Einvernehmlicher Sex unter Erwachsenen darf auch im 21. Jahrhundert bestraft werden – wenn diese enge Verwandte sind. Das entschied jetzt der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte und enttäuschte damit fast die gesamte Medienlandschaft. Außerdem in der Presseschau: ein peinlicher falscher Verdacht nach einem Nazi-Mord, Herta Däubler-Gmelins rechtspolitisches Comeback und ein Urteil gegen garantierten Kunstgenuss.
EGMR bestätigt Inzestverbot: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lehnte die Beschwerde eines heute 35-jährigen Mannes ab, der rund drei Jahre im Gefängnis saß, weil er regelmäßig Sex mit seiner Schwester hatte. Da es keinen europäischen Konsens in dieser Frage gebe, durfte Deutschland den Geschwisterinzest unter Strafe stellen. Ausführliche Berichte gibt es unter anderem in der Welt (Matthias Kamann) und der FR (Ursula Knapp).
Reaktionen auf das Urteil sammelte spiegel.de, während auf bild.de (Stephanie Jungholt/E. Koch) der Grünen-Politiker Christian Ströbele eine Abschaffung des Verbots fordern darf.
In den Kommentaren wird das Urteil und vor allem die deutsche Rechtslage ganz überwiegend kritisiert, so von Helmut Kerscher (SZ), Christian Bommarius (FR) und Parvin Sadigh (zeit.de). Es gebe keinen vernünftigen Strafzweck für das Verbot. Nur bild.de (Stephanie Jungholt) glaubt: "Inzest ist ein moralisches Verbrechen, weil er fast immer mit Missbrauch und Abhängigkeit einhergeht!"
Weitere Themen – Rechtspolitik
Grundrechte in Baden-Württemberg: Die grün-rote Landesregierung will eine Landesverfassungsbeschwerde und eine Popularklage zum Staatsgerichtshof einführen, berichten die Stuttgarter Nachrichten (Frank Krause). Der Plan soll nächsten Dienstag im Kabinett behandelt werden.
Justiz in Rheinland-Pfalz: Martin W. Huff referiert auf lto.de den Bericht der rheinland-pfälzischen Expertenkommission, der Ende März die Zusammenlegung der Oberlandesgerichte von Koblenz und Zweibrücken ablehnte.
Deutsch-Schweizer Steuerabkommen: In einem Interview mit dem Handelsblatt erläutert die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Haltung ihrer Regierung im Streit um deutsche und amerikanische Steuerflüchtlinge.
EU-US-Abkommen über Fluggastdaten: Am kommenden Donnerstag wird das Europaparlament voraussichtlich das Abkommen mit den USA billigen, das diesen die Auswertung und Speicherung der Daten europäischer Fluggäste erlaubt. Das Handelsblatt (Ruth Berschens) gibt einen Überblick über die Kritik an dem Abkommen.
Weitere Themen - Justiz
BayVGH zu Rund-um-die-Uhr-Demo: Iranische Asylbewerber dürfen in Würzburg zwar kein beheiztes Zelt aufstellen, aber doch einen zweiten ambulanten Pavillon. Das entschied laut lto.de der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Die Iraner hätten ein berechtigtes Interesse, ihr Anliegen rund um die Uhr vorzubringen.
LG Leipzig zu Kino.to: Die FR (Marin Majica) analysiert das am Mittwoch ergangene Urteil des Landgerichts Leipzig gegen den Programmierer des Internet-Filmportals kino.to.
KG Berlin zu Gutachterkosten: Henning-Ernst Müller reflektiert auf beck.blog.de die Entscheidung des Kammergerichts Berlin, einer freigesprochenen Frau nur einen Teil der Gutachterkosten zu erstatten. Er hofft, dass die restlichen Kosten über andere Wege, zum Beispiel im Zuge der Amtshaftung, eingeklagt werden können.
