Die juristische Presseschau vom 13. Februar 2019: Sepa­ra­tisten-Pro­zess beginnt in Madrid / Schuld­spruch gegen "El Chapo" / Neue Hand­haben gegen ex­tre­mis­ti­sche Beamte?

13.02.2019

In Madrid beginnt der Strafprozess gegen katalanische Separatisten. Außerdem in der Presseschau: ein US-Gericht verurteilt den Kartellchef "El Chapo" und das Bundesinnenministerium prüft die Rechtslage zu extremistischen Beamten. 

Thema des Tages

Spanien – Katalonien: Vor dem Obersten Gericht Spaniens hat der auf drei Monate angesetzte Strafprozess gegen zwölf katalanische Politiker begonnen. Den Angeklagten wird wegen der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums im Herbst 2017 u.a. eine Rebellion vorgeworfen. Die Verteidigung weist die Vorwürfe zurück und macht ihrerseits geltend, dass durch den Prozess die Befürworter einer katalanischen Unabhängigkeit eingeschüchtert werden sollen. Berichte, auch im Zusammenhang mit der aktuellen Situation der spanischen Innenpolitik, bringen u.a. SZ (Thomas Urban) und lto.de. Der Bericht von spiegel.de (Claus Hecking) geht auch auf die Aufregung über jüngst aufgedeckte Mauscheleien um den Vorsitzenden Richter Manuel Marchena ein, die auch Thema eines Porträts in der FAZ (Hans-Christian Rößler) sind. Dem Richter sollte offenbar der für Richterernennungen hochwichtige Posten des Vorsitzenden des "Generalrats der rechtsprechenden Gewalt" zuteilt werden. Nach Bekanntwerden des Vorhabens verzichtete Marchena auf das neue Amt.

In einem Kommentar prognostiziert Thomas Urban (SZ), dass der wie auch immer geartete Ausgang des Verfahrens das Problem katalanischer Unabhängigkeitsbestrebungen nicht lösen werde. Hier hätten Politiker sowohl in Madrid als auch Barcelona "schlicht versagt". Es bleibe zu hoffen, dass der König schließlich verurteilte Separatisten unter bestimmten Voraussetzungen begnadige, seine bisherigen "unklugen Reden" weckten aber keine großen Erwartungen in dieser Hinsicht.

Rechtspolitik

§ 219a StGB: Die in der Regierungskoalition ausgehandelte "kleine Reform" von § 219a Strafgesetzbuch (StGB) bezeichnet Rechtsprofessor Arthur Kreuzer im FAZ-Einspruch als "höchstwahrscheinlich verfassungswidrig". Der Umweg über eine zentrale Informationsstelle möge zwar den Koalitionsfrieden sichern. Die gefundene Lösung bestrafe aber bloße Sachinformationen von Ärzten und setze somit Strafrecht als das "schwerste Eingriffsinstrument des Staates" unverhältnismäßig ein.

Paritégesetz: In der Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit des brandenburgischen Paritégesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Landeswahlrecht diene "wie so oft" die "Beschwörung des Verfassungsrechts vor allem der Vermeidung von Politik", schreibt Rechtsprofessor Christoph Möllers in einem Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ. Vorzuziehen sei demgegenüber eine Verständigung über politische Repräsentation und deren erwünschte Form. Tatsächlich treffe das tradierte Wahlrecht einschließlich der grundgesetzlichen Formel von Abgeordneten als Vertretern des ganzen Volkes keine Aussage darüber, wie diese zu wählen seien. In Anbetracht des Gleichstellungsgebotes des Grundgesetzes wäre es "besser" gewesen, "die Debatte gleich auf die Ebene der Verfassungsänderung zu heben".

"Werkstattgespräch" zu Migrationsrecht: lto.de fasst die von der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer referierten Ergebnisse des sogenannten Werkstattgesprächs der CDU zur Migrationspolitik zusammen. Die Welt (Marcel Leubecher/Christoph B. Schiltz) untersucht die Vorschläge auch hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit.

