Die juristische Presseschau vom 16. August 2012: Steuerhinterzieher unter Druck – Gefängnisse als rechtsfreier Raum – MAN-Prozess beginnt

16.08.2012

Nordrhein-Westfalens Steuerfahnder kaufen eine weitere CD mit Bankdaten aus der Schweiz, das Abkommen mit den Eidgenossen wird wohl nicht ratifiziert. Außerdem in der Presseschau: Gefängnisse als rechtsfreier Raum, Staatsvertrag für Muslime in Hamburg, Sterbehilfe, Standard Chartered bezahlt, und wieso eine Pfeife im Saftladen im Vergleich keine Rolle spielt.

Steuerhinterzieher unter Druck: Die SZ (Susanne Höll / Marc Widmann) berichtet, das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz stehe kurz vor dem Aus. Die FR (Timot Szent-Ivanyi) meldet hingegen, die Widerstandsfront gegen das Abkommen werde schwächer.

spiegel.de (Stefan Schultz) berichtet, nach dem Ankauf einer weiteren Steuerdaten-CD durch das Land Nordrhein-Westfalen hätten mehrere Finanzämter Selbstanzeigen von Steuerpflichtigen abgelehnt. Die FTD (Jens Brambusch) zeigt, wie Ermittler belastende CDs ankaufen. welt.de (Kristian Frigelj) bringt ein Porträt von Norbert Walter-Borjans, dem Finanzminister in NRW.

Susanne Höll (SZ) kommentiert, es sei richtig, dass SPD und Grüne das geplante Abkommen zu Fall brächten, weil es zu viele Schlupflöcher für Steuerhinterzieher biete.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften: Ein Beitrag zum Titelthema "Homosexualität" in Die Zeit (Elisabeth Niejahr) beschäftigt sich mit den juristischen Fragen von Ehe und Elternschaft.

Heribert Prantl (SZ) macht sich für die vollständige rechtliche Gleichstellung eingetragener Partnerschaften stark. In einem Beitrag für lto.de plädiert Rechtsprofessorin Nina Dethloff für den Splitting-Tarif.

Kommerzielle Sterbehilfe: Im Zusammenhang mit dem Plan der Bundesregierung, kommerzielle Sterbehilfe zu verbieten, spricht die taz (Christian Rath) mit Ludwig Minelli, dem Chef der Suizid-Hilfsorganisation Dignitas. Der sagt: "Wer am Leben hängt, kommt nicht zu Dignitas."

Hamburg – Staatsvertrag für Muslime: Über den geplanten Staatsvertrag mit muslimischen und alevitischen Glaubensgemeinschaften berichtet jetzt auch spiegel.de (Anna Reimann).

Weitere Themen – Justiz

Gefängnisse als rechtsfreier Raum: Die Zeit (Martin Kotynek / Stephan Lebert / Daniel Müller) widmet ihr Dossier einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Demnach seien viele Gefängnisse zu rechtsfreien Räumen geworden, der Staat habe das Ziel der Resozialisierung faktisch aufgegeben. Jeder vierte Gefangene werde Opfer von zum Teil massiver körperlicher Gewalt.

Wahlrecht für Strafgefangene: Im Zusammenhang mit der anstehenden Reform des Wahlrechts, wirft die SZ (Heribert Prantl) die Frage auf, inwieweit es noch zeitgemäß sei, Gefangenen, die eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verbüßten, für die Dauer von fünf Jahren das passive Wahlrecht zu nehmen. Dies sei, so der Rechtswissenschaftler Jan Oelbermann, auf dessen Studie sich Prantl bezieht, ein "Relikt des Ehrenstrafrechts" und mit den heutigen Verhältnissen unvereinbar.

BVerfG – Wahlrecht für Auslandsdeutsche: In einem Beitrag für lto.de beschäftigt sich Rechtsprofessor Eberhard Lopau mit dem vom Bundesverfassungsgericht gekippten Wahlrecht für Auslandsdeutsche. Die zum Teil weit strengeren Vorschriften in den Landeswahlgesetzen dürften trotzdem Bestand haben, meint er.

MAN-Prozess: Vor dem Landgericht München hat der Prozess gegen Anton Weinmann, den Ex-Vorstand der MAN begonnen. Über die Anklage wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit im gewerblichen Verkehr berichtet unter anderem das Handelsblatt (Markus Fasse, Jan Keuchel).

Die FTD (Angela Maier) bringt ein Porträt des Angeklagten, der von seiner Unschuld überzeugt ist und die ermittelnden Staatsanwälte wegen Verleumdung angezeigt hat.

Pascal Beucker (taz) kommentiert, deutsche Manager sprächen viel von Compliance, "die Einhaltung gesetzlicher Regeln und ethischer Grundstandards halten sie dann doch für eine ökonomische Entscheidung, bei der Staatsanwälte nichts verloren haben."

OLG Frankfurt/M. – "SS-Methoden" keine Beleidigung: Die Kanzlei Damm & Partner* stellt auf ihrer Website damm-legal.de eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vor. Ein Mann hatte die Vorgehensweise von Polizisten bei einer Personenkontrolle mit "SS-Methoden" verglichen. Da die Polizei gezielt gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe vorgegangen sei, so das Gericht, habe der Angeklagte das polizeiliche Vorgehen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit einer kritischen Würdigung mit stark polemisierender Wortwahl unterziehen dürfen.

Weitere Themen – Ausland

Standard Chartered zahlt: Die britische Bank Standard Chartered hat sich im Rahmen eines Vergleichs zur Zahlung von 340 Millionen US-Dollar an die New Yorker Finanzaufsicht verpflichtet, berichtet unter anderem die FAZ (Bettina Schulz / Roland Lindner).

Roland Lindner (FAZ) kommentiert, die New Yorker Ermittler müssten sich den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit gefallen lassen, weil von den massiven Vorwürfen keiner wirklich geklärt worden sei. Rolf Benders (Handelsblatt) spricht von Methoden "wie weiland im Wilden Westen" und kritisiert: "Auf der Strecke bleibt eine echte Aufarbeitung der Finanzkrise."

Sonstiges

Juristin klagt gegen Nichtberufung: Mit der Klage einer Juristin, die mit ihrer Bewerbung an die Hochschule Neubrandenburg nicht berücksichtigt worden war, befasst sich Die Zeit (Sebastian Puschner / Catalina Schröder). Nach wie vor bevorzugten die meist mit Männern besetzten Berufungskommissionen Männer.

Das Letzte zum Schluss

Pfeife im Saftladen: Nach ihrer Kündigung in der Probezeit hatten Mitarbeiterinnen eines Pflegebetriebs gegen Firma und Arbeitgeber auf ihrer Facebook-Seite geschimpft: "Pfeife", "Saftladen", "Drecksladen" war dort unter anderem zu lesen. Nachdem sie die Äußerungen entfernt hätten, sei es vor dem Landesarbeitsgericht Hamm jetzt zu einem Vergleich gekommen. Darüber wundert sich Rechtsanwalt Martin Bechert (fachanwalt-arbeitsrecht.blogspot.de).

* In der ursprünglichen Version des Artikels war Frankfurt als Sitz der Kanzlei Damm & Partner genannt. Diesen Fehler haben wir korrigiert.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)  Hinweis für Journalisten

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. August 2012: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6845 (abgerufen am: 16.10.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen