Die juristische Presseschau vom 12. September 2017: Anklage gegen Auf­klärung? / Nach­sich­tige StA / Repa­ra­tionen an Polen?

12.09.2017

Justiz

EuGH zu Elterndiskriminierung: Die auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Berlin in der letzten Woche ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Unvereinbarkeit des Berliner Beamtenrechts mit der EU-Richtlinie über Erziehungsurlaub findet die Zustimmung von Rechtsprofessorin Nicole Wolf auf lto.de. Der Beitrag stellt den zugrunde liegenden Fall und die rechtliche Problematik vertieft dar und begrüßt, dass deutsche Gerichte die nun vom EuGH deutlich gemachten europarechtlichen Vorgaben mit der erforderlichen Klarheit durchsetzen könnten.

EuG – Google: Das Gericht der Europäischen Union hat den Eingang einer Beschwerde des Internetkonzerns Google gegen die von der EU-Kommission verhängte Kartellbuße von knapp 2,5 Milliarden Euro bestätigt. Der Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu, erläutert die FAZ (Werner Mussler). Vor einer endgültigen Entscheidung dürften Jahre vergehen.

BVerfG – EZB-Anleihekäufe: In einem Beitrag für verfassungsblog.de kritisiert Heiner Flassbeck den Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts zu Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank zum Europäischen Gerichtshof. Nach Einschätzung des Wirtschaftsprofessors offenbart das Verfassungsgericht eine erschreckende Unkenntnis aktueller Volkswirtschaftslehre, die entsprechenden Ausführungen des Gerichts seien "kompletter Unsinn".

BGH zu Schmerzensgeldanspruch: Staatliche Inanspruchnahme etwa durch eine irrtümliche Festnahme kann ab sofort neben Entschädigungsansprüchen auch ein Schmerzensgeld begründen. Dies entschied in der vergangenen Woche der Bundesgerichtshof in einem nun bekanntgegebenen Urteil. lto.de stellt ausführlich Fall, Problematik und den mutmaßlichen Grund für diese Änderung der Rechtsprechung dar.

LG Freiburg – Fall Maria L.: Das Verfahren zur Tötung der Studentin Maria L. wurde am Landgericht Freiburg mit der Einlassung des Angeklagten Hussein K. fortgesetzt. Neben einer an die Familie der Geschädigten gerichteten Entschuldigungsbitte habe der Angeklagte auch die Tat beschrieben, hierbei aber auch immer wieder auf erheblichen Alkohol- und Haschischkonsum abgestellt, schreibt die FAZ (Rüdiger Soldt, erweiterte Online-Version). Die SZ (Josef Kelnberger) berichtet ebenfalls.

LG Köln – Milli Görüs: Ab dem kommenden Montag müssen sich zwei frühere hochrangige Funktionäre der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs vor dem Landgericht Köln wegen Steuerhinterziehung und Betrug verantworten. Die taz (Daniel Bax) stellt die Vorwürfe vor.

FG Münster zu Festverzinsung von Steuernachzahlungen: Im August wies das Finanzgericht Münster eine Klage von Steuerpflichtigen ab, die geltend gemacht hatten, dass der feste Zinssatz für Steuernachzahlungen wegen Realitätsferne verfassungswidrig sei. Rechtsanwalt Christian Beckmann zweifelt auf lto.de, dass angesichts der bereits länger anhaltenden Niedrigzinsphase eine Rechtsprechung, welche die seit Jahrzehnten geltenden sechs Prozent als realitätsnah bezeichnet hatte, noch haltbar sei. Den Revisionsführern in diesem und vergleichbaren Verfahren sei in jedem Fall Erfolg zu wünschen.

StA Berlin – Renate Künast: Die Einstellungsverfügung der Berliner Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer mutmaßlichen Beleidigung der Bundestagsabgeordneten Renate Künast (Grüne) auf Facebook ist von der Betroffenen kritisiert worden. Die Anklagebehörde habe den Fall "offensichtlich falsch bewertet", so Künast gegenüber der SZ (Heribert Prantl). Diese Einschätzung teilt Heribert Prantl (SZ) in einem separaten Kommentar. Politiker seien "nicht die Hausschweine der Demokratie, denen man jeden Dreck in den Kübel schütten kann". Der Satz "man sollte dich köpfen" könne auch durch einen "politischen Verwendungskontext" nicht zu einer zulässigen Meinungsäußerung geadelt werden. Der Verdacht liege nahe, dass die Staatsanwaltschaft hier einfach zu faul sei, "sich gegen eine Flut von Bösartigkeit, Gemeinheit und Dreck zu stellen".

Richter Maier: Die taz (Christian Jakob) porträtiert Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden, der auf Platz 2 der sächsischen Landesliste der AfD mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglied des nächsten Bundestages sein wird. Nach öffentlichem Unmut über eine zuungunsten eines NPD-kritischen Politologen ergangene Entscheidung ist Maier an seinem Gericht die Zuständigkeit für Medien- und Ehrschutzsachen entzogen worden, seitdem habe sich der Richter mit öffentlichen Äußerungen im Sinne des radikalen Parteiflügels hervorgetan.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. September 2017: Anklage gegen Aufklärung? / Nachsichtige StA / Reparationen an Polen? . In: Legal Tribune Online, 12.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24391/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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