Der Sonderermittler des Berliner Senats zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz stellt seine Arbeit vor. Außerdem in der Presseschau: Thomas Middelhoff zu seinen persönlichen Verhältnissen und Horst Mahler in Ungarn festgenommen.
Thema des Tages
Breitscheidplatz-Anschlag: Dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat der Sonderermittler des Senats für den Anschlag auf dem Breitscheidplatz, der frühere Bundesanwalt Bruno Jost, die Schwerpunkte seiner aktuellen Tätigkeit dargelegt. Der bis zum Ende des Jahres vorliegende Abschlussbericht werde drei Teile enthalten, schreibt die taz-Berlin. Es sollten zum einen die ausländer- und asylrechtlichen Fragen zu Anis Amri, zum anderen dessen strafrechtliche Behandlung vor dem Anschlag thematisiert und schließlich auch die Frage untersucht werden, ob die Zusammenarbeit von Berliner und nordrhein-westfälischen Behörden "so erfolgt ist, wie sie hätte sein müssen". Ein Zwischenbericht solle noch vor der Sommerpause vorgelegt werden. Zu aktuell noch bestehenden Problemen bei der Einsicht in Ermittlungsakten habe sich Jost optimistisch gezeigt, Lösungen zu finden.
Rechtspolitik
IT-Sicherheit: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat ein schärferes IT-Sicherheitsgesetz gefordert. Der FAZ (Hendrik Wieduwilt) gegenüber erläuterte der Minister, dass hierdurch das Sicherheitsniveau etwa der Verkehrsinfrastruktur erhöht werden könne. Regierungspläne, nach denen Krankenhäuser verpflichtet werden sollen, ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, beschreibt die SZ (Kristiana Ludwig).
Konzerninsolvenzen: Nach gut zehnjähriger Vorarbeit hat der Bundestag das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen verabschiedet. Das Hbl (Heike Anger) stellt das im kommenden April in Kraft tretende Gesetz vor. Eine Zusammenfassung von Insolvenzmassen verschiedener Rechtsträger einer kriselnden Unternehmensgruppe gebe es auch künftig nicht. Verschiedene Insolvenzverwalter und -gerichte würden aber zur Zusammenarbeit verpflichtet.
AÜG: Professor Manfred Löwisch (Hbl-Rechtsboard) bezeichnet die zum 1. April veränderte Ausdehnung der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes als verfassungswidrig. Für die Ungleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern bestehe kein verfassungskonformer Grund. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung gegebene Begründung, durch die Maßnahme würde ein Anreiz zur Tarifbindung geschaffen, verstoße gegen die grundrechtlich garantierte negative Koalitionsfreiheit.
Justiz
BSG zu Babyhelmen: Krankenkassen müssen nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht für die Kosten sogenannter Babyhelme aufkommen. Durch diese Kopforthesen würden zwar Schädelverformungen Neugeborener verhindert, gleichzeitig lägen aber keine medizinischen Studien vor, die schwerwiegende Gesundheitsschäden durch unbehandelte Schädelasymmetrien belegten, so die FAZ (Marcus Jung) über die Entscheidung.
LG Essen – Arcandor: Der Prozess gegen Thomas Middelhoff und sechs frühere Aufsichtsräte des insolventen Arcandor-Konzerns wurde am Landgericht Essen mit einer ausführlichen Stellungnahme des Hauptangeklagten fortgesetzt. Thomas Middelhoff, der wegen Anstiftung zur Untreue angeklagt ist, gab Einsichten in seine aktuelle persönliche, durch Krankheit und Privatinsolvenz geprägte Situation. Die Botschaft der Stellungnahme ist nach Einschätzung der SZ (Benedikt Müller) klar: "Er, Thomas Middelhoff, ist schon genug gestraft, weil er alles verloren hat."
LG Frankfurt/M. zu Beweisverwertungsverbot: Detlef Burhoff (Burhoff-Blog) begrüßt ein "schon aus dem Rahmen" fallendes Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main. Im Februar hatte die dortige Strafkammer entschieden, dass eine polizeiliche Durchsuchung, bei der 241 kg Haschisch sichergestellt wurden, wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen rechtswidrig gewesen sei. In der Praxis sei es angesichts der Menge der sichergestellten Betäubungsmittel "leider häufig der Fall", dass fragwürdige Durchsuchungen eben gerade noch als zulässig bezeichnet würden.
LG Stuttgart – Schlecker: Im Verfahren gegen Anton Schlecker und dessen Familienangehörige vor dem Landgericht Stuttgart wurde der frühere Finanzchef des Unternehmens als Zeuge vernommen. Der Zeuge habe die Unnachgiebigkeit von Gewerkschaften, Angestellten und Geschäftspartnern für die Insolvenz verantwortlich gemacht, schreibt die FAZ (Marcus Jung).
LG München – VW-Unterlagen: Die Beschlagnahme von Dokumenten zu VW bei der Anwaltskanzlei Jones Day war rechtmäßig. Dies entschied nach Meldung der SZ das Landgericht München. Der Autokonzern habe angekündigt, die Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen lassen zu wollen.
StA Braunschweig – VW: spiegel.de (Kristina Gnirke/Michael Kröger) gibt einen Überblick zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Manager des VW-Konzerns wegen des Verdachts der Untreue. Ob die empfangenen Gehalts- und Bonuszahlungen der Beschuldigten letztlich wirklich zu einem Strafverfahren führen würden, sei zweifelhaft.
