Inwiefern sind Manipulationen bei Organtransplantationen strafbar? Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft prescht mit einer Festnahme voran, die Debatte hält an. Außerdem in der Presseschau vom Wochenende: Datenschutz in Unternehmen, Berufung per SMS, ein Richter, der sich nicht besonders für die Wahrheit interessiert und ein Anwalt im Soziotop Kleingarten.
Organspende-Skandal: Über die Strafbarkeit von Ärzten, die bei der Transplantation von Organen manipulieren, wird weiter diskutiert. Wie die Montags-taz (Heike Haarhoff) berichtet, sieht Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger keinen Anlass für eine Verschärfung des Strafgesetzbuches. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr kündigte derweil in der Samstags-taz (Heike Haarhoff) an, ein Gutachten zu möglichen straf- und berufsrechtlichen Änderungen in Auftrag zu geben.
Zuvor war am Freitag der ehemalige Leiter der Transplantationschirurgie an der Uni-Klinik Göttingen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft ihm versuchten Totschlag in neun Fällen, sowie schwere Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge vor. Der Arzt soll Angaben von Patienten gefälscht haben, damit sie auf den Wartelisten für Organtransplantationen nach vorne rücken. Die Samstags-SZ (Christina Berndt) berichtet. Die Hintergründe dieses Falls, sowie ähnlicher Vorfälle in München, schildert auch Der Spiegel (Udo Ludwig/Antje Windmann), eine Vorabmeldung dazu auf spiegel.de.
Christina Berndt (Montags-SZ) begrüßt das Vorgehen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft und kommentiert, es sei unverständlich, dass nicht alle Staatsanwaltschaften "mit der Braunschweiger Härte vorgehen". Heike Haarhoff (Montags-taz) befindet, der Vorwurf der versuchten Tötung sei ein "gewagtes juristisches Experiment". Das verdiene Respekt, dennoch sei nun vor allem der Gesetzgeber gefragt.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Keine Steuergleichheit für Lebenspartner: Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP werden sich am kommenden Donnerstag im Bundestag gegen die steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften aussprechen, so die Samstags-FAZ (Günter Bannas).
Datenschutz in Unternehmen: Die Koalition hat angekündigt, noch im Januar im Bundestag ein "Beschäftigtendatenschutzgesetz" zu verabschieden. Damit werde der Datenschutz für Arbeitnehmer verbessert, insbesondere soll die heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz ausdrücklich verboten werden. Der Gesetzentwurf wird von Oppostion und Gewerkschaften scharf kritisiert, vor allem wegen weitreichender Möglichkeiten für offene Überwachung und Sonderregelungen für einzelne Bereiche, etwa in Callcentern. Es berichten die Samstags-FAZ (Joachim Jahn/Corinna Budras) und die Montags-SZ (Thomas Öchsner). Einen Überblick gibt auch spiegel.de. Heribert Prantl (Montags-SZ) kommentiert, das Gesetz sei "im Prinzip löblich, in der Ausgestaltung unzureichend, in Teilen skandalös".
Korruption bei Ärzten: Der Spiegel (Markus Grill) spricht mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, über die Korruption von Ärzten. Montgomery spricht sich gegen eine spezielle strafrechtliche Regelung für Ärzte aus, fordert aber mehr Ermittlungsbefugnisse, um berufsrechtlich gegen Korruption vorgehen zu können. Eine Vorabmeldung zu dem Interview findet sich auf spiegel.de.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu Wahrheitsfindung: "Die Wahrheit interessiert mich nicht" – wenn ein Richter diesen Satz in einer Verhandlung äußert, kann das einen Befangenheitsantrag begründen. Wie der Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder auf seinem Blog berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht dies in einem nun veröffentlichten Beschluss vom Dezember klar gestellt. Das Landgericht Chemnitz und das Oberlandesgericht Dresden hatten das zuvor anders gesehen.
OLG Brandenburg zu Berufung per SMS: Eine Berufung kann auch über einen "SMS-to-Fax"- Service eingereicht werden, eine eigenhändige Unterschrift ist dabei nicht erforderlich. So sieht es jedenfalls das Oberlandesgericht Brandenburg, das die Frage im Dezember entschieden hatte. lawblog.de (Udo Vetter) erläutert den Beschluss.
EuG – Klage gegen Anleihen-Kauf: Das Gericht der Europäischen Union wird sich mit einer Klage von 7.000 Bürgern gegen die Europäische Zentralbank befassen. Sie halten den Beschluss der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen für unvereinbar mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dazu die Samstags-Welt (Günther Lachmann).
BGH – Commerzbank kündigt Nazi-Konto: Der Bundesgerichtshof muss am Dienstag entscheiden, ob die Commerzbank das Konto eines rechten Verlages kündigen durfte. Die "Lesen und Schenken GmbH" gehört dem Rechtsextremisten Dietmar Munier und vertreibt rechte Literatur und Geschenkartikel. Das Bremer Landgericht und das dortige Oberlandesgericht hatten die Kündigung zuvor für rechtsmäßig erklärt. In einem ausführlichen Bericht in der Samstags-taz (Christian Rath) heißt es dazu, wie der BGH entscheide, sei "völlig offen".
Arbeitsgerichte - Gewerkschaften in der Zeitarbeit: Der Rechtsanwalt André Zimmermann befasst sich auf dem Handelsblatt Rechtsboard mit Verfahren um die Tariffähigkeit und -zuständigkeit der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nachdem Gerichte in verschiedenen Verfahren Zweifel geäußert hatten, sei mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 2014 zu rechnen.
OLG Stuttgart – Russische Spione: Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart beginnt am Dienstag ein Prozess gegen zwei russische Geheimagenten wegen schwerer Spionage. Sie sollen 1988 vom russischen Auslandsgeheimdienst nach Deutschland geschickt worden sein. Die Hintergründe des Falls schildern die FAS (Markus Wehner) und die Montags-SZ (Annette Ramelsberger).
Kein Prozess im Fall Wulff: In der Korruptionsaffäre um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wird es wohl nicht zu einer Anklage kommen. Wie die Bild am Sonntag (Kayhan Özgenc/Olaf Wilke) berichtet, enthalte der abschließende Sachstandbericht des Landeskriminalamtes Niedersachsen keine Beweise für die Korruptionsvorwürfe. Die Montags-SZ (Hans Leyendecker) spielt die möglichen Szenarien für eine Einstellung des Verfahrens durch – dabei sei vor allem die Frage, ob Wulff sich auf eine Einstellung gegen Geldauflage einlassen würde.
Streit um Posten am LAG München: Am Landesarbeitsgericht München dauert der Streit um die Besetzung des Präsidenten-Postens an. Sozialministerin Christine Haderthauer hatte einen Mitarbeiter ihres Ministeriums vorgeschlagen, das Verwaltungsgericht die Entscheidung jedoch wegen erheblicher Mängel im Auswahlverfahren kassiert. Obwohl eine Neubesetzung innerhalb von sechs Monaten statt finden soll, ist der Posten nun schon seit zehn Monaten unbesetzt. Dazu die Samstags-SZ (Christian Rost) im München-Teil.
Anwaltshonorare: Die Einstiegsgehälter für Anwälte liegen weiterhin deutlich auseinander - während Einzelanwälte um die 28.800 Euro brutto im Jahr verdienen, zahlen internationale Wirtschaftskanzleien mindestens 100.000 Euro, so die Samstags-FAZ (Corinna Budras) im Wirtschafts-Teil. Ein ausführlicher Bericht zum Wettbewerb der Kanzleien um die besten Absolventen findet sich im "Beruf und Chance"- Teil der Samstags-FAZ (Corinna Budras).
