Auch das BVerfG hat eine Meinung zu Wahlkampfauftritten ausländischer Politiker. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer bestätigt seinen Abschied zum 30. April und südkoreanisches Verfassungsgericht enthebt Präsidentin ihres Amtes.
Thema des Tages
BVerfG zu Wahlkampfauftritten: Ausländische Regierungsmitglieder haben weder nach dem Grundgesetz noch nach völkerrechtlichen Bestimmungen einen Anspruch auf Einreise ins Bundesgebiet zum Zwecke der Ausübung amtlicher Funktionen wie Wahlwerbung. Die Einreise bedürfe der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der Bundesregierung. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht nach einem am Freitag veröffentlichten Beschluss in der vergangenen Woche klar. Die Berichte von Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und Samstags-taz (Christian Rath) betonen den ungewöhnlichen Schritt des Gerichts, eine nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde zu begründen und dann auch noch zeitnah zu veröffentlichen.
Nach dem Kommentar von Berthold Kohler (Samstags-FAZ) "schmort die heiße Kartoffel eines Auftrittsverbots" für den türkischen Präsidenten Erdoğan damit weiterhin in den Händen der Bundeskanzlerin.
Rechtspolitik
EU-Kindergeld: Nach Bericht der Montags-SZ (Cerstin Gammelin/Thomas Kirchner) will die Bundesregierung am kommenden Mittwoch über einen Gesetzentwurf zur Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen beschließen. Durch das Gesetz würden Zahlungen an in Deutschland lebende EU-Ausländer für Kinder in der Heimat den dortigen Lebenshaltungskosten angepasst. Die Regierung stelle sich damit in offenen Widerspruch zur mehrfach geäußerten Rechtsansicht der Kommission, die durch derartige Unterscheidungen die Personenfreizügigkeit verletzt sehe.
Videoüberwachung: In der Nacht zum vergangenen Freitag hat der Bundestag das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz verabschiedet, durch das Aufzeichnungen öffentlich zugänglicher Orte erleichtert werden. Weitere beschlossene Regeln betreffen den bundespolizeilichen Einsatz sogenannter Bodycams und mobiler Geräte für das Scannen von Autokennzeichen. Der Bericht von netzpolitik.org (Simon Rebiger) lässt vorwiegend kritische Stimmen zu Wort kommen. Die Samstags-Welt (Ricarda Breyton) beschreibt technische Details der Aufzeichnungen.
Sichere Herkunftsstaaten: Wie erwartet, hat die asylrechtliche Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Der Bericht der Samstags-Welt (Marcel Leubecher) bedauert, dass nun der Plan, "durch die Einstufung die Asylverfahren der Nordafrikaner zu beschleunigen" nicht verwirklicht werden könne, und macht hierfür vor allem wahltaktische Überlegungen der Grünen verantwortlich.
Sportwettbetrug: Bei Wettmanipulationen drohen Sportlern, Trainern und Schiedsrichtern ab sofort Gefängnisstrafen. Weil andere Maßnahmen nicht gegriffen hätten, sei das diese Strafbarkeit begründende Gesetz, vom Bundestag soeben verabschiedet, notwendig geworden, zitiert die Samstags-SZ (Javier Caceres) Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).
Dienstleistungsfreiheit: Bundestag und Bundesrat haben zum Schluss der vergangenen Sitzungswoche eine Subsidiaritätsrüge gegen das Dienstleistungspaket der Europäischen Kommission beschlossen. Eine Wirkung entfalte der Beschluss erst, wenn sich weitere 17 Parlamente anschließen, erläutert die Samstags-FAZ (Hendrick Kafsack/Henrike Roßbach).
Justiz
EuGH zu Notarvorbehalt: Der sogenannte Notarvorbehalt, nach dem Beglaubigungen von Urkunden, die für Grundbucheintragungen notwendig sind, Notaren vorbehalten bleiben, ist europarechtskonform. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am vergangenen Donnerstag. Notar Leif Böttcher erklärt auf lto.de, warum die Entscheidung konsequent und richtig ist.
BVerwG zu Suizidhilfe: Auch das Feuilleton der Samstags-FAZ (Oliver Tolmein) befasst sich nun mit den sachlichen Hintergründen des jüngsten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Anspruch auf tödliche Medikamente in einer Extremsituation. Die Verbindungen zwischen der toten Frau des Klägers zum Schweizer Verein Dignitas belegten Befürchtungen über geschäftsmäßig "organisierte Suizidhelfer", denen durch das Ende 2015 verabschiedete Gesetz begegnet werden sollte. Es bleibe unklar, warum sich das BVerwG in seinem Urteil gegen diese gesetzgeberische Entscheidung stellte.