EU-Wettbewerbsrecht: Das Hbl (Ruth Berschens u.a.) und die FAZ (Werner Mussler) berichten zum Vorschlag des französischen Wirtschafts- und Finanzministers, die bisher bei der EU-Kommission liegende Zuständigkeit für die Fusionskontrolle künftig dem EU-Ministerrat zu überantworten. Nach dem Bericht der SZ (Alexander Mühlauer) lässt sich die zurückhaltende Reaktion des deutschen Finanzministers Olaf Scholz (SPD) als symptomatisch für den aktuellen Stand der deutsch-französischen Beziehungen werten. In einem separaten Kommentar stellt Werner Mussler (FAZ) klar, dass der jetzige französische Vorschlag tatsächlich "einen uralten Streit" erneuere. Bereits vor 30 Jahren habe man im Nachbarland nicht akzeptieren wollen, "dass Wettbewerbsfragen von einer unabhängigen Behörde und nicht von der Politik entschieden werden".

"Daten-für-alle-Gesetz": Dem Hbl (Martin Greive/Dana Heide) liegt ein SPD-Positionspapier zu einem "Daten-für-alle-Gesetz" vor, nach dem Internetmonopolisten wie Google dazu verpflichtet werden sollen, die von ihnen gesammelten Daten mit Wettbewerbern zu teilen.

Wechselmodell: Vor der für heute geplanten Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags stellt die taz (Simone Schmollack) den Inhalt des dort diskutierten Wechselmodells bei der Umgangsregelung getrennt lebender Eltern und die hierzu vertretenen Positionen vor. In einem separaten Kommentar gibt Simone Schmollack (taz) zu bedenken, dass eine gesetzliche Regelanordnung der Vielfältigkeit von Trennungsszenarien nicht gerecht werde. Gerichte "sollten" daher "im Einzelfall entscheiden".

Kartellgeschädigte: In einem Gastbeitrag für den Recht-und-Steuern-Teil der FAZ fordern die Rechtsanwälte Andreas Lotze und Johannes Heyers gesetzgeberische Nachbesserungen zum Schutz von Kartellgeschädigten. Trotz der Umsetzung europäischer Vorgaben zum Schutz Kartellgeschädigter behinderten finanzielle Prozessrisiken die effektive Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

Justiz

EuGH  Urheberrecht: Aus Anlass der fortwährenden Gespräche zu einer Reform des EU-Urheberrechts gibt Willem Müller, Justitiar und Syndikus beim Bundesverband Musikindustrie e.V., im FAZ-Einspruch einen Überblick zu den beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren, die die Frage der rechtlichen Verantwortung bestimmter Internetplattformen für Urheberrechtsverletzungen behandeln.

BGH – Sexuelle Nötigung: In einer Kolumne für den FAZ-Einspruch weist Rechtsprofessorin Elisa Hoven auf eine in den nächsten Wochen anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit nach dem erst im November 2016 reformierten § 177 Strafgesetzbuch (StGB) hin. "Welchen Willen das Opfer in der Situation gebildet hat und ob dieser für andere "erkennbar" war", hänge nicht nur von "tatsächlichen Umständen ab, sondern auch von der fast schon philosophischen Frage nach den Voraussetzungen der Entscheidungsfreiheit". Die Neufassung der Strafnorm zur sexuellen Nötigung bewirke so "eine bedauerliche Rechtsunsicherheit".

OVG NRW  Religionsverfassungsrecht: Im FAZ-Einspruch weist der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) auf ein erneut an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster zurückverwiesenes Verfahren hin. In diesem streiten bereits seit 21 Jahren das Land und zwei islamische Dachverbände über deren Eigenschaft als Religionsgemeinschaft mit Lehrautorität. Für den jetzigen Lehrbeauftragten am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhruniversität Bochum stehen im Verfahren wegen der politischen Aktivitäten der Verbände nicht weniger als die Grundlagen des deutschen Religionsverfassungsrechts zur Disposition. Daher müsse "das letzte Wort in dieser Frage" auch das Bundesverfassungsgericht haben.

