Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. Juni 2013: Rechtsbeugung im Fall Mollath – Haftungsbeschränkung für Anwaltskanzleien – Vorratsdatenspeicherung vor EuGH

17.06.2013

Der Wiederaufnahmeantrag im Fall Mollath ist merkwürdig: Die noch im Antragsentwurf aufgeführten Rechtsbeugungen des Mollath-Richters Brixner sind nun alle verschwunden. Außerdem in der Presseschau: Ministerium erarbeitet Verordnung zur Netzneutralität, NPD klagt gegen Drei-Prozent-Klausel, EuGH verhandelt im Juli über Vorratsdatenspeicherung und warum Anklagte im Strafprozess nicht das letzte Wort haben sollten.


Fall Gustl Mollath/Wiederaufnahmeantrag: Die Montags-SZ (Olaf Przybilla) findet den vom Regensburger Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl eingereichten Wiederaufnahmeantrag im Fall Gustl Mollath "merkwürdig". Im Entwurf des Antrags habe Meindl insgesamt fünf Rechtsbeugungen des Richters Otto Brixner aufgeführt. So habe der Richter Mollath bewusst und willkürlich durch die Verweigerung effektiven Rechtsschutzes benachteiligt. Brixner habe "keinerlei Interesse an einem prozessordnungsgemäßen Ablauf des Anhörungsverfahrens" gehabt, so Meindl laut SZ im Entwurf. In der endgültigen Version sei davon jedoch keine Rede mehr. Vor dem Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag habe Meindl aber ausgesagt, er halte eine Rechtsbeugung Brixners für möglich, habe dies aber nicht im Antrag behaupten wollen.

Im Leitartikel der Montags-FR möchte Christian Bommarius mit Kurt Tucholsky rufen: "Reißt dieser Justiz die falsche Binde herunter!" und fasst noch einmal detailliert die Hintergründe des Falles zusammen.

Merk vor Mollath-U-Ausschuss: Die Samstags-SZ (Olaf Przybilla) berichtet über den Auftritt der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) vor dem Untersuchungsausschuss. "Ruhig, konzentriert, beinahe teilnahmslos" habe Merk "Stunde um Stunde" gesprochen und dabei lediglich eingeräumt: Das Material von Mollath, das zur Einleitung zahlreicher Steuerverfahren geführt hatte, hätte bereits im Jahr 2004 den Steuerfahndern übergeben werden müssen. Dazu auch die Samstags-FAZ (Albert Schäffer): Merks Berater hätten sich "alle Mühe gegeben, in der Disziplin 'Empathie' Boden gutzumachen".

Reinhard Müller (Samstags-FAZ) kommentiert: Merk habe "so etwas wie Empathie" erkennen lassen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

EU-Kommission-Patiententests vereinfacht ermöglichen: Über Pläne der EU-Kommission zur Vereinfachung der Erprobung "nicht gänzlich neuer Wirkstoffe" an Patienten informiert der Spiegel (Nicola Kuhrt). Geplant sei eine Widerspruchslösung, die aber gegen die EU-Grundrechtecharta verstieße; auch sollen Ethikkommissionen Patiententests nicht mehr genehmigen, sondern nur noch "unverbindlich prüfen". Die Regelungen seien vor allem durch wirtschaftliche Motive motiviert: Die Kosten und Bürokratieaufkommen für Studien stiegen immer weiter.

VO zu Netzneutralität: Das Bundeswirtschaftsministerium hat laut Spiegel (Frank Dohmen/Gerald Traufetter, Zusammenfassung auf spiegel.de) einen Verordnungsentwurf zur "Gewährleistung der Netzneutralität" erarbeitet. Kern des neunseitigen Papieres sei das Verbot der "Bevorzugung eigener Inhalte und Anwendungen" durch Netzbetreiber. Auslöser sei der Streit um die Telekom-Pläne gewesen, eigene Dienste von einer geplanten Geschwindigkeitsdrosselung ausnehmen zu wollen. Dazu auch faz.net (Henrike Roßbach).

Europawahlrecht – Klage gegen Drei-Prozent-Klausel: Wie spiegel.de meldet, hat die NPD bereits am Freitag beim Bundesverfassungsgericht eine Organklage eingereicht gegen die vom Bundestag beschlossene Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl. Weitere kleinere Parteien zögen dies ebenfalls in Erwägung. taz.de (Christian Rath) erläutert noch einmal die Hintergründe. Die bisherige Fünf-Prozent-Hürde war 2011 von Karlsruhe für verfassungswidrig erklärt worden, der Eingriff in die Stimmwert-Gleichheit sei nicht rechtfertigbar. taz.de hält es für nicht sehr wahrscheinlich, dass das Gericht davon abweiche. Die Abgeordneten wiederum gäben sich "selbstbewusst und konfliktbereit", hätten aber auch versucht, Karlsruhe eine "Brücke zu bauen" und etwa auf seit 2011 veränderte Verhältnisse hingewiesen. Der Antrag der NPD vor dem BVerfG sei übrigens zu früh, da das Gesetz noch nicht verkündet ist.

