Der Bundesgerichtshof rügt Google für seine Autocomplete-Funktion, die bei Suchabfragen weitere Suchbegriffe automatisch ergänzt. Außerdem in der Presseschau: Geld für die NPD, Bankenunion, Anklage im NSU-Verfahren verlesen, Endspiel für Ecclestone und Steuerpflicht für das älteste Gewerbe der Welt.
BGH rügt Google: Der Bundesgerichtshof hat Google für seine Autocomplete-Funktion gerügt. Die automatische Ergänzung von Suchbegriffen in der Suchmaske könne im Einzelfall die Persönlichkeitsrechte von Personen verletzen, nach denen gesucht werde. Wie die taz (Christian Rath) berichtet, sei Kläger ein Unternehmer gewesen, dessen Name in der Suchmaske mit den Begriffen "Scientology" und "Betrug" ergänzt worden sei. lawblog.de (Udo Vetter) verweist darauf, dass der BGH die automatisch generierten "Predictions" (Suchergänzungen) für eigenständig aussagekräftig halte. Allerdings müsse sich ein Betroffener erst bei Google beschweren. In einem Beitrag für lto.de erläutert Rechtsanwalt Nico Härting die Notwendigkeit einer Algorithmen-Ethik für die Google zugrunde liegenden Rechenoperationen und untersucht die Folgen für den ähnlich gelagerten Fall von Bettina Wulff.
Unter der Überschrift "Kampf dem Rufmord" lobt Wolfgang Janisch (SZ) im Leitartikel den BGH. Er habe "das Prinzip Verantwortlichkeit" im Internet etabliert. Reinhard Müller (FAZ) meint, Algorithmen dürften nicht als Ausrede herhalten. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Corinna Budras (FAZ) hingegen spricht vom "überzogenen Feingefühl der Richter", während Meike Laaf (taz) meint, das Internet werde mehr und mehr zu einem Ort der Selbstdarstellung, wenn im "Netz der Beleidigten" jeder selbst entscheiden dürfe, was über ihn veröffentlicht wird.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Bankenunion: Mit dem schleppenden Aufbau einer europäischen Bankenunion beschäftigt sich unter anderem spiegel.de (Carsten Volkery). Während die EZB eine klare Haftungshierarchie mit den Anteilseignern der Banken an erster Stelle vor deren Gläubigern fordere, wollten einige Minister von Fall zu Fall entscheiden. Wolfgang Schäuble lehne im Gegensatz zur EZB und Kommission einen gemeinsamen Abwicklungsfonds ab. Auch das Handelsblatt (ähnlich online) berichtet.
Eric Bonse (taz) kommentiert, anders als beim durchgepeitschten Rettungsschirm stehe Berlin jetzt auf der Bremse: Schon bei einer gemeinsamen Bankenaufsicht stelle sich Berlin quer. "Jeder noch so kleine Schritt zu mehr Solidarität wird behindert."
Korruption im Gesundheitswesen: Die SZ (Guido Bohsem) stellt den Gesetzentwurf der Länder gegen Korruption im Gesundheitswesen vor. Laut Vorlage, die der Hamburger Senat im Juni in den Bundesrat einbringen werde, solle das Strafgesetzbuch geändert werden und nicht – wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen – das Verbot von Korruption im Sozialgesetzbuch festgeschrieben werden.
Steueroasen trockenlegen: Nachdem Österreich und Luxemburg ihre Vorbehalte aufgegeben hätten, sei es jetzt möglich, auf EU-Ebene eine gemeinsame Regelung zur Schließung von Steueroasen in Europa zu schaffen, berichtet das Handelsblatt (Ruth Berschens). Die Kommission wolle unverzüglich Verhandlungen mit der Schweiz aufnehmen.
Obergrenzen für Managergehälter: Die Corporate-Governance-Kommission unter Leitung von Klaus-Peter Müller, dem Aufsichtsratschef der Commerzbank, schlägt vor, Obergrenzen für Managergehälter sollten von Ausichtsräten festgelegt und diese in Tabellen veröffentlicht werden, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen. Dies berichtet das Handelsblatt (Dieter Fockenbrock).
Martin Winter (SZ Wirtschaft) argumentiert in eine ähnliche Richtung. Er lehnt eine gesetzliche Obergrenze für Managergehälter ebenso ab wie eine Festlegung durch die Vollversammlung der Aktionäre und plädiert für freiwillige Obergrenzen, die Unternehmen selbst festlegen.
Kronzeugenregelung bei Compliance-Verstößen: Klaus Moosmayer, Compliance-Beauftragter bei Siemens und des Bundesverbands der Unternehmerjuristen (FAZ Recht und Steuern), wirft die Frage auf, ob ein Syndikusanwalt die Pflicht habe, firmenintern bekannt gewordene Verstöße bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Er plädiert für eine weitreichende Übernahme von Kronzeugenregelungen, um die Anzeigebereitschaft zu erhöhen.
Bürokratie-Abbau: Das Handelsblatt (Thomas Sigmund / Klaus Stratmann) widmet seinen Tagesschwerpunkt dem Bürokratie-Abbau und gibt die üblichen Beispiele für eine wenig zielführende Normierungswut des Gesetzgebers, von unverständlichen Steuergesetzen bis zum Kündigungsschutz.
