Der BayVerfGH hat Klagen gegen den Rundfunkbeitrag abgewiesen. Außerdem in der Presseschau: Angela Merkel im Interview, Sigmar Gabriel zu rechtlichen Herausforderungen im digitalen Zeitalter, Nachlese zum Google-Urteil des EuGH, Zustellung von Anwalt zu Anwalt, neue Beschwerde von Sebastian Edathy und am falschen Ende gespart.
Thema des Tages
Rundfunkbeitrag: Nach dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zu Beginn der Woche hat nun auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof Klagen gegen den Rundfunkbeitrag abgewiesen. Die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages seien mit der Verfassung des Freistaates vereinbar, zitiert die Welt (Ulrich Clauß) das Münchner Gericht. Auch die von den Klägern behauptete Überschreitung der grundgesetzlich normierten Gesetzgebungskompetenzen habe das Gericht nicht erkennen können. In der Sache sei die tatsächliche Nutzung öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote kein Kriterium für die Beitragspflicht. Denn auch wer auf sie verzichte, wie etwa die Mitarbeiter der klagenden Drogerie-Kette, profitiere von den durch die Finanzierung gesicherten Angeboten, so die taz (Tobias Schulze) in ihrem Bericht.
Diese Argumentation, nach der jeder "im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Finanzierungsverantwortung zu beteiligen" sei, um dessen "wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen" zu sichern, bezeichnet Albert Schäffer (FAZ) im Medien-Teil des Blattes als "Wortgeklingel". Besonders enttäuschend sei, dass vom Gericht versäumt wurde, "die sonst in Bayern so gern hochgehaltene föderale Vielfalt" zu entwickeln.
Auch die FAZ (Michael Hanfeld), ebenfalls im Medien-Teil, hält die "erstaunlich gleichlautende, mitunter wie Satire anmutende Schwurbel-Prosa" beider Entscheidungen, "die mit der juristischen Abwägung von Argumenten wenig zu tun hat," für bemerkenswert. In einseitigen, apodiktischen Urteilen sei festgelegt worden, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "sakrosankt" sei.
Reinhard Müller (FAZ) fragt, ob "der Nutzer eine Gegenleistung" erhält, denn dies wäre schließlich eine Begründung dafür, dass die "Gebühr" keine Steuer sei. In seiner jetzigen Ausgestaltung sei der Beitrag vor allem "praktisch". Hieraus könne aber noch nicht auf eine zustimmende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefolgert werden, denn "Karlsruhe ist nicht ganz auf Linie". Claudia Tieschky (SZ) kommentiert, dass aus der nun zweifach gerichtlich bestätigten "handwerklichen" Solidität des Beitragsgesetzes nicht automatisch auf dessen Berechtigung geschlossen werden könnte. Um zu erreichen, dass die Menschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk "als ihren betrachten," wäre ein mutigeres Programm vonnöten.
Rechtspolitik
Angela Merkel: Die FAZ (Günter Bannas/Berthold Kohler, Zusammenfassung) interviewt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Neben dem außenpolitischen Schwerpunkt Ukraine und dem Verhältnis zu Russland äußert sich die Regierungschefin auch zu Sozialleistungen für EU-Ausländer, dem Verhältnis der Politik zum Bundesverfassungsgericht nach dem Urteil zur Sperrklausel bei der Europawahl und einer möglichen Wahl der Verfassungsrichter durch den Bundestag.
Digitale Herausforderungen: In einem Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ (Zusammenfassung) beschreibt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel rechtliche Herausforderungen im digitalen Zeitalter. Es sei eine "urliberale und ursozialdemokratische Aufgabe", ungezähmten Datenkapitalismus zu bändigen, das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Löschungsansprüchen gegen Google habe hierzu die "Souveränität des Rechts" wiederhergestellt. Der europäischen Politik stellten sich vier Aufgaben: Zunächst müsse sichergestellt werden, dass Bürger frei entscheiden könnten, welche Informationen über sie "im Umlauf" seien. Weiter müsse die Soziale Marktwirtschaft auf die "Höhe des digitalen Zeitalters" gebracht werden, hier dürfe auch nicht vor kartellrechtlichen Maßnahmen gegen Datenkonzerne zurückgeschreckt werden. Zu diesen wettbewerbssichernden Schritten gehörten auch geeignete Mittel gegen Steuerdumping. Schließlich müsse sichergestellt werden, dass "Clickworker nicht zu den rechtlosen Tagelöhnern der digitalen Moderne werden".
