Zwei Tage vor dem EU-Gipfel zur Währungsunion sorgt Bundesfinanzminister Schäuble mit umfassenden Reformvorschlägen für Unruhe. Außerdem in der Presseschau: Eine BGH-Entscheidung und viele Vergleiche in Lehman-Verfahren, der Nürburg-Ring-Prozess, ein Präsident, der nicht einreisen darf, Kubaner, die endlich ausreisen dürfen - und ein Polizist der kein Latein kann.
EU-Reformpläne: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat zwei Tage vor dem EU-Gipfel Vorschläge zur Reform der Union gemacht. Schäuble will den EU-Währungskommissar stärken und ihm insbesondere das Recht geben, ein Veto gegen nationale Haushalte einzulegen. Zugleich solle das EU-Parlament stärker an haushaltspolitischen Fragen beteiligt werden. Die Vorschläge des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy zur Vergemeinschaftung von Staatsschulden stießen dagegen bei der Bundesregierung auf Kritik.
Einen Überblick über die Debatte gibt die FAZ (Nikolas Busse/Manfred Schäfers). Die SZ (Cerstin Gammelin/Claus Hulverscheidt) widmet "Schäubles Europa" das Thema des Tages, erläutert die Reformpläne und geht auf die Reaktionen aus Brüssel ein. Die FTD (Peter Ehrlich/Timo Pache) stellt in Stichworten zusammen, welche Institutionen von welchen Reformen betroffen wären.
Daniel Brössler (SZ) sieht Schäubles Plan zugleich als Vision und Kampfansage, er wende sich "an gleich drei Adressaten: Brüssel, London und Karlsruhe". Günther Nonnenmacher (FAZ) meint dagegen, Sinn der Vorschläge sei "im Grunde nur, die Einhaltung der bestehenden Verträge so gut wie möglich zu gewährleisten". Es sei jedoch nicht absehbar, dass der EU-Gipfel Schäuble folgen werde.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Väterrechte: Wie die FAZ (Peter Carstens) berichtet, will die Bundesregierung einen Gesetzentwurf von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf den Weg bringen, wonach Väter künftig auch gegen den Willen der Mutter ein Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind erhalten können.
Abgeordnetenbestechung: Vor dem Rechtsausschuss des Bundestages findet am Mittwoch eine Anhörung zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung statt. Einer der Sachverständigen, der Politikwissenschaftler Sebastian Wolf, fordert auf lto.de die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption und die Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung.
Weitere Themen - Justiz
EuGH zu Einreiseverbot für Präsident: Ein EU-Mitgliedstaat kann dem Staatsoberhaupt eines anderen EU-Mitgliedstaates die Einreise verweigern. Wie lto.de meldet, entschied das der Europäische Gerichtshof und gab damit der Slowakei Recht, die dem ungarischen Präsidenten 2009 die Einreise verweigert hatte. Das Recht auf Freizügigkeit könne wegen der besonderen Stellung eines Staatsoberhauptes in diesen Fällen eingeschränkt werden.
BGH zu Lehman-Zertifikaten: Der Bundesgerichtshof hat erneut Schadensersatzklagen von Anlegern abgewiesen, die Zertifikate der insolventen Lehman-Bank erworben hatten. Die Finanzberater der Commerzbank hätten keine Beratungspflichten verletzt. Der BGH hatte 2011 entschieden, dass es in den Lehman-Verfahren auf den Einzelfall ankomme. Der Senatsvorsitzende Ulrich Wiechers kritisierte nun, dass die interessanten Fragen nicht zur Entscheidung kämen, weil die Banken sich in diesen Fällen mit den Kunden kurzfristig auf einen Vergleich einigten. Die Hintergründe erläutern die SZ (Wolfgang Janisch) und die FR (Ursula Knapp).
BGH-Urteil zu "Stimmt's?": internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom März dieses Jahres hin, wonach die Bezeichnung einer Zeitungskolumne grundsätzlich Titelschutz nach dem Markengesetz beanspruchen kann. Die Wochenzeitung Die Zeit, in der regelmäßig die Kolumne "Stimmt's?"erscheint, hatte gegen das Internetportal web.de geklagt, das eine Rubrik unter gleichem Namen angeboten hatte. Der BGH sah allerdings keine Verwechslungsgefahr, der Fall wurde an das Oberlandesgericht Hamburg zurück verwiesen.
BGH-Urteil zu Amtszeit von Vorständen: Der Rechtsanwalt Tim Johannsen-Roth bespricht auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juli dieses Jahres, wonach Aufsichtsräte die Amtszeit von Unternehmensvorständen vorzeitig verlängern dürfen, auch wenn dafür keine besonderen Gründe vorliegen.
OVG Münster zu Cern-Klage: Die Klage gegen den Teilchenbeschleuniger im Genfer Forschungszentrum Cern ist endgültig gescheitert, das Oberverwaltungsgericht Münster wies den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab. Das meldet spiegel.de. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die in Zürich lebende deutsche Klägerin hatte befürchtet, bei den Experimenten könnten Schwarze Löcher entstehen, die die Erde zerstören würden.