OLG Celle – Abu-Walaa: Im sogenannten Abu-Walaa-Prozess gegen mutmaßliche IS-Unterstützer vernahm das Oberlandesgericht Celle eine Gefängnisbekanntschaft des Angeklagten Hasan C. Der aus dem Rockermilieu stammende Zeuge habe erst nach einer über die Mittagspause währenden Beugehaft seine vorherigen Gedächtnislücken zu Mitteilungen des Angeklagten verloren, schreibt die FAZ (Reinhard Bingener). "Bahnbrechende Erkenntnisse" über die Arbeit des IS in Deutschland seien dabei nicht zutage getreten.

LG Duisburg – Loveparade: In einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch meldet Rechtsprofessor Henning Ernst Müller Zweifel an der Begründung der teilweisen Verfahrenseinstellung im Loveparade-Verfahren vor dem Landgericht Duisburg an. Formell sei fragwürdig, dass die Schöffen sich der Entscheidung der Berufsrichter ohne Kenntnis des schriftlichen Sachverständigengutachtens angeschlossen hätten. Inhaltlich müsse die bei der Entscheidung offenbar herrschende Vorstellung kritisiert werden, dass bei vielen Verursachern jeden nur eine geringe Schuld treffe. Auch die gerichtliche Annahme eines entfallenden öffentlichen Verfolgungsinteresses erscheine "unterkomplex" und wenig überzeugend.

StA Traunstein – AfD-Politiker: Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat mitgeteilt, kein Ermittlungsverfahren gegen den Landtagsabgeordneten Andreas Winhart (AfD) einzuleiten. Die bei einer Wahlkampfveranstaltung gefallenen Bemerkungen des Politikers über "Neger" und albanische Pflegekräfte erfüllten nach Einschätzung der oberbayerischen Anklagebehörde den Tatbestand der Volksverhetzung nicht, so lto.de (Maximilian Amos) in einer ausführlichen Darstellung der tatbestandlichen Voraussetzungen.

Versorgungswerk BW: Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg hat im Gegensatz zu allen anderen Versorgungswerken der Republik die vom Bundesgesetzgeber geschaffene Möglichkeit ungenutzt gelassen, die bisherige Altersgrenze aufzuheben. Damit drohe Anwälten, die über 45 Jahre alt sind und ins Ländle ziehen wollen, die Gefährdung ihrer Altersversorgung, erklärt Rechtsanwalt Martin W. Huff auf lto.de in einer vertieften Darstellung der Problematik.

Großkanzleien: Die "Grafik des Tages" im Hbl (Marius Preuß/André Schorn) stellt Statistiken zu Großkanzleien vor. Aus den Zahlen ergebe sich eine starke Konzentration auf dem Markt für Rechtsdienstleistungen. Gleichzeitig erwirtschafteten kleinere Kanzleien höhere Umsätze, gemessen an der Zahl der Berufsträger.

Recht in der Welt

USA – "El Chapo": Schuldig gesprochen in allen Anklagepunkten hat eine New Yorker Jury Joaquin Guzman, bekannt als "El Chapo". Die den Mexikaner erwartende Strafe werde im Juni verkündet, berichtet die SZ (Johanna Bruckner) und rekapituliert auch die außergewöhnlichen Begleitumstände des Prozesses. Der Bericht von spiegel.de (Marc Pitzke) macht geltend, dass weder die Verurteilung des Drogenhändlers noch die pathetischen Worte des Richters etwas am durch Angebot und Nachfrage regulierten Drogengeschäft ändern würden. So wie es der jahrzehntelange "War on Drugs" nicht vermocht habe, den Suchtmittelbedarf in den USA einzudämmen, sei auch eine Grenzmauer hierzu untauglich.

USA – Verfassungsgerichtsbarkeit: Über einen Vortrag des früheren Verfassungsrichters Dieter Grimm berichtet lto.de (Christian Rath). In Karlsruhe stellte Grimm eine in den USA aktive Denkschule vor, deren Ziel es sei, dem Obersten Gericht des Landes die Kompetenz zur "judicial review", der Prüfung der Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung, zu entziehen oder entscheidend einzuschränken. Die Verfassung solle nach dieser von Grimm kritisierten Ansicht "Sache des Volkes", konkret der repräsentativen Demokratie sein.

China/Kanada – Spionage: In einer Seite-Drei-Reportage schreibt die SZ (Christoph Giesen/Georg Mascolo) über zwei kanadische Staatsbürger, die seit Ende des vergangenen Jahres in der Volksrepublik China mutmaßlich als Revanche dafür festgehalten werden, dass gegen die Huwei-Managerin Meng Wanzhou in Kanada Hausarrest verhängt wurde. Den beiden Kanadiern werde eine Gefährdung der nationalen Sicherheit vorgeworfen.

Sonstiges

Beamte und Parteimitgliedschaft: Nach Bericht u.a. der FAZ (Helene Bubrowski u.a.) hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine Prüfung veranlasst, die klären soll, inwiefern sich eine Parteimitgliedschaft mit den Pflichten von Beamten verträgt. Hierdurch sollten Reaktionsmöglichkeiten entwickelt werden, wenn Hinweise vorliegen, dass sich Beamte in extremistischen Gruppierungen betätigten. Dies gelte nach den Worten des Ministers "ganz generell, für Rechts- wie für Linksradikale".

Reinhard Müller (FAZ) erinnert daran, dass "Sanktionen allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer erlaubten Partei" nicht zu einer freiheitlichen Gesellschaft passten, und fragt, ob der Minister denn Anlass für Zweifel daran hätte, dass die plurale Ordnung von den Staatsdienern "getragen und verteidigt" werde. Nach Heribert Prantl (SZ) gibt es "kein Grundrecht von Extremisten, den Staat auszuhöhlen". "Wer schweinische Plakate klebt und Hakenkreuz-Mails verschickt", könne kein Beamter sein.

Musterfeststellungsklage: Richter Benedikt Windau zieht im FAZ-Einspruch eine kritische Zwischenbilanz zu der am 1. November 2018 in Kraft getretenen Regelung der Musterfeststellungsklage. Bemerkenswert sei die mit vier äußerst geringe Zahl bislang erhobener Klagen. Unklarheiten bei der verjährungshemmenden Wirkung seien auch immer noch nicht ausgeräumt. So bleibe zu fragen, ob ein Zuwarten der auf EU-Ebene geplanten Verbandsklage oder die "Fortentwicklung der bestehenden Rechtsbehelfe vielleicht sinnvoller gewesen wäre, als ein komplett neues Instrument zu schaffen".

Privacy Shield: In ihrem zweiten Prüfbericht zum EU-USA-Privacy Shield ist die EU-Kommission am Ende des vergangenen Jahres zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vereinbarung auch weiterhin ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleiste. Forschungsreferent Jonas Botta (juwiss.de) hält diese Einschätzung für politisch motiviert. Datenschutzrechtlich vertretbar sei sie nicht. Solange europäische Bürger keinerlei Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber Zugriffen US-amerikanischer Sicherheitsbehörden besäßen, könne nicht von einem mit EU-Recht gleichwertigen Datenschutzniveau gesprochen werden.

Unterhaltsrecht/Alleinerziehende: Der SWR RadioReportRecht (Kerstin Anabah) befasst sich mit den Auswirkungen der vor zehn Jahren beschlossenen Reform des Unterhaltsrechts für Alleinerziehende.

Das Letzte zum Schluss

Gebrauchsanleitung: Auf den Diebstahl eines rund 400 Jahre alten Bonsai-Baumes im Wert von mehr als 80.000 Euro reagierten die betroffenen japanischen Züchter nach Meldung von spiegel.de pragmatisch: mit der auf Facebook geposteten Bitte um gute Pflege. Der Baum könne ohne Wasser keine Woche überleben.

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Februar 2019: Separatisten-Prozess beginnt in Madrid / Schuldspruch gegen "El Chapo" / Neue Handhaben gegen extremistische Beamte? . In: Legal Tribune Online, 13.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33823/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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