Das Bundesamt für Verfassungsschutz findet, die Landes-Ämter sind zu sorglos bei der Wahl der V-Leute und fürchtet, die Politik beendet die ganze Sache, wenn das nicht besser wird. Außerdem in der Presseschau: Neues Personenstandsrecht für Totgeburten, WLAN-Haftung, "Silberpfeile auf Ecclestone" und warum man ohne Angst vorm Idiotentest nicht mehr bei Facebook pöbeln kann.
Optimale V-Leute: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) möchte den "beklagenswerten" Zustand im Umgang mit V-Leuten in den Landesämtern beheben und ihnen gern ihre eigenen Regeln dazu verordnen, weiß Susanne Höll (Montags-SZ). Beim BfV gelte etwa, die "optimale" V-Person sei eine "gereifte Persönlichkeit", die gut damit leben müsse, "eigentlich ein Verräter" zu sein, dürfe es nicht nur um des Geldes willen machen, habe am besten keinen "eifersüchtigen Partner" und wohne nicht mehr bei den Eltern. Gewalttätige wolle man auch nicht dabei haben. Im Einzelfall könne von den zahlreichen Vorgaben natürlich abgewichen werden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Beschneidung bei Knaben: Zur Frage "Ist das neue Beschneidungsgesetz gut?" positionieren sich zwei ihrer Korrespondenten, Christian Rath (pro) und Matthias Lohre (contra), in der Samstags-taz.
Neues Personenstandsrecht: Ende Oktober werde in zweiter und dritter Lesung im Bundestag ein neues Personenstandsrecht für Totgeburten mit einem Gewicht von unter 500 Gramm diskutiert. Danach solle es für die totgeborenen Kinder ein "Recht auf Eintragung beim Standesamt und auf eine Bestattung" geben. Der Spiegel (Conny Neumann) berichtet über den Fall der Eheleute Martins, die eine diesbezügliche Petition im Bundestag eingereicht hätten, für die sie 40.000 Unterschriften sammelten.
Rehabilitierung männlicher Homosexueller: Der Bundesrat fordert mit einem Antrag vom Freitag Vorschläge der Bundesregierung zur Rehabilitierung von nach 1945 strafrechtlich verfolgten homosexuellen Männern, berichtet die Samstags-SZ (Susanne Höll). Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, strebe nicht nur eine "individuelle Entschädigung" der Verurteilten an, sondern auch die Aufhebung der mehr als 50.000 Urteile, die sich auf den "berüchtigten Paragraphen 175", stützten. Letzterem stünden Union, FDP und SPD mit Blick auf die Gewaltenteilung kritisch gegenüber.
Die Samstags-taz (Christian Rath) berichtet ebenfalls und erläutert die Bedenken von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Der Eindruck, die Justiz habe damals "etwas falsch" gemacht, dürfe nicht entstehen.
In derselben Ausgabe spricht die taz (Christian Rath) mit dem ehemaligen Bundesanwalt Manfred Bruns über die mögliche Rehabilitierung und sein eigenes Coming-out gegenüber dem ehemaligen Generalbundesanwalt Kurt Rebmann.
WLAN-Haftung: "Wann haftet ein Betreiber von offenen WLAN-Netzwerken - beispielsweise Internet-Cafés (…) - bei Missbrauch durch Nutzer?" Diese Problematik hat der Bundesrat am Freitag dem Bundestag zur Klärung angetragen, so Rechtsanwalt Axel Spies auf blog.beck.de. lto.de informiert ebenfalls: Das Haftungsrisiko für WLAN-Bertreiber solle beschränkt werden, zu treffende Vorkehrungen müssten klar definiert werden.
Eilige Asylverfahren: Den Vorschlag des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), Asylverfahren von Serben und Mazedoniern künftig beschleunigt –innerhalb von 48 Stunden- zu bearbeiten, kommentiert Rechtsanwalt Wolfram Steckbeck kritisch für lto.de. Er widerspricht dabei der Behauptung, die BVerfG-Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz sei ursächlich für einen Anstieg der Bewerberzahlen.