Google: Das Handelsblatt widmet "Europa gegen Google" sein Titelthema mit mehreren Beiträgen (Zusammenfassung) und berichtet etwa von einer Ankündigung zahlreicher europäischer Verlage, den Konzern wegen seiner Monopolstellung verklagen zu wollen. Im Interview (T. Hoppe/H.-J. Jakobs/T. Sigmund) äußert sich Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) zur Marktmacht des Internet-Riesen, möglichen Einflussnahmen von Politik und Kartellrecht und, etwas abseitig, seiner Ansicht zu einer Vernehmung Edward Snowdens in Deutschland.
Investitionsschutz: Rechtsprofessor Jochen von Bernstorff (verfassungsblog.de) setzt das Online-Symposium zum Investitionsschutz als Bestandteil des US-amerikanisch-europäischen Freihandelsabkommens mit einem Beitrag zur Schiedsgerichtsbarkeit fort. Der Autor charakterisiert die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als Verbindung des etablierten Systems privater Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit einer "genuin öffentlich-rechtlichen Materie", dem Schutz ausländischer Investoren gegenüber staatlichen Regulierungsversuchen. Dabei bestünde für die "verfahrensmäßige Privilegierung einer bestimmten Gruppe von ökonomischen Akteuren" angesichts funktionierender Rechtssysteme in Europa und den USA kein rechtspolitisch vertretbares Bedürfnis.
Kindergeld für EU-Ausländer: Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags verstoßen Vorschläge, den Kindergeld-Bezug von EU-Bürger in Deutschland zu begrenzen, gegen europäisches Recht. Das Handelsblatt (Donata Riedel, erweiterte Online-Version) berichtet exklusiv.
Fehlurteile: Aus Anlass des jüngsten Freispruchs im Fall Peggy befasst sich Christian Rath (Badische Zeitung) mit Gründen für Fehlurteile und den im Prozessrecht eingebauten Sicherungsmaßnahmen gegen sie. Als "bekannte Schwachstelle" wird der kurze Instanzenweg bei schweren Verbrechen mit nur einer Tatsacheninstanz beschrieben und die hiergegen vorgeschlagene Video-Aufnahme der landgerichtlichen Verhandlung diskutiert, aus praktischen Erwägungen aber verworfen. Auch wenn Richter Fehler machten, müsse ihnen die Gesellschaft vertrauen.
Justiz
EuGH zu Google: Matthias Heitmann (Welt) kommentiert das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Mitnichten schütze dieses die Privatsphäre. Demgegenüber rieche es "bedenklich nach George Orwells Wahrheitsministerium", wenn der Zugriff auf zu Recht veröffentlichte Informationen über im öffentlichen Raum Geschehenes unterbunden werde. Dies sei nichts anderes als Zensur und erinnere an "Geschichtsklitterung" totalitärer Staaten mit ihren retuschierten Fotografien.
Eine Urteilsanalyse liefert Matthias C. Kettemann (juwiss.de).
BVerfG – Erbschaftsteuer: Auf Vorlage des Bundesfinanzhofs prüft derzeit das Bundesverfassungsgericht, ob die Erbschaftsteuerbegünstigung für Unternehmen verfassungsgemäß ist. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte derweil bei einem Auftritt, keine Änderungen der Steuer zu planen, schreibt die FAZ (Manfred Schäfers).
