Die juristische Presseschau vom 13. Januar 2015: Endspiel im EZB-Streit – Gesetze gegen Terrorismus – Meinungsfreiheit und Provokation

13.01.2015

Vor dem EuGH geht die Auseinandersetzung um die Kompetenzen der EZB in die entscheidende Runde. Außerdem in der Presseschau: neue Gesetze gegen Terrorismus, Rekord bei Selbstanzeigen, Christoph Degenhart zur Meinungsfreiheit und die Polizei als Freund, Helfer und vielleicht auch Anstifter.

Thema des Tages

EuGH – EZB: Vor dem Europäischen Gerichtshof wird am Mittwoch mit den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalon die Auseinandersetzung um die Kompetenzen der Europäischen Zentralbank ein vorläufiges Ende finden. In den Anträgen und dem für den Sommer erwarteten Urteil wird auf Vorlage des Bundesverfassungsgerichts entschieden, ob die von EZB-Chef Mario Draghi im Juli 2012 unternommene Ankündigung, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen, das Mandat der Zentralbank überschritten hat.

Der Bericht der Berliner Zeitung (Markus Sievers/Christian Bommarius) interpretiert den Rechtsstreit als Streit über angemessene Geldpolitik zwischen Draghi und dem Präsidenten der Bundesbank Jens Weidmann. Auf zeit.de (Carla Neuhaus/Rolf Obertreis) prognostizieren Experten eine Entscheidung im Sinne der EZB. Dies entspreche der Eigenschaft des EuGH als "Treiber der europäischen Integration". Allerdings stehe das Gericht auch vor der Aufgabe, dem BVerfG eine Gesichtswahrung zu ermöglichen.

Über verfassungsrechtliche Kritik an der aktuellen Tätigkeit der EZB berichtet die Welt (Sebastian Jost). So sei der Rechtsprofessor Dietrich Murswiek in einem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zentralbank mit ihrem vor einem halben Jahr gestarteten Aufkaufprogramm für bestimmte Kreditpakete, sogenannte "Asset-Backed Securities", die Grenzen ihres Mandats überschritten habe. Sie betreibe hierdurch "evident" Währungspolitik und nicht, wie behauptet, Deflationsprävention, so der Verfassungsrechtler.

Rechtspolitik

Terrorismus: Die SZ (Heribert Prantl) gibt einen Überblick zu Anti-Terror-Regelungen, die in zwei Wochen vom Bundeskabinett verabschiedet werden sollen. So werden etwa Personalausweis-Entzug und der neue § 89 c des Strafgesetzbuches, der die Finanzierung terroristischer Aktivitäten auch durch Kleinstbeträge bestrafen soll, vorgestellt. Die bereits aus dem vergangenen Herbst stammenden Vorschläge stellten sich im Vergleich zu jenen Neuregelungen nach den Anschlägen des 11. September 2001 nicht als "neues Anti-Terror-Gesetzespaket" oder "Päckchen" dar, sie seien vielmehr mit einem "dicken Brief" vergleichbar.

Auf europäischer Ebene wird derweil nach Bericht der taz (Christian Rath) die Einführung einer Fluggastdatenspeicherung erwogen. Das Vorhaben dürfte rechtswidrig sein, nachdem der Europäische Gerichtshof eine Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten als unverhältnismäßig bezeichnete. An die Entscheidung erinnert auch eine von lawblog.de (Udo Vetter) wiedergegebene Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins. Gerade nach den Anschlägen von Paris müssten Bürger- und Freiheitsrechte aktiv verteidigt werden.

Reinhard Müller (FAZ) begrüßt dagegen im Leitartikel der Zeitung die teilweise auf einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates zurückgehenden Neuerungen in Deutschland als "folgerichtig". Auch die Vorratsdatenspeicherung könne "durchaus grundrechtskonform gestaltet werden". Wer in diesem Mittel im Kampf gegen schwere Kriminalität eine Totalüberwachung erkenne, mache "Propaganda im Sinne der Feinde einer offenen Gesellschaft". Hier sei eine "Gegenpropaganda" vonnöten.

Gotteslästerung: Über die Forderung des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner nach einer ersatzlosen Streichung des § 166 Strafgesetzbuch schreibt die Welt (Thorsten Jungholt).

In einem Kommentar kritisiert Daniel Deckers (FAZ) den Vorschlag mit einem Hinweis auf den Schutzzweck der Norm. Mitnichten sei dieser in einem Schutz des Bekenntnisses "an sich" zu finden, vielmehr in jenem des öffentlichen Friedens. Bei "gezielten Provokationen von Muslimen" sei dieser nicht nur abstrakt gefährdet.

Erbschaftsteuer: Die FAZ (Manfred Schäfers) schreibt zu Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur Umsetzung des Erbschaftsteuer-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Ohne konkrete Beschlüsse sei bereits jetzt klar, dass die bis zum Urteil herrschende Freistellung von Kleinbetrieben beim Nachweis der Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern fallen werde.

PKW-Maut: Auch die Welt (Matthias Kamann) berichtet nun über das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur – verneinten – Vereinbarkeit der geplanten PKW-Maut mit europäischem Recht. Angesichts der "vorhersehbaren Meinungsvielfalt bei Juristen" sei es erstaunlich, dass sich das von Alexander Dobrindt (CSU) geleitete Bundesverkehrsministerium bei seiner Annahme einer europarechtlichen Konformität des Vorhabens nur auf ein von Rechtsprofessor Christian Hillgruber erstelltes Gutachten stütze.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Januar 2015: Endspiel im EZB-Streit – Gesetze gegen Terrorismus – Meinungsfreiheit und Provokation . In: Legal Tribune Online, 13.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14340/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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