Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. Februar 2012: Freiheit im Netz – Mord am Flughafen – Manipulation in Tschechien

13.02.2012

Wenn es um die Regulierung des Internets geht, erlebt die Rechtspolitik immer wieder Überraschungen, wie jetzt beim großen Widerstand gegen das ACTA-Abkommen. Außerdem in der Presseschau das Frankfurter Urteil gegen den Islamisten Arid Uka, ein Straßburger Entscheid gegen die tschechische Justiz und warum das Existenzminimum nicht 35 000 Euro pro Monat beträgt.

ACTA: Am Wochenende haben Zehntausende gegen das ACTA-Abkommen demonstriert, das Mindeststandards für den Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen festschreiben will. Zuvor hatte die Bundesregierung die deutsche Unterzeichnung des Abkommens vorläufig ausgesetzt. Die Montags-taz (Christian Rath) schildert den Stand der ACTA-Umsetzung.

Rechtsprofessor Dirk Heckmann beschreibt auf lto.de, warum ACTA im deutschen Recht nichts ändern werde. Dennoch hält Heckmann die Proteste für gerechtfertigt. "Eine Politik, die sich einseitig um Durchsetzungsmechanismen kümmert, schaut an dem technischen und sozialen Wandel vorbei, den das Internet hervorruft." 

Auch Heribert Prantl (Montags-SZ) hält ACTA für einen "ziemlich unspektakulären völkerrechtlichen Vertrag". Die Proteste zielten gegen Vorschriften die in Deutschland längst Gesetz seien. "Auch dagegen kann man natürlich protestieren - aber diese Regeln waren und sind notwendig, weil sonst das Urheberrecht sein Recht verliert", so Prantl.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Mediationsgesetz: Der Bundesrat hat in diesem Gesetzgebungsverfahren am Freitag den Vermittlungsausschuss angerufen. Das berichtet die Samstags-FAZ (Reinhard Müller). Hauptgrund sei der Wegfall der gerichtsinternen Mediation. Der im Gesetz vorgesehene Güterichter sei allerdings fast dasselbe.

Arzthaftung: Die CDU/CSU will das von der Bundesregierung geplante Patientenrechtegesetz nachbessern, meldet die Samstags-SZ (Guido Bohsem). Ein Entschädigungsfonds soll den Opfern von Kunstfehlern in Notfällen unbürokratisch und schon vor einer oft langwierigen gerichtlichen Entscheidung helfen. 

KapMuG: Der Anwalt Rüdiger Schmidt-Bendun analysiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. Das zunächst befristete Gesetz solle entfristet werden. Außerdem soll die Möglichkeit, Vergleiche zu schließen, erleichtert werden. 

Weitere Themen - Justiz

Islamistischer Mord: Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main verurteilte am Freitag den Islamisten Arid Uka zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes. Uka hatte im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen.  Das Gericht stellte eine besondere Schwere der Schuld fest, so die Samstags-FAZ (Helmut Schwan).

Ghettorenten: Das Bundessozialgericht hat letzte Woche in zwei Urteilen entschieden, dass die Rentenversicherung rechtswidrig verweigerte Ghettorenten nur vier Jahre rückwirkend zahlen müssen. Hintergrund und Folgen stellt die Samstags-taz (Christian Rath) dar.

Kunduz-Bomben: In einer Kurzmeldung teilt die Samstags-SZ mit, dass das Verwaltungsgericht Köln die Klage eines afghanischen Tanklastwagenfahres gegen Deutschland abgelehnt hat. Der Mann wollte feststellen lassen, dass das von einem Bundeswehr-Oberst angeordnete Bombardement gegen zwei entführte Tanklaster rechtswidrig war. Das Gericht verneinte jedoch das Feststellungsinteresse. 

Professoren-Besoldung: Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die so genannte W-Besoldung für Hochschulprofessoren gegen das Grundgesetz verstößt. In einem Vorbericht schildert Der Spiegel (Matthias Bartsch/Jan Friedmann) das Verfahren. 

Plakatsammlung: Am 16. März will der Bundesgerichtshof über die von den Nazis geraubte Plakatsammlung des jüdischen Arztes Hans Sachs entscheiden. Die SZ (Helmut Kerscher) und lto.de gehen tendenziell von einem Rückgabeanspruch des Sohnes von Hans Sachs aus, obwohl jener in den 60er-Jahren eine Entschädigung erhalten habe.

Keine Wulff-Ermittlungen: Der Spiegel (Michael Fröhlingsdorf u.a.) beschreibt, warum sich die Staatsanwaltschaft Hannover so schwer tut, ein Ermittlungsverfahren gegen Bundespräsident Wulff wegen Vorteilsnahme einzuleiten. "Beantragen sie die Aufhebung der Immunität, finden bei ihren Ermittlungen aber keine relevanten Beweise, haben sie womöglich Wulffs Karriere ruiniert, und das Amt des Bundespräsidenten desavouiert."

Kino-to: Der law-blog (Udo Vetter) diskutiert die Frage, ob sich Premium-Kunden der polizeilich geschlossenen Film-Tauschbörse kino.to strafbar gemacht haben und deshalb nun mit Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchungen zu rechnen haben. Vetter hält dies für eher unwahrscheinlich. 

Wirtschaftskriminalität: Im Interview mit lto.de (Andreas Schmitt) erläutert der Richter Dieter Temming seine These, dass Wirtschaftskriminelle zu milde Strafen erhielten. Nur ein Prozent aller Steuerhinterzieher müssten für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis.

BGH: Im Streit um die ordnungsgemäße Übergangsbesetzung des Vorsitzes am 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs hat nun erstmals BGH-Präsident Kaus Tolksdorf Stellung genommen. Er habe Richterkollegen nicht inquisitionsartig verhört. Die Hintergründe des Streits schildert die Samstags-FAZ (Joachim Jahn).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Rückgabe in Tschechien: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Tschechische Republik zu 10 000 Euro Schadensersatz verurteilt, weil Politiker Einfluss auf Gerichtsverfahren genommen hatten.  Dabei ging es um das 1945 konfiszierte Vermögen des Fürsten Kinskij, das der Staat auch heute noch nicht herausgeben will. Auch das Straßburger Urteile ordnete keine Herausgabe an, erklärt die Samstags-FAZ (Klaus-Peter Schwarz)

Das Letzte zum Schluss

Armer Manager: Das Kölner Oberlandesgericht lehnte einen Antrag des Ex-Managers Thomas Middelhoff (Arcandor) auf Freigabe seiner eingefrorenen Bankguthaben ab. Er hatte geltend gemacht, dass bei zwei Immobilien in Bielefeld und St. Tropez Personalkosten von rund 35.000 Euro monatlich anfielen. Ohne Zugang zu den Konten sei sein Existenzminimum bedroht. Das Gericht riet Middelhoff, er könne ja auch seine Kosten reduzieren, was durchaus zumutbar sei, so die Montags-SZ (Hans-Jürgen Jakopbs) und spiegel.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. Februar 2012: Freiheit im Netz – Mord am Flughafen – Manipulation in Tschechien . In: Legal Tribune Online, 13.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5554/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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