OLG Hamm zu Auskunftsrecht: Die FAZ (Helene Bubrowski) schreibt über einen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm, nach der die Mutter eines durch Samenspende gezeugten Kindes verpflichtet ist, dem biologischen Vater auf Verlangen Auskunft über das Kind zu erteilen. Verweigert werden könne diese nur dann, wenn das Verlangen rechtsmissbräuchlich sei oder im Widerspruch zum Kindeswohl stehe, was im entschiedenen Fall trotz beleidigender E-Mails des Samenspenders an die Mutter nicht der Fall gewesen sei.
LG Köln – Sal. Oppenheim: Die SZ (Kirsten Bialdiga) berichtet über eine überraschende Wendung im Strafverfahren um den Niedergang des Bankhauses Sal. Oppenheim vor dem Landgericht Köln. In einer persönlichen Erklärung habe einer der Angeklagten, Christopher von Oppenheim, erstmals Fehler bei der Entscheidung für ein millionenschweres Rettungspaket für den Arcandor-Konzern im Jahr 2008 eingeräumt und damit "die einheitliche Front der Verteidiger" zum Einsturz gebracht.
LG München – Amtshaftung: Die SZ (Stefan Mayr/Mike Szymanski) berichtet in ihrem Bayern-Teil über eine von einem bayerischen Kriminalpolizisten beim Landgericht München I eingelegte Amtshaftungsklage gegen den Freistaat. Der Kläger begehre Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen "exzessiver und unvertretbarer" Ermittlungs- und Disziplinarverfahren, die gegen ihn eingeleitet wurden, als er gemeinsam mit einem Kollegen gegen mutmaßlich betrügerische Abrechnungspraktiken bayerischer Ärzte ermittelte. Diese Ermittlungen seien nach Ansicht des Polizisten "durch politische Einflussnahme gelenkt" gewesen und wurden schließlich auch eingestellt.
AnwG Düsseldorf zu Zustellung: Ein Anwalt ist nicht verpflichtet, gegen die ausdrückliche Weisung seines Mandanten formale Zustellungen vom gegnerischen Prozessbevollmächtigten entgegenzunehmen. Über dieses "noch Stress" machende Urteil des Anwaltsgerichts Düsseldorf schreibt Udo Vetter (lawblog.de). Nach Ansicht des Gerichts sei § 14 der Berufsordnung für Rechtsanwälte bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt entweder nicht anwendbar oder habe gegenüber der Treuepflicht des Anwalts gegenüber seinem Mandanten zurückzustehen.
Sebastian Edathy: Über den "nächsten Schritt im Verteidigungskampf" des ehemaligen Bundestags-Abgeordneten Sebastian Edathy schreibt die SZ (H. Leyendecker/T. Schultz/R. Roßmann). Edathy und sein Anwalt beabsichtigten eine weitere Beschwerde bei Landgericht Hannover gegen die im Februar erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse, unter anderem soll der Zugriff auf Verbindungsdaten des Dienst-Laptops rechtswidrig gewesen sein. In einem Kommentar bezeichnet Robert Roßmann (SZ) diese Argumente als "Nebelkerzen". Auch für den geäußerten Verdacht, dass bei der Durchsuchung Daten aus dem NSU-Untersuchungsausschuss mitgenommen worden seien, bestehe angesichts der strengen Auflagen, unter denen der Bundestag die Durchsuchung genehmigte, kein Raum.
Deutsche Bank-Anwälte: Das Handelsblatt (Peter Köhler/Laura de la Motte) befragt Daniela Favoccia und Matthias Hentzen, Managing Partner der Kanzlei Hengeler Mueller, deren Büroräume bei Ermittlungen wegen Prozessbetrug im Zusammenhang des Kirch-Falls durchsucht wurden. Die Vertreter der Deutschen Bank weisen die Vorwürfe gegen ihre Kanzlei und ihre Mandantin zurück und bestreiten auch ein erhöhtes Haftungsrisiko für Anwälte.
Recht in der Welt
Sudan – Todesstrafe: Im Sudan ist ein Frau wegen "Abtrünnigkeit" zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Wie die FAZ (Thomas Scheen) schreibt, hat die Verurteilte nach Ansicht des Gerichts ihre Tat durch ihre Heirat mit einem südsudanesischen Christen verübt, nach der Landesverfassung sei jeder im Sudan Geborene automatisch Muslim. Die Vollstreckung soll nach der Entbindung der Hochschwangeren erfolgen.
Sonstiges
Atomrecht: Die taz (Ingo Arzt) beschreibt die Förderung der Atomkraft als "europäischen Gründungsmythos". So gehörten sämtliche EU-Mitgliedsstaaten automatisch zur Europäischen Atomgemeinschaft Euratom, könnten aber weitgehend autonom ihre jeweilige Atompolitik betreiben. Dies führe zu unterschiedlichen Sicherheitsstandards für europäische Reaktoren.
Fußfessel: Die SZ (Marc Widmann) berichtet auf ihrer Titelseite über die größte technische Schwachstelle der derzeit von 68 Deutschen getragenen elektronischen Fußfessel. Wie aktuelle Fälle belegten, sei diese der Akku des Geräts. Seien Träger viel unterwegs, könne der Akku bereits nach zwei Stunden leer sein, auch das regelmäßige Aufladen stelle viele der häufig unorganisierten Betroffenen vor Probleme.
Examensbetrug: Wegen der mutmaßlich von einem niedersächsischen Richter verkauften Lösungen für Examensklausuren werden derzeit die Abschlüsse von rund 2.000 Juristen, unter ihnen 100 amtierende Richter, geprüft. Dies erklärte Justizministerin Antje Niewitsch-Lennartz (Grüne) nach einer Meldung der taz.
Gurlitt: Die Welt (Lucas Wiegelmann/Sally-Charell Delin, erweiterte Online-Version) beschreibt die Bemühungen verschiedener deutscher Museen, den Besitz von Bestandteilen der Kunstsammlung des kürzlich verstorbenen Cornelius Gurlitt vor deren mutmaßlicher Übereignung an das Berner Kunstmuseum zu gelangen. Die fraglichen Stücke beträfen Werke, die 1937 bei der sogenannten Aktion Entartete Kunst aus öffentlichen Sammlungen entfernt wurden und damit nicht eigentlich als Raubkunst zu bezeichnen seien. Gerade deshalb sei fraglich, ob ein Rückgabeanspruch bestehe.
Die unklare Erbschaftssituation und den weiteren möglichen Verfahrensgang vor dem Nachlassgericht beschreibt das Handelsblatt (Lucas Elmenhorst) im Kunstmarkt-Teil.
Selbstanzeigen: Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat ermittelt, dass im ersten Quartal dieses Jahres die Bundesländer 428 Millionen Euro aus Selbstanzeigen eingenommen haben, schreibt das Handelsblatt (Axel Schrinner). Dies sei ein Rekord. Pro Anzeige flössen gut 33.000 Euro.
Zeit.de (Lukas Koschnitzke) stellt einen vielbeschäftigten Steuerberater und dessen breit gefächerte Kundschaft vor.
Das Letzte zum Schluss
Sparsamkeit: Nicht erst seit der Finanzkrise ist Sparen bei öffentlichen Ausgaben gängiges Mantra verantwortungsvoller Haushaltpolitik. Am offensichtlich falschen Ende gespart hat jedoch ein Lehrer in Sachsen-Anhalt, der bei einem Händler 36 Unterrichtsfilme zur Ansicht bestellte, die Streifen für den Bestand der Kreismedienstelle kopierte und anschließend zurücksandte. Neben seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Urheberrechtsverletzungen muss nach einer Entscheidung des Landgerichts Magdeburg nun das Land einen Schadensersatz von knapp 8.000 Euro bezahlen. Über den Fall berichtet Rechtsanwalt Jens Pauleit (markentiger.com).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2014: Rundfunkbeitrag rechtens – Digitale Herausforderungen – Anwaltliche Zustellungen . In: Legal Tribune Online, 16.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11997/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag