Als erstes Bundesland will Hamburg die Rechte und Pflichten islamischer Verbände und Gemeinden in einem Staatsvertrag regeln. Außerdem in der Presseschau: Die Textilbranche kämpft gegen die Förderung erneuerbarer Energien, zum haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag liegt eine erste Klage vor und warum es riskant ist, seinen Arbeitgeber auf Facebook "Pfanne" zu nennen.
Hamburger Staatsvertrag mit Muslimen: Muslime bekommen in Hamburg künftig mehr Rechte - wie die FAZ (Frank Pergande) berichtet, hat der Stadtstaat als erstes Bundesland einen Vertrag mit Muslimen vereinbart. Nach fünf Jahren seien die Verhandlungen der Stadt Hamburg mit drei islamischen Verbänden sowie der alevitischen Gemeinde erfolgreich abgeschlossen. Nun bedürfe es nur noch der formellen Unterschrift des Senats sowie der Zustimmung der Bürgerschaft. Der Vertrag betreffe unter anderem schulfrei an islamischen Feiertagen, Religionsunterricht an staatlichen Schulen und Bestattungsrituale. Laut der taz (Marco Carini/Daniel Bax) lasse sich das Hamburger Modell aber nicht ohne weiteres auf andere Bundesländer übertragen, weil diese ganz andere Landesverfassungen besäßen. Ausführlich berichtet auch die FR (Jens Blankennagel).
Berthold Kohler (FAZ) begrüßt den Vertrag. Staat und Gesellschaft dürften nicht darauf bauen, dass die Eingewanderten sich schon von allein einfügen würden. Die Schule sei der Ort, an dem über das Schicksal von Gesellschaften entschieden werde – "diese Entscheidung darf man nicht den Hinterhofpredigern überlassen."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Musterklagen gegen Öko-Umlage: Wie die taz (Ingo Arzt/Wendelin Sandkühler) berichtet, wehrt sich die deutsche Textilindustrie gegen die Ökostrom-Subventionierung. Drei Textilunternehmen hielten die Öko-Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für verfassungswidrig; sie klagten zunächst vor drei Landgerichten, wollten aber bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ziehen. Laut Handelsblatt (Klaus Stratmann) vergleichen die Unternehmen die Zwangsabgabe mit dem "Kohlepfennig", den das Bundesverfassungsgericht 1994 zu Fall gebracht hatte.
Joachim Jahn (FAZ) kommentiert, dass die Parallelen zum verfassungswidrigen Kohlepfennig auf der Hand lägen. Bis zu einer Entscheidung des BVerfG könnten aber mindestens fünf Jahre vergehen – und billiger werde der Atomausstieg dadurch auch nicht.
Verfassung für Europa: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) führt ein ausführliches Gespräch mit dem französischen Rechtsprofessor Guy Carcassonne über die französische Sicht auf die Konstitutionalisierung Europas.
EU-Volksabstimmung: Auf zeit.de kommentiert Ludwig Greven die Debatte um eine EU-Volksabstimmung. Er befürwortet eine Volksabstimmung, hält aber "all das Gerede über eine Einbeziehung von Volkes Meinung" für ein Ablenkungsmanöver. Die Politik müsse erst einmal ihrer originären Aufgabe nachkommen, nämlich klare Alternativen zu formulieren und bei den Bürgern um Zustimmung zu werben.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG – ESM: Nach einem Bericht der FDT (Claudia Kade) hält das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) trotz eines am Montag eingereichten Eilantrags an seinem Zeitplan fest und wird am 12. September seine Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm ESM bekannt geben. Eine Gruppe von Euro-Skeptikern habe eine neue Verfassungsbeschwerde eingelegt und mit dem Eilantrag erreichen wollen, dass das BVerfG vor seinem Urteil erst noch eine Entscheidung des EuGH zum ESM abwarte.
BAG zu Urlaubsansprüchen: Auf dem Handelsblatt-Rechtsboard stellt Rechtsanwalt Thomas Puffe eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von August zur Entstehung von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten im ruhenden Arbeitsverhältnis vor. Danach entstünden zwar während der Phase des Ruhens Urlaubsansprüche; das BAG habe aber eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen beseitigt und einen generellen Verfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres etabliert.
SG Berlin zu Krankenkassenwerbung: Wie lto.de knapp meldet, dürfen Krankenkassen nach einem Urteil des Sozialgerichts (SG) Berlin nicht mit Rabattgutscheinen für Einrichtungshäuser oder Freizeitaktivitäten um neue Mitglieder werben. Die gesetzlichen Krankenkassen stünden zwar miteinander in Konkurrenz. Sie dürften sich aber nicht alle Freiheiten des Marktes zunutze machen, so das SG.
FG Rheinland-Pfalz zu Werbungskosten: Aufwendungen für ein Theologiestudium können nicht als Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Arzt berücksichtigt werden. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz seien Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit bestehe. Über die Entscheidung berichtet lto.de.
Hessisches LSG zu Hartz IV: Empfänger von Hartz IV haben keinen Anspruch auf zusätzliches Geld, wenn sie zu ihrem im Ausland lebenden Ehepartner reisen wollen. Dies entschied laut lto.de das hessische Landessozialgericht (LSG) in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss.
Rundfunkbeitrag - Klage: Gegen den neuen Rundfunkbeitrag gibt es wenige Monate vor seinem Inkrafttreten eine erste Klage. Der Jurist Ermano Geuer hat beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine so genannte Popularklage eingereicht. Im Gespräch mit lto.de (Pia Lorenz) erläutert Geuer die Gründe für seine Klage gegen die neue Abgabe und spekuliert über ihre Erfolgsaussichten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Tunesien - Verfassungsentwurf zu Frauenrechten: Die FR (Thomas Schmidt)
setzt sich ausführlich mit dem tunesischen Verfassungsentwurf auseinander, in dem die Rechte der Frauen neu geregelt werden sollen. Die regierenden Islamisten versuchten ein diskriminierendes Frauenbild in der Verfassung zu verankern, was im Land für Proteste sorge. Mehr als zehntausend Tunesier hätten am Montagabend gegen die geplante Regelung protestiert.
Sonstiges
Querulanten: Die FAZ (Rupert Gaderer) beschäftigt sich auf der Seite "Geisteswissenschaften" mit dem Querulantentum und unternimmt einen Streifzug von den Ursprüngen der Querulanten bis hin zur heftig diskutierten Einführung der so genannten "Mutwillensgebühr" am Bundesverfassungsgericht.
Das Letzte zum Schluss
Arbeitgeber-Schimpfe auf Facebook: Ein wütender Arbeitnehmer beschwerte sich auf Facebook über seine Kündigung und beschimpfte seinen Nocharbeitgeber kraftvoll als "Drecksladen", "armseligen Saftladen", "Pfeife" und "Pfanne". Wie internet-law (Thomas Stadler) kurz meldet, hatte der Arbeitgeber mit seiner Unterlassungsklage vor dem Arbeitsgericht Bochum zunächst keinen Erfolg, weil der Facebook-Eintrag nur für ‚Freunde’ sichtbar war. Morgen beschäftigt sich das Landesarbeitsgericht Hamm mit dem Fall.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lp
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. August 2012: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6838 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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