Jost Müller-Neuhof (Sonntags-tagesspiegel) meint mit Blick auf das BVerfG: "Kein Urteil für die Ewigkeit". Die Politik nehme das EU-Parlament ernst und könne von den Karlsruher Richtern gleiches erwarten.

Vermögensabschöpfung bei Straftätern: Der Spiegel berichtet aus dem gemeinsamen Wahlprogramm der Union, die eine Vereinfachung der Abschöpfung des Vermögens von Straftätern plane. Dazu diene u.a. eine Abtrennung des Verfahrens zum Vermögenseinzug vom übrigen Gerichtsverfahren. Ersteres solle bis zu fünf Jahre nach einer rechtskräftigen Verurteilung möglich sein.

Lebenslage Sperre nach Doping: Wie die Samstags-SZ berichtet, haben sich die Landesjustizminister auf ihrer Frühjahrskonferenz mehrheitlich für einen Straftatbestand des "Dopingbetrugs" ausgesprochen. Grund seien die "wirtschaftlichen Auswirkungen manipulierter Höchstleistungen im Sport". Der baden-württembergische Minister Rainer Stickelberger (SPD) habe bereits eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, der nun gute Chancen eingeräumt würden.

Im Sport-Teil der FAS (Michael Eder) findet sich ein Beitrag zur Frage der Durchsetzbarkeit lebenslanger Sperren für Doper; die Rückkehr sogenannter Extremdoper in den aktiven Sport erschüttere die sauberen Athleten. Juristisch wäre dies laut FAS wohl nicht durchsetzbar: So habe etwa das Oberlandesgericht München bereits 1996 entschieden, eine mehr als zweijährige Sperre verletze die Berufsfreiheit der betroffenen Athleten.

Haftungsbeschränkung für Anwälte und Schriftsätze per E-Mail: Anwälte können ihre Schriftsätze ab dem Jahr 2018 nur noch per E-Mail an Gerichte und Behörden leiten. Weiter könnten sich nun Sozietäten von Anwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern in eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) umwandeln – so solle einer Flucht großer Kanzleien in die Limited Liability Partnership (LLP) abgeholfen werden. Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) berichtet über zwei entsprechende Gesetze, die im Bundestag verabschiedet wurden. Mit der PartG mbB komme indes eine erhöhte Haftpflichtversicherung: Anwaltskanzleien benötigten eine Deckung von mindenstens 2,5 Millionen Euro. Auch solle mit dem Gesetzespaket verhindert werden, dass insbesondere Banken und Versicherer "im letzten Moment Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zu ihren Lasten" abwendeten.

Europäisches Asylrecht: lto.de (Claudia Kornmeier) spricht mit Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern, über das neue gemeinsame europäische Asylrecht, warum Deutschland dies verzögert hatte. Dabei geht es um das Arbeitsverbot für Asylbewerber, Rechtsschutz gegen Abschiebungen und das sogenannte Flughafenverfahren, das Deutschland nicht aufgeben wollte.

Betreuungsrecht: Das neue vom Bundestag verabschiedete "Gesetz zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbehörden" ist eine kleine Reform des Betreuungsrechts, die vor allem Geld sparen soll, so die Samstags-SZ (Heribert Prantl). Die Betreuungsgerichte hätten künftig die Pflicht, vor Bestellung eines Betreuers die Betreuungsbehörde anzuhören. Damit solle, so die SZ, insbesondere die Bestellung bezahlter Betreuer vermieden werden.

Separat kommentiert Heribert Prantl (SZ) mit Blick auf die 1,3 Millionen Betroffenen: "Ihr Menschenrecht verhungert und verdurstet, weil es viel zu wenig Geld, viel zu wenig Hilfe und viel zu viele Paragrafen dafür gibt."

Schlechtes Rechtsverständnis in NRW: Das "mitunter eigenwillige Rechtsverständnis" der nordrhein-westfälischen rot-grünen Landesregierung kritisiert Reiner Bruger (Montags-FAZ). So habe der Verwaltungsgerichtshof Münster die Haushaltspolitik wiederholt rügen müssen. Auch genüge die Finanzierung einer neuen "staatsferne Journalismusstiftung" aus Rundfunkgebühren nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Überwachung durch Geheimdienste: Der Spiegel (Melanie Amann/ Sven Becker u.a. Zusammenfassung auf spiegel.de) berichtet über das "100-Millionen-Euro-Programm" des deutschen Bundesnachrichtendienst für den Ausbau der Abteilung "Technische Aufklärung" und erläutert den Rechtsrahmen für den Geheimdienst. Erlaubt sei dem BND im G-10-Gesetz die Überwachung von rund 20 Prozent der Kommunikation mit Auslandsbezug, Deutsche Internetsurfer aber seien "offiziell tabu". Dazu auch die Montags-FR (Mira Gajevic).

Über das Treffen von Vertretern der Konzerne Google und Microsoft mit Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) informiert die Samstags-FAZ (Joachim Jahn).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. Juni 2013: Rechtsbeugung im Fall Mollath – Haftungsbeschränkung für Anwaltskanzleien – Vorratsdatenspeicherung vor EuGH . In: Legal Tribune Online, 17.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8941/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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