Mit der Samstags-Bild (Jan W. Schäfer/Franz Solms-Laubach) spricht Bundesinnenminister Friedrich (CSU) über "Asylmissbrauch, die Visumspflicht und Bargeld für Flüchtlinge".
Justizwelt papierlos: Nach dem Bundesratsbeschluss über einen Gesetzesantrag zur Einrichtung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz erläutert der Rechtsanwalt Hans-Uwe Pasker für lto.de, was die "Herkulesaufgabe für die Praxis" bedeute und wo die größten Schwierigkeiten zu erwarten seien. Damit Rechtsanwälte künftig nur noch elektronisch mit Gerichten verkehrten, müsse etwa eine komplementäre Struktur elektronischer Kommunikation innerhalb der Gerichte geschaffen werden. Zum Schluss wirft Pasker die Frage nach der Vereinbarkeit der "verpflichtenden Bearbeitung einer Akte in elektronischer Form mit der richterlichen Unabhängigkeit" auf.
Weitere Themen – Justiz
Ländersache Strafvollzug: Mit der undurchsichtigen Lage des Strafvollzuges seit dem Übergang der Kompetenz vom Bund auf die Länder im Jahr 2006 befasst sich mit Blick auf die Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen zu Gewalterfahrungen unter Inhaftierten die Samstags-FAZ (Andreas Groth).
LG Köln zu Störerhaftung bei Filesharing: Das Landgericht Köln habe im September entschieden, ein Internetanschluss-Inhaber hafte nicht als Täter oder Störer für Filesharing, wenn er darlegt, dass andere Familienmitglieder den Anschluss nutzen. Dies meldet Thomas Stadler (internet-law.de) und weist auf eine am Bundesgerichtshof anstehende Verhandlung zur Störerhaftung von Anschlussinhabern am 15. November hin.
LG Stuttgart - De Beira-Kursmanipulationen: Das Landgericht Stuttgart hat im Prozess um Kursmanipulationen der Aktie des US-Rohstoffunternehmens De Beira am Freitag entschieden und den Angeklagten Aly M. zu einer Haftstrafe, die beiden Mitangeklagten zu Bewährungsstrafen und Bußgeldern verurteilt, weiß die FTD (Frauke Ladleif). Die Verurteilten wollen laut FTD weiter vor den Bundesgerichtshof in die Revision ziehen. Separat schildert die FTD (Renate Daum/Frauke Ladleif) den zugrunde liegenden Sachverhalt im Einzelnen und erklärt, Kursmanipulationen in Form des so genannten "Scalping", wenn also wie im konkreten Fall "Börsentippgeber vor Empfehlungen eigene Investments verschweigen", seien noch immer schwer nachzuweisen.
Salafist vor Gericht: Über die Verhandlung vor dem Landgericht Bonn um den Salafisten Murat K., der bei einer Demonstration in Bonn, bei welcher Salafisten auf die "rechte Splitterpartei" "Pro NRW" trafen, zwei Polizisten mit einem Messer schwer verletzt habe, berichtet die FAS (Lydia Rosenfelder) ausführlich und porträtiert dabei den Angeklagten 26-Jährigen.
Kirch-Erben gg. Deutsche Bank: Vom Schadenersatzprozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank vor dem Oberlandesgericht München berichtet die Samstags-FAZ (Henning Peitsmeier). Das strittige Interview des ehemaligen Deutsche Bank- Vorstandssprechers Rolf Breuer im Jahr 2002 zu Kirchs Kredit(un)würdigkeit habe u.a. den Verkauf von Pro Sieben Sat1 an den Disney-Konzern verhindert, so die Kläger. Laut FAZ werde der Vorsitzende Richter Guido Kotschy die Bank "wohl verurteilen".
Die Samstags-SZ (K. Ott/H.-J. Jakobs/dpa) informiert ebenfalls über den Stand und die Hintergründe.
