Das schleswig-holsteinische Landesverfassungsgericht beanstandete den Haushalt 2024. Bibliotheken dürfen laut VG Münster auf umstrittene Inhalte hinweisen. Die Referendariatskommission legte eine Umfrage zum Druck im Referendariat vor.
Thema des Tages
LVerfG SH zu SH-Haushalt 2024: Der von der schwarz-grünen Koalition Schleswig-Holsteins verabschiedete Haushalt für das vergangene Jahr verstieß gegen die Landesverfassung. Dies entschied das Landesverfassungsgericht in Schleswig nach einer Normenkontrollklage der Oppositionsparteien SPD und FDP. Der Haushaltsgesetzgeber hatte die Schuldenbremse des Landes mit Blick auf drei Notlagen - die Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie - ausgesetzt und Kredite aufgenommen. Das Gericht kritisierte nun, dass der Landtag dabei nicht hinreichend darlegte, welchen konkreten Mehrbedarf die Notlagen jeweils erzeugten. Aus den Begründungen des Notlagenbeschlusses und des Haushaltsgesetzes habe sich auch kein Gesamtbild einer "erheblichen" Belastung des Landeshaushalts ergeben. Zudem hätte der Landtag die Geeignetheit der kreditfinanzierten Maßnahmen zur Überwindung und Vorbeugung der Notlagen besser erläutern müssen, insbesondere bei mehrjährigen Notlagen. Das Haushaltsgesetz verletzte auch die Budgethoheit des Parlaments, weil das Finanzministerium ermächtigt wurde, Haushaltstitel zu den aufgrund der Krisen erforderlichen Maßnahmen einzurichten, umzusetzen und zu ändern. Es berichten FAZ (Julian Staib), beck-aktuell und LTO.
Rechtspolitik
Mietrecht: Rechtsanwalt Michael Selk äußert auf beck-aktuell den Verdacht, dass der zwischen Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag in mietrechtlichen Fragen keine wirkliche Einigung beinhaltet. Über die Verständigung zu einer Verlängerung der Mietpreisbremse hinaus hätten sich die designierten Regierungsparteien in vielen anderen Fragen lediglich darauf geeinigt, Expertengruppen einzuberufen, die Ergebnisse "vorbereiten" sollen. Konkret sei immerhin vereinbart worden, die sogenannte Schonfristregelung auch auf ordentliche Kündigungen wegen Zahlungsverzug auszudehnen.
Bundestag/AfD: Die FAZ (Marlene Grunert/Tobias Schrörs) schreibt über die Diskussion über den angemessenen Umgang mit der AfD innerhalb der Unionsfraktion im Bundestag. So habe sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) dagegen ausgesprochen, der AfD Ausschussvorsitze zu verweigern. Stattdessen solle die Bundestags-Geschäftsordnung um ein Verfahren für die Abwahl von Ausschussvorsitzenden ergänzt werden, wenn die Gewählten "sich nicht korrekt verhalten".
Bundestagswahlrecht: Die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner spricht sich im Hbl (Daniel Delhaes) für eine zeitnahe Reform des Bundestagswahlrechts aus. Es sei wichtig, das "Wahlkreisgewinner" tatsächlich in das Parlament einziehen und die Gesamtzahl der Sitze "dennoch nicht stark ansteigt", so Klöckner.
Sicherheitsmaßnahmen im Gericht: Rechtsanwalt Jannik Rienhoff fordert im FAZ-Einspruch eine gesetzliche Grundlage für gerichtliche Sicherheitsmaßnahmen. Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem französischen Fall entschieden, dass die Abtrennung eines Angeklagten hinter einer Glaswand grundsätzlich gerechtfertigt sein kann. Glaskästen wie im Fall Daniela Klette seien aber mit Sicherheitsbedenken kaum zu rechtfertigen.
Justiz
VG Münster zu Warnhinweis einer Bibliothek: Der in einem Buch durch eine Bibliothek angebrachte Einordnungshinweis, dies sei ein "Buch mit umstrittenem Inhalt", verletzt dessen Autor nicht in seinen Grundrechten. Dies entschied laut LTO das Verwaltungsgericht Münster. Bibliotheken unterlägen keiner Neutralitätspflicht wie Hoheitsträger bei ihrem Äußerungen über politische Parteien. Vielmehr hätten Bibliotheken einen Bildungsauftrag, der die Empfehlung von Büchern ebenso decke wie Warnungen. Wer historische Fakten wie die Mondlandung leugne, müsse sachliche Kritik aushalten. Konkret ging es um das Werk "2024 – das andere Jahrbuch: verheimlicht, vertuscht, vergessen" des Publizisten Gerhard Wisnewski.
BGH zu Firmenbestattung: Ende Februar verwies der Bundesgerichtshof ein Strafverfahren an das Landgericht Leipzig zurück. Das LG hatte einen sogenannten Firmenbestatter lediglich als Gehilfen seines Strohmanns verurteilt und dabei laut BGH Täterschaftskriterien ungenügend ermittelt. Ob der Angeklagte Täter oder Gehilfe eines Bankrotts gewesen ist, müsse aus einer Gesamtschau der Umstände geschlossen werden. beck-aktuell berichtet.