Recht in der Welt
Frankreich – Implantate: Ein französisches Berufungsgericht hat in einer Eilentscheidung am vergangenen Freitag den TÜV Rheinland wegen Pflichtverletzung bei der Zertifizierung der Produktion von Silikonimplantaten zur vorläufigen Zahlung von Schadensersatz an Betroffene verurteilt. Nach Einschätzung eines von der FAZ (Karin Truscheit) befragten Rechtsanwalts könnte die Entscheidung auch Auswirkungen für in Deutschland anhängige Verfahren haben.
Italien – Krebsrisiko Handy: Ein tumorerkrankter Italiener hat gegen seinen Arbeitgeber ein Urteil erstritten, nach dem zwischen seiner früheren, beruflich bedingten Vieltelefoniererei und seiner Erkrankung ein Kausalzusammenhang besteht. Den Fall stellt lto.de vor. Der Bericht legt auch dar, unter welchen Voraussetzungen in Deutschland eine vergleichbare Entscheidung möglich wäre.
Spanien – Investitionsstreit: Eine bei der Weltbank angesiedelte Schiedsorganisation für Investitionsstreitigkeiten hat in der vergangenen Woche Spanien verurteilt, einem ausländischen Investor wegen der rückwirkenden Kappung staatlich garantierter Ökostromsubventionen Schadensersatz zu leisten. Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung sei die erste in einer ganzen Reihe anhängiger Verfahren, schreibt die FAZ (Hans-Christian Rößler/Marcus Jung), die auch vertieft auf die im Land geplatzte Investitionsblase bei Solarenergieanlagen eingeht.
USA – Drogenkriminalität: US-Justizminister Jeff Sessions hat bei der Bekämpfung von Drogenkriminalität eine Rückkehr zur harten Abschreckungspolitik der 1980er Jahre angekündigt, schreibt die FAZ (Andreas Ross). Hierzu gehöre die Rücknahme einer Anordnung seines Amtsvorgängers an Staatsanwälte des Landes, bei nicht gewalttätigen Dealern hohe Mindeststrafen möglichst zu umgehen.
USA – Chelsea Manning: Am morgigen Mittwoch wird die vom früheren US-Präsidenten Barack Obama begnadigte Chelsea Manning aus der Haft entlassen. Die Welt (Uwe Schmitt) porträtiert die Whistleblowerin.
Sonstiges
Radikalenerlass: Die taz-Nord (Tobias Brück) interviewt Jutta Rübke (SPD), die als bundesweit erste Landesbeauftragte für die Aufarbeitung des Radikalenerlasses in Niedersachsen tätig ist. In einem Kommentar spricht sich Benno Schirrmeister (taz-Nord) dagegen aus, Gesinnung staatlich zu verbieten. Die bisher bekannte Geschichte des Erlasses belege dessen "stets selektive und willkürliche" Anwendung. Der Ermessensspielraum hierfür sei vom Bundesverfassungsgericht in bedenklicher Weise ausgedehnt worden.
Dieter Degowski: Auch die SZ (Annette Ramelsberger) schreibt nun über die Namensänderung von Dieter Degowski anlässlich seiner bevorstehenden Haftentlassung. Der Beitrag nennt weitere Beispiele, in denen Verurteilte zum Zwecke ihrer Resozialisierung neue Namen enthielten, und beschreibt das nicht einfache Leben von Menschen, die etwa als Teilnehmer von Zeugenschutz-Programmen neue Identitäten erhielten.
Horst Mahler: Der mit einem Haftbefehl gesuchte Horst Mahler ist in Ungarn verhaftet worden. Der von Mahler angekündigte Asylantrag im Land sei noch nicht gestellt worden, gibt die taz (Konrad Litschko) den Regierungssprecher des Landes wieder. Es sei auch "rechtlich ausgeschlossen", dass Mahler Asyl erhalte, weil er aus einem anderen EU-Staat komme.
Kartellamt: In einem Gastkommentar für das Hbl beschreibt Rechtsanwalt Florian Josef Hoffmann eine durch geringe Kartellbußen und so gut wie nicht existierende Fusionsverbote geprägte verminderte Aktivität des Bundeskartellamts. Der Leiter des European Trust Institutes in Düsseldorf macht hierfür den verloren gegangenen Einfluss der FDP und einen "kapitalen politischen Schwenk" in dieser Legislaturperiode des Bundes verantwortlich.
Video-Bewerbungsgespräche: Rechtsanwältin Anja Mengel bezeichnet auf lto.de jüngste Kritik in Jahresberichten von Landesdatenschutzbeauftragten an "neuen Formen der digitalisierten und automatisierten Bewerberauswahl" als fragwürdig. Im Einklang mit ihren "oft unverständlich restriktiven Ansichten" würden die Datenschutzbehörden in ihren Berichten dabei teils Rechtsprechung zum Thema, teils den Regelungsgehalt der ab dem kommenden Jahr geltenden Datenschutzgrundverordnung ignorieren. Hierbei würde auch der Nutzen derartiger Bewerbungsmethoden übersehen.
Das Letzte zum Schluss
Gangster Rap: Ein seinem Antlitz nachempfundenes Fahndungsbild war dem Rapper Bushido doch wohl ein bisschen zu viel Gangster, weswegen er eine Strafanzeige wegen Verleumdung und Verfolgung Unschuldiger erstattet hatte. Die hierzu betriebenen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Stade nach Meldung von spiegel.de nun eingestellt. Zwar sei eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und dem Musiker vorhanden, erklärte ein Sprecher der Anklagebehörde. Das Bild sei verfremdet worden, denn: "Ziel war es nicht, Bushido zu verfolgen."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2017: Sonderermittler Breitscheidplatz / Gefallener Middelhoff / Horst Mahler verhaftet . In: Legal Tribune Online, 16.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22901/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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