LG München II zu Indizienprozess: In einer ausführlichen Reportage in ihrem Buch-Zwei-Teil erinnert die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) an Manfred Genditzki, der 2012 vom Landgericht München II wegen Mordes an einer Rentnerin zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Die Verurteilung habe auf fragwürdiger Auslegung von Indizien beruht und das Vertrauen des Autors in Professionalität, Redlichkeit und Menschenkenntnis von Richterinnen und Richtern "erschüttert". In einem weiteren Beitrag der Samstags-SZ (Hans Holzhaider) erläutert der Journalist seine Beweggründe, erneut über den Fall zu schreiben.
LG München I – Georg Funke: Am Landgericht München beginnt am 20. März der Strafprozess gegen den früheren Chef der Hypo Real Estate, Georg Funke. Nach dem ausführlichen Vorbericht des Spiegel (Dinah Deckstein/Martin Hesse) wird sich der Banker gegen den Vorwurf geschönter Bilanzen offensiv verteidigen. In einer 192 Seiten starken "Streitschrift", die im Verfahren verlesen werden soll, habe Funke seine Darstellung der Ereignisse im Herbst 2008 zusammengefasst.
LG Würzburg zu Facebook: In einem Kommentar bezeichnen Morten Freidel/Volker Zastrow (FAS) die Entscheidung des Landgerichts Würzburg, das in der vergangenen Woche einen gegen Facebook gerichteten Antrag des Syrers Anas Modamani ablehnte, als "falsch". Sie stehe im Widerspruch zu dem vom Europäischen Gerichtshof vor drei Jahren zu Google entwickelten Recht auf Vergessenwerden und ignoriere die Fähigkeit der Plattform, mit den von ihr geschaffenen Algorithmen auch in der Löschung von Hasspropaganda vorzugehen. Als Konsequenz der Entscheidung fordert Marcel Rosenbach (Spiegel) im Leitartikel eine stärkere Regulierung von Internetplattformen.
LG Hamburg – Schmähgedicht: Der Satiriker Jan Böhmermann wird gegen das umfassende Verbot seines "Schmähgedichtes" Berufung einlegen. Dies meldet die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger).
Thomas Fischer: Der bereits in der vergangenen Woche angedeutete berufliche Abschied des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist von Thomas Fischer selbst bestätigt worden. Er wolle den Zeitpunkt des Ausscheidens selbst bestimmen, geben lto.de (Pia Lorenz) und Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) den Bundesrichter wieder.
BGH-Nebeneinkünfte: Auch die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichtet nun zu den am vergangenen Freitag beim Jahrespresseempfang des Bundesgerichtshofs präsentierten Informationen zu Nebeneinkünften von Bundesrichtern und nennt beispielhaft Zahlen zu gehaltenen Seminaren.
BGH-Tätigkeitsbericht: Die Auslastung des Bundesgerichtshofs bleibt hoch. Ein extremer Anstieg wurde laut Gerichtspräsidentin Bettina Limperg im ermittlungsrichterlichen Bereich verzeichnet. Die bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts des BGH erwähnten Zahlen nennt die Samstags-FAZ (Marcus Jung).
BAG-Präsidentin: Gegenüber der Montags-FAZ (Marcus Jung, Zusammenfassung) äußert sich Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, zu aktuellen Schwerpunkten arbeitsgerichtlicher Verfahren und hält dabei auch mit ihrer Meinung "nicht hinter dem Berg."
Recht in der Welt
IStGH – Südafrika: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Tanja Altunjan wirft auf juwiss.de einen vertieften Blick auf die jüngste Entscheidung eines südafrikanischen Gerichts, den von der Regierung des Landes erklärten Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof für verfassungswidrig und ungültig zu erklären.
EGMR – türkische Richter: Die Klage einer nach dem Putschversuch in der Türkei entlassenen Arbeitsrichterin wurde am Freitag vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen. Nach einem im Januar von der türkischen Regierung erlassenen Dekret stehe der Richterin in ihrer Heimat ein Rechtsmittel gegen ihre Entlassung auch im nach wie vor geltenden Ausnahmezustand zu Verfügung, so das Gericht nach Meldung von lto.de.
Türkei – Verfassungsänderung: In ihrem Feuilleton befragt die Montags-FAZ (Eren Güvercin) den Rechtsanwalt Christian Rumpf als Experten im türkischen Recht zur geplanten Verfassungsänderung.
Ungarn – Transitzonen: Die ungarische Regierung hat beschlossen, Asylsuchende bis zum Abschluss ihrer Verfahren in Transitzonen festzuhalten. Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) untersucht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme und erinnert dabei auch an deutsche Flughafenverfahren. Gegenüber diesen und anderen völkerrechtlich wohl zulässigen Unterbringungen von Asylsuchenden unterscheide sich die ungarische Variante jedoch in den Kriterien zeitlicher Begrenzung, menschenwürdiger Unterbringung und Fairness des Verfahrens.
USA – VW: Vor einem Bundesgericht in Detroit/USA hat der VW-Konzern eingeräumt, sich wegen Betruges und Behinderung der Justiz strafbar gemacht zu haben. Das Schuldbekenntnis entspreche der mit dem Justizministerium des Landes getroffenen Vereinbarung zur Aufarbeitung der Abgas-Affäre in den USA. zeit.de berichtet.
USA – Bundesstaatsanwälte: Die US-amerikanische Regierung hat alle 46 vom Ex-Präsidenten Barack Obama ernannten Oberstaatsanwälte zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Der Personalaustausch entspreche üblichem Gebaren bei Amtseinführung eines neuen Präsidenten, schreibt die Montags-FAZ (Andreas Ross). Üblicherweise werde er aber allmählich vollzogen. Der Bericht erwähnt zudem die Entscheidung eines Richters aus dem Bundesstaat Wisconsin, der für eine syrische Familie das neuerliche Einreiseverbotsdekret von Präsident Donald Trump vorübergehend ausgesetzt habe.
Südkorea – Amtsenthebung: Das Verfassungsgericht Südkoreas hat am vergangenen Freitag Präsidentin Park Geun Hye des Amtes enthoben. Park habe einer Vertrauten Einfluss auf die Regierungsgeschäfte eingeräumt und zu Gunsten ihrer Freundin auch Geldzahlungen großer Unternehmen erpresst, gibt die Samstags-FAZ (Patrick Welter) das Gericht wieder. Durch ihren Umgang mit der seit dem letzten Herbst im Raum stehenden Vorwürfen habe die Präsidentin offengelegt, "dass sie nicht bereit sei, die Verfassung zu schützen". Neue Präsidentschaftswahlen müssen nun in spätestens 60 Tagen stattfinden. Südkorea habe bewiesen, "dass sein Rechtsstaat funktioniert", kommentiert Christoph Neidhart (Samstags-SZ) die Entscheidung. Die Amtsenthebung reiße den politischen Filz, der vom früheren Militärdiktator Park Chung Lee, dem Vater der nun amtsenthobenen Präsidentin, geschaffen wurde, auf.
Südafrika – Max Inzinger: Die WamS (Christian Putsch, Zusammenfassung) stellt den Fall des früheren Fernsehkochs Max Inzinger vor, der sich seit einem knappen Jahrzehnt in Südafrika gegen ein deutsches Auslieferungsersuchen wehrt. Beim Landgericht Kaiserslautern ist ein Hauptverfahren wegen Betruges in einem besonders schweren Fall gegen Inzinger anhängig.
Juristische Ausbildung
Jurastudium: Kurz vor dem ersten Staatsexamen gibt eine anonyme Jurastudentin spiegel.de (Nina Bärschneider) einen von Lerneifer, Wettbewerbsdenken und Konkurrenzdruck geprägten Einblick in das Jurastudium.
Sonstiges
Gefährder: Ausführliche Reportagen der Samstags-taz (Sabine am Orde/Konrad Litschko) und des Spiegel (Jörg Diehl u.a.) widmen sich dem oftmals rechtlich problematischen Umgang mit sogenannten islamischen Gefährdern. Das Bundeskriminalamt habe 602 Betroffene ermittelt. Bereits die Einstufung folge unklaren Kriterien. Der Nutzen der jüngst von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen, wie etwa Überwachung durch elektronische Fußfesseln oder erleichterte Verhängung von Abschiebehaft, sei fragwürdig, auch weil etwa eine Abschiebung bei drohender Folter im Herkunftsland nach wie vor der Verfassung widerspreche.
Rainer Wendt: Die "scheibchenweisen Details", die in der vergangenen Woche zu Tätigkeiten des DPolG-Chefs Rainer Wendt bekannt wurden, sind für Rechtsanwalt Robert Hotstegs auf lto.de erneut Anlass, sich vertieft mit den beamtenrechtlichen Konsequenzen auseinanderzusetzen.
Gewerkschaften: Erst ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1964 räumte Gewerkschaften die aktive Parteifähigkeit auch in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen ein. Das lto.de-Feuilleton (Martin Rath) erläutert die historischen Hintergründe und die vom Gericht angewandte Argumentation.
Das Letzte zum Schluss
Grillsport: Irgendwann werden auch wieder sommerliche Temperaturen zum Grillen an der freien Luft einladen. Wer mit diesem Hobby Steuern sparen will, kann allerdings nicht auf die Unterstützung des Finanzgerichts Baden-Württemberg zählen. In der jüngsten Grillsaison wurde dort entschieden, dass ein Verein, der sich der Förderung der "Nachwuchs- und Jugendarbeit im Grillsport" verschrieben hatte, die nach der Abgabenordnung grundsätzlich mögliche Privilegierung sportlicher Zwecke nicht für sich in Anspruch nehmen kann. Es berichtet der Kümmerlein-360-Grad-Blog (Matthias Gantenbrink).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. März 2017: Kein Recht auf Wahlkampf-Auftritt / Amtsmüder Fischer / Verfassungsgericht enthebt Präsidentin . In: Legal Tribune Online, 13.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22319/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag