Die juristische Presseschau vom 15. April 2016: Kein Kopf­tuch in Berlin / Freies WLAN für Alle? / beA im Sep­tember

15.04.2016

ArbG Berlin hält Neutralitätsgesetz nicht für verfassungswidrig. Außerdem in der Presseschau: Unionsrechtswidrige Beschränkungen freien WLANs, gestopftes Schlupfloch für Erbschaftsteuer und elektronisches Anwaltspostfach kommt im September.

Thema des Tages

ArbG Berlin zu Kopftuch: Weil sie Kopftuch trägt, wurde eine Frau nicht als Grundschullehrerin eingestellt und klagte vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Das Gericht wies die Klage ab, da die Nichteinstellung durch das Berliner Neutralitätsgesetz gedeckt gewesen sei. Das Gesetz sei nicht verfassungswidrig, trotz des letzten Kopftuchbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht bezog sich auf die Gesetzesbegründung, die von einem besonders hohen Konfliktpotential in Berlin aufgrund der Bevölkerungsstruktur ausgeht. Außerdem behandle das Berliner Gesetz alle Religionen gleich. Die Berufung ist noch möglich, berichte TSp (Jost Müller-Neuhof), FAZ (Helene Bubrowski), SZ (Wolfgang Janisch), lto.de, taz (Susanne Memarnia) und Welt (Sabine Menkens).

Heide Oestreich (taz) fragt, ob es denn religiöse Konflikte lösen könne, wenn man bestimmte Menschen aus der Schule verbanne, denn das Neutralitätsgesetz betreffe faktisch nur muslimische Frauen. Jost Müller-Neuhof (TSp) plädiert für Auseinandersetzung statt Ausschluss im Umgang mit religiösen Konflikten und fordert den vor allem von der Politik.

Rechtspolitik

WLAN-Betreiberhaftung: Nachdem der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof gesetzliche Verpflichtungen zur Beschränkung von WLAN-Zugängen durch die Betreiber als unionsrechtswidrig kritisiert hat, vertreten laut SZ (Guido Bohsem) nun auch Fachleuten aus Justiz-, Wirtschafts- und Innenministerium diese Ansicht. Auch Vorschaltseiten, wie sie der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, sind danach unzulässig.

DatenschutzgrundVO: Das EU-Parlament hat die Datenschutzsgrundverordnung zur Vereinheitlichung des europäischen Datenschutzes angenommen. Einen Überblick zu den Regelungen geben die Rechtsanwälte Tim Wybitul und Wolf-Tassilo Böhm auf lto.de, Welt (Christoph B. Schiltz) und netzpolitik.org (Simon Rebinger). Internetkonzerne dürfen danach etwa Daten nicht mehr ungefragt für andere Zwecke als die ihrer Erhebung verwenden, das Recht auf Vergessenwerden ist in Form eines Löschanspruchs aufgenommen und das Vorgehen gegen Datenschutzverstöße wird erleichtert.

Svenja Bergt (taz) sieht darin einen Schritt in Richtung eines Datenschutzes, der nicht nur als Bremse betrachtet wird.

Fluggastdaten: Das EU-Parlament hat der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten zugestimmt, berichten taz (Christian Rath), netzpolitik.org (Markus Reuter) und SZ (Daniel Brössler). Fluggastdaten werden für fünf Jahre zentral beim Staat gespeichert, um zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer grenzüberschreitender Kriminalität eingesetzt zu werden. Flugwege von Straftätern sollen nachverfolgt werden und Personen, die sich ähnlich verhalten, markiert der Computer zur näheren Überprüfung.

RL-Geschäftsgeheimnisse: Das EU-Parlament hat der umstrittenen Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen zugestimmt, melden netzpolitik.org (Markus Reuter) und taz (Eric Bonse). Rechtsanwalt David Ziegelmayer begründet auf lto.de, warum er die Kritik von Journalisten und Wistleblowern für übertrieben hält.

Marktmanipulation: Laut FAZ (Joachim Jahn) "wollte" der Bundestag am gestrigen Donnerstag ein Gesetzespaket gegen Marktmanipulation endgültig beschließen. Das vom Finanzausschuss bereits abgesegnete Paket zur Umsetzung europäischer Normen enthält unter anderem schärfere Strafen und höhere Unternehmensbußen für Manipulationen, Veröffentlichung von Verstößen im Internet und eine Ausweitung der als Manipulation erfassten Sachverhalte durch eine erweiterte Definition der Insiderinformation.

Integrationsgesetz: Die Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte zu einem Integrationsgesetz geeinigt. Es soll eine Pflicht zu Sprachkursen, Beschäftigungs- und Bildungsprogrammen geben und bei Verstößen Sanktionen durch Sozialleistungskürzungen. Arbeitsmarktzugang soll erleichtert werden, durch Lockerung der Vorrangprüfung und des Zeitarbeitsverbots. Für Auszubildende soll es einen Abschiebungsstopp geben. Dazu schreiben FAZ (dc), taz (Daniel Bax/Ulrich Schulte) und HBl (D. Delhaes u.a.).

Heribert Prantl (SZ) kritisiert eine misstrauische Grundhaltung und die Konzentration auf den Arbeitsmarkt als Integrationsort. Daniel Bax (taz) fordert mehr Angebote und weniger Sanktionen.

Terrorismusbekämpfung: Die Koalition hat in einem Positionspapier zahlreiche Maßnahmen im Anti-Terror-Kampf vereinbart, schreibt die taz (Sabine am Orde/Konrad Litschko). Dazu gehören gemeinsame Dateien von Verfassungsschutz, BND und ausländischen Geheimdiensten, die Suche in Bestandsdaten von Telekommunikationsunternehmen mit unvollständigen Namensteilen, die Registrierung von Prepaid-Handy-Erwerbern und Führungsaufsicht für Terror-Unterstützer.

Konzernhaftung: Den Vorschlag, die Konzernmutter für Kartellrechtsverstöße ihrer Töchter auch ohne eigenes Verschulden haften zu lassen, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie laut FAZ (Joachim Jahn). Das sei ein Verstoß gegen das Schuldprinzip und die Regelung sei verfassungswidrig.

Ärztekorruption: Der Bundestag hat das Gesetz gegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen beschlossen, schreibt die SZ (Guido Bohsem). Die als Offizialdelikt ausgestaltete Korruption durch Gefährdung des lauteren Wettbewerbs wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Ein besonderer Schutz von Hinweisgebern wurde nicht aufgenommen.

Sexistische Werbung: lto.de (Constantin van Lijnden) spricht im Interview mit Berit Völzmann, die über Verbotsmöglichkeiten sexistischer Werbung promovierte und das Justizministerium bei dem Entwurf eines entsprechenden Gesetzes beriet.

§ 103 StGB: Die FAZ (Reinhard Müller) befasst sich vor dem Hintergrund von Abschaffungsforderungen mit dem Verbots der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Es stamme aus einer Zeit, als die Beleidigung von Monarchen Kriege entfachen konnte und diene in Fortsetzung dieses Gedankens dem Schutz des zwischenstaatlichen Verkehrs.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. April 2016: Kein Kopftuch in Berlin / Freies WLAN für Alle? / beA im September . In: Legal Tribune Online, 15.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19085/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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