In einem Gastbeitrag an gleicher Stelle fordert Johannes Ludewig, Vorsitzender das Nationalen Normenkontrollrats mehr Transparenz, insbesondere eine klare Kostenfolgenabschätzung vor der Einführung neuer Gesetze.
Auflösung krimineller Firmen: Das Handelsblatt (Jan Keuchel / Axel Höpner) stellt das Konzept der SPD für ein strengeres Steuerstrafrecht vor, das als Rechtsfolge auch die Auflösung krimineller Firmen vorsieht.
Ebenfalls im Handelsblatt (Axel Jahn) gibt es einen Überblick über die im Moment noch sehr viel strengeren Regelungen zur Firmenhaftung in den USA.
Joachim Lang – Besteuerung von Lebenspartnerschaften: In einem Interview mit Die Welt (Dorothea Siems) plädiert der Professor für Steuerrecht Joachim Lang für eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern im Steuerrecht mit Ehegatten, da sie sich gleichermaßen zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet seien.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zu Satellitenschüsseln: Das Anbringen einer Satellitenschüssel wird durch das Recht auf Informationsfreiheit im Regelfall geschützt, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Wie die FAZ (Reinhard Müller) berichtet, verlange das Gericht eine fallbezogene Abwägung. Turkmenische Mieter hatten Zugang zu Fernsehsendungen in ihrer Sprache eingeklagt.
BVerfG zu Geld für die NPD: Wie spiegel.de berichtet, muss der Bundestag auch weiterhin Geld an die NPD auszahlen. In einem Eilbeschluss habe das Gericht in Karlruhe entschieden, dass die für die im Mai und August fälligen Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils mehreren Hunderttausend Euro von der Bundestagsverwaltung nicht mit Forderungen gegen die NPD aus dem Jahr 2007 verrechnet werden dürfen.
BVerfG zur Verteilung von Presseplätzen: Das Handelsblatt (dri) zitiert aus einer Presserklärung des Bundesverfassungsgerichts zur Vergabe der Presseplätze bei der mündlichen Verhandlung zum Euro-Rettungsschirms ESM Anfang Juni: Akkreditierung nach Anmeldungseingang, unterschiedliche Kontingente für Medien aus Deutschland, der EU, Nicht-EU-Staaten und freie Journalisten, Tonübertragung, Losentscheid nur bei zeitgleichem Eingang der Akkreditierung. Das Blatt kommentiert: "So also, liebe Münchner, machen das die Profis."
Endspiel für Ecclestone: Die SZ (Hans Leyendecker / Klaus Ott) vermutet in einem Porträt von Bernie Ecclestone, dass die Anklage wegen Schmiergeldzahlungen den Formel-Eins-Chef seinen Job kosten könnte.
NSU – Anklage verlesen: Im Prozess vor dem Oberlandesgericht München ist begleitet von anhaltenden Wortgefechten zwischen Gericht und Verteidigern die Anklage verlesen worden. Beate Zschäpe, die die Angaben zur Person verweigert habe, werde darin als voll verantwortliche Akteurin der NSU bezeichnet. Es berichten unter anderem die SZ (Annette Ramelsberger / Tanjev Schulz, ähnlich online), Die Welt (Hannelore Crolly / Per Hinrichs) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
zeit.de (Tom Sundermann) berichtet, die Nebenkläger seien durch das "juristische Fingerhakeln" ermüdet und mieden den Prozess.
Heribert Prantl (SZ) meint, die Geduld des Vorsitzenden habe sich ausgezahlt. Mit der Verlesung der Anklage sei das Vorspiel in diesem Prozess beendet.
EGMR zu Suizidhilfe Schweiz: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz verurteilt, weil die Regelung zur Suizidhilfe nicht klar genug formuliert seien. Das berichtet die FAZ (Helene Bubrowski).
Daniel Deckers (FAZ) behauptet in einem Kommentar, das absolute Verbot der "aktiven Sterbehilfe" sei in Deutschland an der FDP gescheitert.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – AP bespitzelt: Wie unter anderem die SZ (Nicolas Richter) und die FAZ (Matthias Rüb) berichten, hat das US-Justizministerium zwei Monate lang die Presseagentur Associated Press (AP) ausspioniert. Anlass sei die CIA-kritische Berichterstattung gewesen.
Damir Fras (FR) kommentiert, die Bespitzelung sei "vor allem dumm" und habe "das Bollwerk Pressefreiheit" beschädigt.
Sonstiges
Michael Ignatieff – Common Law und Menschenrechte: In einem Beitrag für verfassungsblog.de erläutert der kanadische Historiker Michael Ignatieff das Verhältnis von Common Law und Menschenrechten und die historischen Wurzeln des Konflikts zwischen England und den kontinentaleuropäischen Vorstellungen transnationaler Menschenrechte.
Das Letzte zum Schluss
BFH – Gewerbesteuer für Prostituierte: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vor, wonach freiberufliche Prostituierte nicht nur Einkommensteuer, sondern auch Gewerbesteuer zu zahlen hätten. Mit diesem Beschluss habe das Gericht eine komplette Abkehr von der Grundsatzentscheidung von 1964 vollzogen. Prostitution könne in Gestalt eines "sich am wirtschaftlichen Verkehr beteiligenden Unternehmens" betrieben werden.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. Mai 2013: BGH rügt Google – Associated Press bespitzelt – Mehr Gesetze, mehr Bürokratie . In: Legal Tribune Online, 15.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8728/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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