LAG Köln zu karnevalsbedingter Kündigung: Am Landesarbeitsgericht Köln hatte ein Karnevalist mit einer Kündigungsschutzklage Erfolg. Die Kündigungen waren erfolgt, nachdem der Arbeitgeber mitbekommen hatte, dass der Kläger während einer Krankschreibung an Karnevalsveranstaltungen teilgenommen hatte. Weil diese aber in einem Fall an einem Abend am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit stattfanden und die Veranstaltung in einem anderen Fall nach unwiderlegter Einlassung des Mannes lediglich organisatorischen Fragen diente, hätte es dem Arbeitgeber oblegen, eine Simulation des Beschäftigten darzulegen und zu beweisen. Über das bereits im Januar verkündete Urteil berichtet beck-aktuell.
LG Verden – Daniela Klette: Im Strafverfahren gegen Daniela Klette vernahm das Landgericht Verden den Fahrer eines Geldtransporters, den die Angeklagte mit ihren Komplizen 2015 überfallen haben soll. Der immer noch unter dem Überfall leidende Zeuge beschrieb, wie eine vermummte Person mit einem Sturmgewehr auf das von ihm gesteuerte Fahrzeug schoss. spiegel.de (Jonas Niesmann) berichtet.
LG Stuttgart zu Corona-Betriebsschließungen: Die Handelsunternehmen Tedi und Woolworth wurden am Landgericht Stuttgart mit ihren Schadensersatzforderungen von insgesamt 32 Millionen Euro wegen coronabedingter Schließungsanordnungen abgewiesen. Die Unternehmen hatten u.a. eine Benachteilgung gegenüber Anbietern von Lebensmitteln moniert, die das Gleiheitsgebot verletzte. Deren Privilegierung sei jedoch durch gewichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, so das LG. Es berichten bild.de (Diana Kassal) und beck-aktuell.
LG München I zu Messerangriff auf vermeintliche Muslime: In einem Sicherungsverfahren hat das Landgericht München I gegenüber einem 42-jährigen Deutschen die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet. Der Angeklagte hatte im vergangenen Juni zwei von ihm für Muslime gehaltene Passanten mit einem Messer angegriffen. Dies wertete das Gericht als gefährliche Körperverletzung. Aufgrund einer psychotischen Realitätsverkennung habe er jedoch nicht schuldhaft gehandelt. In der mündlichen Urteilsbegründung appellierte das Gericht an die Therapiebereitschaft des Angeklagten. Die FAZ (Karin Truscheit) berichtet.
LG Frankfurt/M. - "Sommermärchen" und Steuerhinterziehung: In einem Kommentar stellt Johannes Aumüller (SZ) die Möglichkeit in den Raum, dass das "Sommermärchen"-Steuerstrafverfahren am Landgericht Frankfurt/M. ohne Angeklagte, aber mit einem "saftigen Bußgeld" für den DFB enden wird. Das Verhalten des Verbands, der Personen ehrt, die wesentlich an den dubiosen Zahlungen beteiligt waren, andere Beteiligte aber - so den früheren Präsidenten Theo Zwanziger – mit finanziellen Forderungen verfolgt, rechtfertige ein solches Ergebnis "nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch."
LG Berlin II zu Nius-Bericht über Asylanwältin: Über die Entscheidung des Landgerichts Berlin II, nach der die Berichterstattung des Online-Portals Nius über eine Dresdner Rechtsanwältin nicht zu beanstanden ist, schreibt nun auch LTO. Die unterlegene Anwältin war u.a. auch deshalb mit ihrem Antrag gescheitert, weil sie ihre Arbeit bei Instagram präsentiert. Sie müsse es sich daher gefallen lassen, "dass andere zu einer von ihrer Selbstdarstellung abweichenden Bewertung ihrer anwaltlichen Tätigkeit gelangen", so das LG.
AG Frankfurt/M. zu Scholz-Umarmung: Wegen Gefährdung des Straßenverkehrs und Hausfriedensbruch verurteilte das Amtsgericht Frankfurt/M. einen 50-Jährigen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen. Der Angeklagte war im Mai 2023 – anscheinend unter Drogen stehend – in einen geschützten Bereich des Frankfurter Flughafens gelangt und hatte dort Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) umarmt. In der Verhandlung war er geständig und reumütig, berichten bild.de (Claudia Detsch) und beck-aktuell.
Urteile zum Ehrschutz von Politiker:innen: In einem Gastbeitrag für die Welt kritisieren die Rechtsprofessorinnen Frauke Rostalski und Elisa Hoven eine zunehmend strenge Rechtsprechung zum Ehrschutz von Politiker:innen. Zwar dürften die von digitaler Hetze und Fakes ausgehenden Gefahren nicht unterschätzt werden und bedürfe es auch einer Kennzeichnungspflicht bei Bildveränderungen oder KI-Einsatz. Lägen die Dinge jedoch so klar, wie im "Fall Faeser", der in der vergangenen Woche zu einer Bewährungsstrafe eines Journalisten geführt hatte, "kann man auch auf den Verstand der Bürger vertrauen." Der Chefredakteur des Deutschlandkuriers wurde gem. § 188 StGB verurteilt, weil er eine Fotomontage verbreitet hatte, auf der Faeser ein Schild in die Kamera hielt, auf dem stand "Ich hasse die Meinungsfreiheit".