"Grenzkontrollen im Innern": In einem Beitrag zum so genannten "Racial Profiling" – bei dem die Polizei sich bei der Prüfung von Grenz- und Aufenthaltsrechtsverstößen vom "äußeren Erscheinungsbild" einer Person leiten lässt - weist die Montags-taz (Darius Ossami) auf ein für Ende Oktober anstehendes Revisionsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz hin: Das Verwaltungsgericht Koblenz habe im Februar das beschriebene polizeiliche Vorgehen für "statthaft" erklärt.
Pudding-Streit vorbei: Auf fr-online.de ist die Meldung zu finden, Dr. Oetker habe im "Pudding-Streit" um Geschmacksmuster nun aufgegeben. Mitte des Jahres hätten sowohl das Landes- als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Anträge von Dr. Oetker zurückgewiesen: Der von Aldi-Süd verkaufte Pudding "Flecki" sei zwar der Oetker-"Paula" "nachgeahmt", aber mit dem "nötigen Abstand". Prüfen wolle Dr. Oetker jedoch, ob gegen ihre "Patente zur Herstellung der markanten Flecken" im Pudding verstoßen wurde.
"Silberpfeile auf Ecclestone": Klagt die Münchener Staatsanwaltschaft Bernie Ecclestone wegen Bestechung an, wie es die Samstags-SZ (Klaus Ott) erwartet, wolle Daimler für ein vorzeitiges Ausscheiden des Formel-1-Chefs sorgen. "Spätestens" aber mit einer Verurteilung wegen möglicher Schmiergeldzahlungen an Ex-BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky wäre Ecclestone "weg aus dem Rennsport"; dafür habe Daimler in neuen Vereinbarungen mit der Formel-1, welche diesbezügliche Compliance-Regeln enthielten, vorgesorgt.
Streit um Kachelmann-Buch: Entscheidend im Streit zwischen Jörg Kachelmann und seiner Ex-Freundin um deren vollständige Namensnennung im Kachelmann-Buch sei, mit Blick auf die Lebach- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ob Kachelmann "der Öffentlichkeit seine Sicht der Dinge, ein Jahr nachdem sein Freispruch rechtskräftig geworden ist, auch ohne namentliche Nennung von Frau D. schildern" könne; das könne er wohl, meint Rechtsanwalt Markus Ruttig auf lto.de und erläutert dies näher.
Mit der FAS (Katrin Hummel/David Klaubert) spricht das Ehepaar Kachelmann u.a. über das "Massenphänomen Falschbeschuldigungen" bei Vergewaltigungen, die Unschuldsvermutung in der Untersuchungshaft, ihre Hochzeit und was es heißt, eine "Gemahlinnenzeugin" zu sein.
Jost Müller-Neuhof (Sonntags-tagesspiegel) kommentiert den Streit um die Namensnennung scharf: "Wer seine Rechte nutzt, um sie anderen um die Ohren zu hauen, hat sie nicht verdient".
Neues zu Ensslin-Tod?: Laut welt.de wollen Helge Lehmann, Autor des Buches "Die Todesnacht in Stammheim" und Gottfried Ensslin, der Bruder von Gudrun Ensslin, diese Woche die "Neuaufnahme des Todesermittlungsverfahrens" bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft beantragen; neue Fakten könnten die Selbstmordversion "stark erschüttern", so Lehmanns Pressesprecher laut welt.de.
EU-Kommission gegen Breyer: Die EU-Kommission hat Patrick Breyer (Piratenpartei) vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aufgefordert, die Schrift zu seiner Klage beim Europäischen Gerichtshof sowie die Klagebeantwortung der Kommission "umgehend" von seiner Webseite zu entfernen, berichtet netzpolitik.org (Andre Meister). Geklagt habe Breyer, nachdem Österreich und die EU-Kommission ihm den Einblick in die Schriftsätze zur Klage der Kommission gegen den Staat wegen der Nichtumsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie verweigert hätten.
Papier-Interview: Mit der Samstags-Welt (Jochen Gaugele) spricht der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, über die Meinungsfreiheit im Angesicht von Mohammed-Karikaturen und Pussy Riot, die Rolle des Bundesverfassungsgerichts in der "Euro-Krise" und die "Vereinigten Staaten von Europa".