OLG München - Kirch-Prozess: Im Streit zwischen der Deutschen Bank und den Erben des Medienmanagers Leo Kirch vor dem Oberlandesgericht München könnten sich die Fronten neu sortieren. Wie die SZ (Klaus Ott) erfahren hat, soll die Deutsche Bank Überlegungen angestellt haben, sich mit Kirch auf einen Vergleich zu einigen. Das würde zu Lasten des ehemaligen Deutsche-Bank-Vorstandsprechers Rolf Breuer gehen, der 2002 in einem Interview Kirchs Kreditwürdigkeit angezweifelt hatte.
LG Koblenz – Nürburgring-Prozess: Vor dem Landgericht Koblenz hat der Prozess um den gescheiterten Ausbau des Nürburgrings begonnen. Sechs Angeklagte, darunter der ehemalige rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel, müssen sich wegen mutmaßlicher Untreue oder Beihilfe dazu verantworten. Die Hintergründe des Falles schildert Die Welt (Hannelore Crolly).
LG Bonn – Salafist-Prozess: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Salafisten Murat K. im Strafverfahren vor dem Landgericht Bonn gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor und fordert eine Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. K. hatte zuvor gestanden, im Mai zwei Polizisten mit Messerstichen verletzt zu haben. Eine kurze Meldung findet sich auf spiegel.de, eine ausführliche Reportage aus dem Gerichtssaal bringt die SZ (Annette Ramelsberger). Dort heißt es, K. habe keine Reue gezeigt und die Tat mit seinem Glauben gerechtfertigt.
Revision im Drehbuch-Prozess: In dem Prozess gegen die ehemalige NDR-Fernsehchefin Doris Heinze hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, so spiegel.de. Das Landgericht Hamburg hatte Heinze zuvor wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, weil sie für den Sender Drehbücher gekauft hatte, die sie oder ihr Mann geschrieben hatten.
Schavans Uni stellt Anzeige: Die Universität Düsseldorf hat eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informationen gestellt, nachdem ein Gutachten über angebliche Plagiate in der Doktorarbeit der Bundesbildungsministerin Annette Schavan bekannt geworden ist. Das berichten unter anderem die taz (Jannis Hagmann) .
Weitere Themen – Recht in der Welt
Kuba – Reisefreiheit: Kuba hebt die Reisebeschränkungen weitgehend auf, ab dem 14. Januar 2013 brauchen Kubaner keine Ausreiseerlaubnis mehr. Die FAZ (Matthias Rüb) schildert ausführlich die Neuregelungen, die SZ (Peter Burghardt) geht darauf ein, dass bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte und Offiziere weiter mit Beschränkungen rechnen müssen. Die taz (Knut Henkel) warnt, die Behörden könnten auch die Ausstellung eines Passes verweigern und damit die Ausreise verhindern.
Peter Burghardt (SZ) meint, die Regierung gebe damit dem Druck nach und strebe eine "zarte wirtschaftliche Öffnung" an. Auch Klaus Ehringfeld (Handelsblatt) vermutet wirtschaftliche Motive, wer auswandere liege dem Staat "nicht mehr auf der Tasche". Bernd Pickert (taz) zeigt sich skeptisch, der kubanische Staat gebe die Kontrolle seiner Bürger nicht aus der Hand. Die FTD kommentiert in einem Leitartikel, die Ausreiseerlaubnis werde den Kubanern wenig helfen, wenn sie nirgendwo einreisen dürften – so beschränkten etwa die USA die Zahl der Visa.
ICTY – Karadzic vor Gericht: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat der Prozess gegen den früheren Serbenführer Radovan Karadzic begonnen. Er ist wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und soll unter anderem für den Völkermord von Srebrenica 1995 verantwortlich sein. Wie die FR berichtet, weist Karadzic alle Vorwürfe zurück.
USA – affirmative action: Der US Supreme Court muss sich mit dem Problem der so genannten "affirmative action" befassen: Eine weiße Studentin hat gegen die Universität von Texas geklagt, weil diese im Auswahlverfahren auch auf die Zusammensetzung der Studierenden achten will und dabei schwarze Studienbewerber fördert. Die Eindrücke von der Verhandlung, die letzte Woche stattfand, schildert die FAZ (Patrick Bahners).
USA – Terrorhelfer: Das Berufungsgericht des District of Columbia hat ein Urteil eines Guantanamo-Militärtribunals gegen Salim Hamdan, einen Unterstützer Osama Bin Ladens, aufgehoben. Das meldet spiegel.de. Die materielle Unterstützung von Terrorismus sei 2001 noch kein Kriegsverbrechen gewesen.
Das Letzte zum Schluss
Polizist mit falschem Zeugnis: Vor dem Verwaltungsgericht München will ein Polizist seine Rückkehr in den Polizeidienst erstreiten. Er hat zwar 33 Jahre tadellos seinen Dienst versehen, doch dann stellte sich heraus, dass sein Schulzeugnis gefälscht war: Für die Bewerbung hatte er aus einer Sechs in Latein eine Fünf gemacht. Das berichtet die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch) im München-Teil.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Oktober 2012: Reformen für Europa – Neues Lehman-Urteil – Reisefreiheit in Kuba . In: Legal Tribune Online, 17.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7325/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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