Nachlassgerichte: beck-aktuell schreibt über eine vom Deutschen Anwaltverein bei seinen Mitgliedern durchgeführte Umfrage zur Verfahrensdauer bei Nachlassgerichten. Diese haben nach dem Eindruck der meisten Befragten deutlich zugenommen, selbst in unstreitigen Konstellationen dauerten einfache Verfahrenshandlungen oft Monate. Erforderlich wäre eine umfassende Digitalisierung der Justiz.
Recht in der Welt
USA – Kartellverfahren gegen Meta: Über das in den USA begonnene Verfahren gegen den Meta-Konzern berichten nun auch LTO und zeit.de (Pauline Schinkels). Während die Federal Trade Commission behauptet, dass Meta mit dem Kauf von WhatsApp und Instagram widerrechtlich eine Monopolstellung gefestigt und hierbei unfaire Wettbewerbspraktiken eingesetzt habe, verweise das Unternehmen auf seinen harten Wettbewerb etwa mit TikTok. Zum Prozessauftakt verfügte der zuständige Richter, dass zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen einige der geladenen Zeugen ohne Öffentlichkeit vernommen werden.
Simon Hurtz (SZ) warnt in einem Kommentar vor zu hohen Erwartungen. Zwar wäre es richtig gewesen, die Transaktionen vor mehr als einem Jahrzehnt zu untersagen. "Um das Netz unter demokratische Kontrolle zu bringen", bräuchte es nun jedoch anderer Mittel, etwa der konsequenten Anwendung europäischer Digitalgesetze.
USA – AP: Nach dem letztwöchigen Richterspruch über den gleichberechtigten Zugang der US-Nachrichtenagentur Associated Press zu öffentlich zugänglichen Veranstaltungen des Präsidenten sind Mitglieder der Agentur erneut nicht zu einer Pressekonferenz zugelassen worden. LTO schreibt, dass die Regierung gegen die Entscheidung Berufung eingelegt habe.
USA – Rechtsstaat: Fabian Fellmann (SZ) schreibt im Leitartikel, dass eine Verfassungskrise in den USA "keine theoretische Frage mehr" ist. Der Umgang der aktuellen Regierung mit unliebsamen Gerichtsentscheidungen, die Verächtlichmachung der Justiz im Ganzen und der Druck, dem Anwaltsfirmen ausgesetzt werden, folge einer Methode, deren Ziel die Aufhebung der Gewaltenteilung sei.
Juristische Ausbildung
Psychischer Druck im Referendariat: Die Referendariatskommission hat Ergebnisse einer nicht-repräsentative Online-Umfrage veröffentlicht. Über 90 Prozent der knapp 700 Teilnehmenden berichten, unter psychischem Druck zu leiden. Etwa 40 Prozent haben Schlafstörungen, rund ein Viertel überlegt, das Referendariat abzubrechen. Allerdings seien nur einer geringen Minderheit entsprechende Hilfsangebote bekannt. Über die Umfrage berichtet LTO-Karriere (Tamara Wendrich).
Berufswünsche: zeit.de (Benjamin Emonts) berichtet über eine Umfrage des Soldan-Instituts. Danach streben nur noch 60 Prozent der Studierenden eine Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei an. Eine Zukunft in der Justiz oder als Syndikusanwält:in werde immer attraktiver. Zudem setzen sich neben dem Jurastudium immer mehr Juraabschlüsse wie der Bachelor einer Fachhochschule durch.
Sonstiges
Anwaltliche Führungskompetenzen: Im Interview mit beck-aktuell (Manuel Leidinger) spricht die Rechtsanwältin Franziska Haberl über die Notwendigkeit von Führungskompetenzen auch in der anwaltlichen Tätigkeit und plädiert für die Aufnahme von Soft Skills in den Ausbildungskanon.
Legal Rankings: Rechtsanwältin Barbara Helten schreibt im Anwaltsblatt über Probleme bei Kanzlei-Rankings und entsprechenden Awards. So habe schon die Methodik der Untersuchungen Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit. Daneben erfordere die Bearbeitung derartiger Fragebögen eine enorme Mehrbelastung.
Das Letzte zum Schluss
Parfüm: Der schier endlosen Reihe nachbarschaftlicher Auseinandersetzungen hat ein 59-jähriger Bayer ein neues Kapitel hinzugefügt. Weil er sich an dem Parfümduft seiner Nachbarn störte, verbrannte er nach Meldung der FAZ mal eben Kassenzettel am offenen Fenster seiner Wohnung. Weil er hierbei Brennspiritus benutzte und es immer wieder zu Stichflammen gekommen sein soll, quittierte die Polizei diese außergewöhnliche Art der Selbsthilfe mit einer Anzeige.
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LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 16. April 2025: . In: Legal Tribune Online, 16.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57013 (abgerufen am: 29.04.2025 )
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