Weitere Themen – Recht im Ausland
Brüssel – Anklage gegen Microsoft: Wie der Spiegel knapp meldet, wird die EU-Kommission Microsoft noch in diesem Monat erneut anklagen. Microsoft habe beim Verkauf seines Betriebssystems auflagenwidrig keine fremden Internetbrowser angeboten.
Türkei – Freispruch nach Mord: Ein türkisches Gericht hat eine Frau freigesprochen, die ihren mehrfachen Vergewaltiger bei einem Treffen von hinten mit einem Messer erstach, berichtet die Samstags-taz (Jürgen Gottschlich); das Gericht begründete die Entscheidung mit einer Notwehrlage der Angeklagten.
USA – Erfolglose Klage gegen Datenschutzverletzungen: Der "Telekommunikationsriese" AT&T habe in staatlichem Auftrag "Kunden ausgehorcht und (…) Internetverkehr mitgeschnitten"; mit ihrer Klage gegen AT&T sei die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation nun jedoch gescheitert, so spiegel.de (Richard Meusers): Der Supreme Court habe die gesetzlich garantierte Immunität des Konzerns bestätigt.
USA – Verfahren gg. Google: Wie das Handelsblatt (Axel Postinett) informiert, plant die US-amerikanische Kartellbehörde FTC ein Verfahren gegen Google. Der Konzern habe bei Suchergebnissen wohlmöglich zugunsten eigener Angebote die Konkurrenz benachteiligt.
Sonstiges
Neues Buch von Cornelia Vismann: Ausführlich und enthusiastisch bespricht Miloš Vec für die Montags-FAZ die "Ausgewählten Schriften" von Cornelia Vismann, der vor zwei Jahren verstorbenen Juristin und Kulturwissenschaftlerin. Eingestreut zwischen den Aufsätzen, welche etwa die "Verwechslung von Material und Hermeneutik des Gesetzes" illustrierten und Vismanns "Sinn für hintergründige Pointen" wiederspiegelten, fänden sich auch "bislang unveröffentlichte Notizen".
Hohmann-Dennhardt im Portrait: Mit der Rolle der ehemaligen hessischen Ministerin (SPD), Verfassungsrichterin a.D. und Mutter zweier Kinder, Christine Hohmann-Dennhardt, die seit 2011 als Daimler-Vorstandsmitglied für Compliance zuständig ist, befasst sich die FAS (Melanie Amann).
Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Die Samstags-FAZ (Corinna Budras) portraitiert Mechthild Dyckmans (FDP), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, und zeichnet dabei den beruflichen sowie privaten Werdegang der ehemaligen Richterin und ihren Sprung in die Bundespolitik, zunächst als rechtspolitische Sprecherin der FDP, nach: "professionell, elegant und hartnäckig".
Kriminalistik – Blutspritzer am Tatort: Mit der Forensikerin Silke Brodbeck vom Institut für Blutspurenmusteranalysen im Taunus, die auf "Anfrage von Kriminalbeamten und Staatsanwaltschaften" Tatorte untersucht, spricht spiegel.de (Frank Thadeusz) über die Entwicklung ihres Fachgebiets, die US-Serie "Dexter" und schlecht ausgebildete Kollegen.
Das Letzte zum Schluss
MPU nach Facebook-Pöbelei?: "Die spinnen doch ey … Ich würde die am liebsten mit Eiern beschmeißen …" – so habe sich eine Frau aus dem Landkreis Peine auf Facebook über die dortige Blitzer- Praxis ausgelassen; dies führte, so Rechtsanwalt Carsten Gulden (infodocc.info), zu einer schriftlichen amtlichen Androhung eines so genannten "Idiotentests" und Führerscheinentzugs.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. Oktober 2012: Bessere V-Leute – Eiligere Asylverfahren – Papierlose Justiz . In: Legal Tribune Online, 15.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7307/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag