einer "stupenden Ahnungslosigkeit" hinsichtlich der Vorschriften des allgemeinen Kirchenrechts.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer äußert sich dagegen selbst in einem Zeit-Interview. Mochte er auch beim Vertragsabschluss "naiv" hinsichtlich der tatsächlichen Verfügbarkeit von Akten gewesen sein, so habe die Kirche ihrerseits eine Pflicht zur diesbezüglichen Klarstellung verletzt. Im Ergebnis sei das Projekt an der Auseinandersetzung um die Deutungsmacht und Kontrolle der Ergebnisse gescheitert.
Anwälte mit Rekordumsatz: Einer Meldung der FAZ zufolge macht sich der Anwaltsberuf bezahlt – zumindest in den klassischen Wirtschaftskanzleien. Die 50 umsatzstärksten unter diesen hätten im abgelaufenen Geschäftsjahr 3,78 Milliarden Euro eingenommen, mehr als im "Boom-Jahr" 2007/2008. Zu verdanken sei dies einem breiteren Angebot der Rechtsberatung etwa bei Sanierungsfragen oder im Arbeitsrecht.
"Bachelor" im Interview: Tobias Kohl interviewt auf lto.de den aus einer Fernsehsendung bekannten "Bachelor" Jan Kralitschka. Neben seinem Job als Model ist der "nebenbei" als Anwalt tätig.
Das Letzte zum Schluss
Pauli in Latex: Aufatmen können Liebhaber gewagter Bilder ehemaliger bayerischer Politgrößen: Der Versuch Gabriele Paulis, die Verwendung von Fotos, in denen sie Latex-Handschuhe trug, in einem Magazin des Bayerischen Rundfunks zu unterbinden, ist letztinstanzlich vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Paulis Einwand, sie habe die Bilder so nie gewollt, drang nach Meldung der FAZ damit nicht durch.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 17. Januar 2013: Gegenwind für Ratingagenturen – Urheberrecht bei Biografie – Waffenrecht in den USA . In: Legal Tribune Online, 17.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7985/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag