Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2012: Schockierender Ehrenmord-Prozess – Erbärmliche Ermittlungsbehörden – Mladic vor Gericht

16.05.2012

Der Prozess um die Entführung und Ermordung der kurdischstämmigen Arzu Özmen füllt heute die Zeitungen. Angeklagt sind fünf ihrer Geschwister. Außerdem in der Presseschau: Cookies und E-Privacy, Blockupy-Demos vor Gericht, NSU-Ermittlungen in der Kritik, der Prozess gegen Mladic beginnt in Den Haag, und eine romantischer Verrat von Dienstgeheimnissen.

Ehrenmord: Die SZ (Annette Ramelsberger) widmet ihre Seite Drei heute dem Prozess um die entführte und getötete Arzu Özmen. Ihre ältere Schwester und vier ihrer Brüder stehen vor dem Detmolder Landgericht; ein Bruder habe bereits gestanden, die junge Frau erschossen zu haben. Hintergrund des Dramas in der als gut integriert geltenden kurdischstämmigen Familie sei die Beziehung der 18-Jährigen zu einem Bäckergesellen gewesen. Auch Die Welt (Torsten Thissen) berichtet.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Symbolisches Strafrecht: In einem Gastbeitrag für die "Staat und Recht"-Seite der FAZ beschäftigt sich der Kölner Strafrechtler Georg Steinberg mit symbolischem Strafrecht. Ausschließlich symbolische Strafgesetze, die Verhalten sanktionierten, das nicht "direkt sozialschädlich" ist, seien "unredlich, unberechenbar und schädlich".

Privatsphäre und Cookies: Mit der ins Stocken geratenen Umsetzung der E-Privacy-Richtlinie der EU beschäftigt sich auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ die Rechtsanwältin Sibylle Gierschmann. Problematisch sei die Anpassung der Rechtslage an das für das Speichern so genannter Cookies nun europarechtlich festgeschriebene Einwilligungserfordernis.

Landesverfassungsbeschwerde: Über die von der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg geplante Einführung einer Landesverfassungsbeschwerde zum landeseigenen Staatsgerichtshof berichtet heute ausführlich die Badische Zeitung (Christian Rath). Mit der Einführung solle erstmals eine Personalausstattung des bislang auf neun ehrenamtlichen Richtern fußenden Gerichts mit wissenschaftlichen Mitarbeitern einhergehen.

Weitere Themen – Justiz

Salafisten und Meinungsfreiheit: Mit den Plänen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU), die Meinungsfreiheit von Salafisten einzuschränken, beschäftigt sich der Oberregierungsrat Alfred Scheidler auf lto.de. Er hält ein solches Vorgehen dann für zulässig und "erfolgversprechend", wenn ein entsprechendes Gesetz "nicht allein auf den Inhalt der Meinungsäußerung abstellt, sondern primär auf die Art und Weise der Meinungsäußerung".

Blockupy: Über die Zulässigkeit der für die kommenden Tage in Frankfurt geplanten "Blockupy"-Proteste muss nun endgültig der hessische Verwaltungsgerichtshof entscheiden. Nachdem das Verwaltungsgericht Frankfurt bereits einzelne Verbote aufgehoben hatte, hat die Partei DIE LINKE Hessen nun Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof eingelegt, berichtet lto.de. Die Polizei fürchte gewaltbereite Aktivisten unter den Demonstranten.

NSU/Schäfer-Kommission: Als "katastrophal" und "erbärmlich" hat Gerhard Schäfer, ehemaliger Bundesrichter und Vorsitzender der vom thüringischen Innenminister eingesetzten Kommission, die Arbeitsweise der Landesbehörden im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" bezeichnet. Die FAZ (Claus Peter Müller) berichtet ausführlich.

Die nun erfolgte Erweiterung des Untersuchungsauftrags der Kommission auf den Verfassungsschutz befürwortet Reinhard Müller (FAZ). Wolf Schmidt (taz) deutet an, die fahrlässige Schlamperei einiger Beamter könnte sogar selbst ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein. Auch Christiane Kohl (SZ) sieht "Versäumnisse, die an Pflichtverletzungen grenzen".

Kontrollkriterium Hautfarbe: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz, das die Hautfarbe als zulässiges Kriterium bei der Auswahl zu kontrollierender Personen durch Beamte der Bundespolizei akzeptierte, wird zunächst nicht rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgerichts Koblenz hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).