BGH zu Steuerhinterziehung: Die SZ (Malte Conradi) beschreibt aufgeregte Diskussionen unter Steuerrechtlern, die eine BGH-Entscheidung aus dem letzten September ausgelöst hat. Damals hatte der BGH angedeutet, dass der Verzicht auf die Beiziehung eines Steuerberaters bereits als bedingter Vorsatz für eine Steuerhinterziehung gewertet werden könnte.
Falscher LKA-Verdacht gegen Roma: Die taz (Wolf Schmidt) schildert ausführlich, wie das Stuttgarter Landeskriminalamt nach dem Nazi-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter irrtümlich Sinti und Roma verdächtigte und sich bis heute nicht entschuldigte.
Klage gegen Rettungsschirm: Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und der Staatsrechtler Christoph Degenhart bereiten im Auftrag von "Mehr Demokratie" und anderer Gruppen eine Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt vor. Es geht um angebliche Einschnitte in die Haushalts- und Kontrollrechte des Bundestags, die nur durch eine Volksabstimmung rechtfertigt werden könnten, berichtet die FR (Bettina Vestring).
Anwalt Servatius: Die SZ (Hans-Jürgen Jakobs) portraitiert den Rechtsanwalt Bernhard Servatius, der vor allem als Berater und Testamentsvollstrecker des Verlegers Axel C. Springer bekannt wurde. Anlass ist der 80. Geburtstag von Servatius.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA - Anklage im Fall Martin: Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Wachmann George Zimmerman Anklage wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz erhoben. Das berichtet spiegel.de (Marc Pitzke). Zimmermann hat den schwarzen Teenager Trayvon Martin erschossen und beruft sich auf Notwehr. Bernd Pickert (taz) erläutert und kritisiert in einem Kommentar das Notwehr-Gesetz von Florida, das eine Beweislastumkehr zugunsten des Schützen vorsehe.
USA - kein Software-Diebstahl: Ein New Yorker Berufungsgericht hat die achtjährige Haftstrafe gegen einen Goldman-Sachs-Mitarbeiter kassiert. Der Mann war wegen Diebstahls von Handelsgeheimnissen verurteilt worden, nachdem er Software kopiert und bei einem Arbeitsplatzwechsel seinem neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellte. Das Berufungsgericht entschied, dass ein "Diebstahl" von Software nicht möglich sei, berichtet spiegel.de (Matthias Kremp). Die Gesetze seien veraltet.
Liechtenstein - Prozess um Aktenklau: Die Vaduzer Staatsanwaltschaft hat gegen einen einflussreichen liechtensteinischen Rechtsanwalt und Politiker Anklage wegen Urkundenunterdrückung erhoben. Der Anwalt soll Akten, die er im Zuge der Akteneinsicht in einem österreichischen Strafverfahren einsehen konnte, teilweise mitgenommen und zeitweise seinem Mandanten überlassen haben. Das berichtet die SZ (Uwe Ritzer). Der Ruf Liechtensteins als seriöser Rechtshilfe-Partner stehe auf dem Spiel.
Libyen – Prozess gegen Gaddafi-Sohn: Der libysche Übergangsrat will gegen Saif al-Islam Gaddafi nach wie vor einen Prozess in Libyen durchführen, habe jedoch Probleme ein faires Verfahren zu garantieren, weil der Gefangene immer noch in den Händen einer Miliz ist. Das könnte Konflikte mit dem Internationalen Strafgerichtshof geben, analysiert zeit.de (Carsten Luther).
Das Letzte zum Schluss
Kunst ohne Wow-Effekt: Die Auftraggeberin eines Kunstwerks muss den Künstler auch dann bezahlen, wenn sich bei ihr nach Lieferung kein "Wow-Effekt" einstellt. Das entschied jetzt das Amtsgericht München in einem Fall, der auf der Webseite www.dr-bahr.com geschildert wird.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. April 2012: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5989 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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