Der EuGH und seine Agenda: Der Wirtschaftswissenschaftler Roland Vaubel befasst sich in der Montags-FAZ mit der Rolle des Europäischen Gerichtshofes. Demnach häuften sich Vertragsverstöße von Europäischer Kommission, Rat und Europäischer Zentralbank. Dennoch hätten Klagen vor dem EuGH wenig Aussicht auf Erfolg, dieser stütze in Kompetenzfragen regelmäßig die EU und verfolge ein eigenes "Zentralisierungsinteresse".
Cybercrime-Zentrum eröffnet: Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hat am Freitag in Den Haag das Europäische Zentrum zur Bekämpfung von Cyberkriminalität eröffnet. Das meldet spiegel.de.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Polen – Richter kritisiert Antikorruptionsbüro: In Polen sorgt der Richter Igor Tuleya für Aufsehen, weil er dem "Zentralen Antikorruptionsbüro" stalinistische Methoden vorgeworfen hat. Hintergrund ist ein Verfahren um den Warschauer Herzchirurgen Miroslaw G. Das Kreisgericht Warschau hatte den Arzt wegen Bestechlichkeit verurteilt, Richter Tuleya kritisierte jedoch zugleich das Vorgehen der Behörde. Dazu die Samstags-FAZ (Konrad Schuller).
Ägypten – Neuer Mubarak-Prozess: Der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten von Ägypten, Hosni Mubarak, wird neu aufgerollt. Das entschied ein Kassationsgericht in Kairo. Das Gleiche gelte für den ehemaligen Innenminister, sowie sechs seiner Mitarbeiter, meldet spiegel.de.
Jugoslawien-Tribunal: lto.de (Jens Kahrmann) spricht mit dem Richter Christoph Flügge über dessen Tätigkeit am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag und schildert die Möglichkeiten für Jurastudenten, dort ein Praktikum zu absolvieren.
Sonstiges
Urheberrechtsverletzung durch Vorschaubilder: Begehen Facebook-Nutzer eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie Links mit Vorschaubildern posten? Mit dieser Frage befasst sich Thomas Stadler (internet-law.de). Er kommt zu dem Schluss, dass zwar sowohl Nutzer als auch die Plattform-Betreiber als Rechtsverletzer anzusehen seien. Allerdings bleibe unklar, ob eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich sei – es könne eine stillschweigende Einwilligung des Urhebers vorliegen.
Kirchenrecht und Aktenvernichtung: Die Samstags-SZ (Matthias Drobinski/Roland Preuss) erläutert das kirchliche Arbeitsrecht, das vorsieht, dass Akten zu "Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren" vernichtet werden, wenn die Angeklagten gestorben sind oder das Urteil zehn Jahre zurückliegt. Vor allem die Vernichtung von Akten hatte zum Bruch zwischen den Bischöfen und dem zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beauftragten Kriminolgen Christian Pfeiffer geführt.
Schleichwerbung bei "Wetten, dass...?": Der Spiegel (Markus Brauck/Jürgen Dahlkamp/Nils Klawitter/Gunther Latsch/Jörg Schmitt) wirft der ZDF-Sendung "Wetten, dass...?" im Titelthema vor, jahrelang verbotene Schleichwerbung verbreitet zu haben. Dies würden Verträge des Medienunternehmens Dolce Media mit DaimlerChrysler und dem Solarunternehmen Solarworld belegen. Dolce Media wurde von Christoph Gottschalk, dem Bruder des Moderators Thomas Gottschalk gegründet. spiegel.de bringt dazu eine Vorabmeldung.
Das Letzte zum Schluss
Im Kleingarten: Der auf Kleingartenrecht spezialisierte Anwalt Patrick Nessler plaudert in der FAS (Sonja Süß) aus seinem Berufsleben. Über Gartenzwerge werde selten gestritten – wenn der Gartennachbar ein Bild von seinem nackten Hintern an den Zaun hängt, könne man aber durchaus vor Gericht ziehen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. Januar 2013: Debatte um Organspende – Datenschutz in Unternehmen – Der Anwalt im Kleingarten . In: Legal Tribune Online, 14.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7952/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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