Versicherte Organspende: Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die gesetzliche Unfallversicherung für im Zusammenhang mit einer Organspende entstandene Schäden aufkommen muss, die über das hinausgehen, was unvermeidbar mit der Operation verbunden ist. Geklagt hatte ein Organspender, der wegen eines Kunstfehlers eine Nervenverletzung davongetragen hatte, berichtet knapp die SZ.

Mieterrechte: Vermieter dürfen Betriebskostenvorauszahlungen nur dann erhöhen, wenn die zugrundeliegende Betriebskostenabrechnung keine inhaltlichen Fehler aufweist. Das habe der Bundesgerichtshof entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung revidiert, berichten FAZ (Caroline Freisfeld) und spiegel.de.

Whistleblowing nach Kündigung: Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein kann "pflichtwidriges Whistleblowing" zur gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen. Wie der Rechtsanwalt Tobias Neufeld auf dem Handelsblatt-Rechtsboard berichtet, hatte ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber wegen Kurzarbeitsmissbrauchs angezeigt – als Revanche für eine Kündigung, gegen die er sich dann per Kündigungsschutzklage zunächst erfolgreich wehrte.

BayernLB-Pensionen: Einen Streit um die Umstellung ihrer Pensionsregelung hat die BayernLB vor dem Bundesarbeitsgericht gegen einige ihrer Angestellten verloren, berichtet Die Welt. Die Angestellten hätten sich erfolgreich auf eine verbindliche betriebliche Übung berufen.

Rechtsanwalts-Schlichtungsstelle: Die Schlichtungsstelle der Bundesrechtsanwaltskammer wird personell verstärkt. Über den Beschluss der Hauptversammlung der Kammern und die Tätigkeit der Stelle informiert die FAZ (Corinna Budras) auf ihrer "Recht und Steuern"-Seite.

Ex-Stasi-Trainer: Die Bundeswehr muss einen ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit als Eiskunstlauftrainer von Sportsoldaten dulden. Die Bundeswehr hatte den Vertrag einer Sportsoldatin nicht verlängert, die ihn als Trainer behalten wollte. Dies war nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ein rechtswidriger Eingriff in seine Tätigkeit als Trainer, berichtet der Blog De lege lata (Simon Lackerbauer).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Mladic-Prozess: Über den heute beginnenden Hauptprozesses gegen den ehemaligen bosnisch-serbischen General Ratko Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag berichtet heute die SZ (Ronen Steinke). In den organisatorischen Voranhörungen sei deutlich geworden, dass der Angeklagte den Prozess verzögern will, denn das Mandat des Gerichtshofs laufe zum 1. Juli 2013 aus, und damit versiegten auch die finanziellen Mittel der Anklage. Auch die taz (Erich Rathfelder) berichtet.

Mit der nur langsam beginnenden Aufarbeitung der Kriegsverbrechen auf dem Balkan selbst beschäftigt sich ein weiterer Artikel in der SZ (Enver Robelli).

Unschuldig hingerichtet: Eine Forschungsgruppe der Columbia University in New York hat einem Bericht der FTD (Stefan Schaaf) zufolge erstmals nachgewiesen, dass ein Unschuldiger hingerichtet wurde. Es geht um den 1989 in Texas hingerichteten Carlos DeLuna, der für einen Mord hingerichtet wurde, der später von einem anderen gestanden wurde. Auch spiegel.de berichtet.

Sonstiges

Öffentlich vs. privat: Über einen Vortrag des früheren Bundesverfassungsrichters Dieter Grimm am Wissenschaftskolleg zu Berlin zur Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht berichtet die FAZ (Katja Gelinsky) auf ihrer "Forschung und Lehre"-Seite.

Das Letzte zum Schluss

Romantisches Cybercrime: Einen schon fast prosaisch anmutenden Prozessbericht rund um Dienstgeheimnisse, Häuserräumungen, Actionhelden, Identitätsdiebstahl, die Band Placebo und nicht zuletzt Romantik liefert heute das FAZ-Feuilleton (Klaus Ungerer). Der fast schon schnöde Hintergrund: Die E-Mail eines Polizeibeamten an ein besetztes Haus in Berlin, mit der er vor der bevorstehenden Räumung warnte.

 Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2012: Schockierender Ehrenmord-Prozess – Erbärmliche Ermittlungsbehörden – Mladic vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 16.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6212/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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