Einschränkungen durch den Glücksspielstaatsvertrag sind verfassungsgemäß, entscheidet das BVerfG. Außerdem in der Presseschau: breites Bündnis gegen NetzDG, US-amerikanischer Luftangriff und Völkerrecht und eine saftige Steuernachzahlung.
Thema des Tages
BVerfG zu Spielhallen: Im Jahr 2012 einigten sich die Bundesländer auf strengere Regeln bei der Genehmigung und für den Betrieb von Spielhallen. Die landesrechtlichen Änderungen und jene des Glücksspielstaatsvertrages, etwa zu einem Mindestabstand verschiedener Einrichtungen oder einer Höchstanzahl an zulässigen Automaten in einer Spielhalle, sind verfassungsgemäß. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem nun veröffentlichten Beschluss aus der vergangenen Woche. Zwar wirkten sich die Einschränkungen negativ auf die Rentabilität der Spielhallen aus. Der Eingriff sei jedoch verhältnismäßig, weil hierdurch auch Gefahren der Spielsucht begegnet werde. Über die Entscheidung berichtet die taz (Christian Rath).
Rechtspolitik
NetzDG: Eine Allianz für Meinungsfreiheit, bestehend aus Bürgerrechtlern, Juristen, Journalisten-Verbänden und anderen Organisationen und Einzelpersonen hat sich in einer Erklärung gegen das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgesprochen. Hauptkritikpunkt ist die im Entwurf enthaltene "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung", schreibt zeit.de (Patrick Beuth). Die Entscheidung darüber, welche Inhalte rechtswidrig und damit löschungsbedürftig seien, bliebe den Betreibern der sozialen Netzwerke überlassen. Dieses Procedere gefährde aber das "kostbare Gut" der Meinungsfreiheit. Zur Bekämpfung von Hassreden und "fake news" sei eine "gesamtgesellschaftliche Lösung" mit wissenschaftlicher Durchdringung der Phänomene und der Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften nötig.
Insolvenzanfechtung: In der vergangenen Woche ist die bereits seit langem geplante Reform der Insolvenzanfechtung in Kraft getreten. In einem ausführlichen Beitrag, der auch auf den Gesetzgebungsprozess eingeht, zieht Rechtsanwalt Johannes Landry auf lto.de eine gemischte Bilanz der Neuregelung. Zwar existierten "graduelle Verbesserungen", etwa durch die Änderung der Verzinsungsregeln für Anfechtungsansprüche. Gleichzeitig sei aber fraglich, ob die nun erfolgte Verkürzung der Anfechtungsfrist tatsächlich praktische Relevanz besitze.
Parteienfinanzierung: Die Gesetzesvorhaben zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von staatlicher Finanzierung unterzieht nun auch Habilitand Sebastian Roßner auf lto.de einer vertieften, kritischen Würdigung. Zwar sei das Anliegen des Vorhabens verständlich. Gleichzeitig sei es aber besser, den Widerspruch einer staatlichen Finanzierung derartiger Parteien hinzunehmen, "als mit dem Finanzierungsentzug einen neuen und schärferen Widerspruch zu schaffen".
Cyber-Sicherheit: Die SZ (Ronen Steinke) schreibt über die stetig wachsende Bedeutung von IT-Spezialisten für Institutionen der äußeren und inneren Sicherheit. Im Unterschied zu herkömmlichen Bedrohungen ließe sich die Herkunft von Cyber-Attacken selten örtlich lokalisieren. Damit würde aber auch unklar, "welche staatliche Stelle für die Abwehr zuständig ist". Die Trennung zwischen Behörden, die aus gutem Grund unterschiedliche Aufträge und Befugnisse haben, verwische damit zusehends.
ICT-Richtlinie: In einem Gastbeitrag für den Wirtschafts-Teil der FAZ stellt Rechtsanwalt Sebastian Klaus die neue Intra-Corporate-Transfer-Richtlinie als einen "Meilenstein der Erwerbsmigration in der EU" vor. Die Richtlinie enthalte neue Konzepte für die Fachkräftezuwanderung in die EU, der Entwurf eines Umsetzungsgesetzes ist von der Bundesregierung im Januar vorgelegt worden.
Justiz
BGH zu anwaltlicher Beihilfe: Für die Verurteilung wegen Beihilfe durch berufstypische, neutrale Handlungen ist es erforderlich, dass der Betreffende positive Kenntnis seines Beitrags zu einer Straftat besitzt. Unter Anwendung dieses Grundsatzes hob der Bundesgerichtshof mit einem vom verkehrsrechts-Blog (Alexander Gratz) mitgeteilten Beschluss von Ende Januar die Verurteilung eines Anwalts auf, der gegenüber Versicherungen Schadensersatz aus provozierten Verkehrsunfällen seiner Mandantschaft geltend gemacht hatte.
LG Dortmund – Kunstfehler: Die Zeit (Moritz Aisslinger) stellt einen am Landgericht Dortmund anhängigen Rechtsstreit zu einem möglichen Kunstfehler vor. Die Witwe eines im Nachgang einer Mandeloperation Verstorbenen fordert von den Operateuren ihres Mannes Schadensersatz. Sachverständige hätten zwar Ungereimtheiten der Behandlung festgestellt, diese aber als nicht völlig unverständlich bezeichnet.
LG Ellwangen zu Pflasterstein: Wegen vierfachen Mordversuchs hat das Landgericht Ellwangen einen Mann, der einen Pflasterstein von einer Brücke auf die Autobahn A7 geworfen hatte, zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt und gleichzeitig die Unterbringung in einer geschlossenen Klinik angeordnet. sz.de berichtet.
VG Freiburg – Rundfunkbeitrag: Vor den für den heutigen Mittwoch angesetzten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Freiburg zu vier Klagen gegen den Rundfunkbeitrag stellt die BadZ (Christian Rath) unter Verweis auf Leitentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts die geringen Erfolgsaussichten dar. Die gegenwärtig beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen den Beitrag würden wohl erst im kommenden Jahr entschieden. In Karlsruhe habe man sich aber immer verständnisvoll gegenüber den Belangen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gezeigt.
AG Berlin-Mitte zu Facebook: Nach einem nun bekannt gewordenen Versäumnisurteil, das vor einem Monat erging, hat das Amtsgericht Berlin-Mitte entschieden, dass die in Zustellung einer in deutscher Sprache verfassten Klageschrift an den Facebook-Sitz in Irland zulässig ist. Das Unternehmen könne sich nicht auf die europäische Zustellungsverordnung berufen, denn es sei davon auszugehen, dass Mitarbeiter vorhanden seien, die sich in deutscher Sprache um Kundenbelange kümmern könnten. Die Rechtsanwälte Michael Terhaag und Christian Schwarz (aufrecht.de) begrüßen die Entscheidung, weil hierdurch die Rechtsdurchsetzung gegenüber Facebook erleichtert werden könnte.
AG Berlin-Tiergarten zu Facebook-Hetze: Wegen öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat und Beleidigung hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen Mann zu 160 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Der Verurteilte hatte die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) in einem Facebook-Post unter anderem als "grünfaschistische Sau" bezeichnet, schreibt die taz (Klara Weidemann).
Sicherheitskonzept: Ein neues Sicherheitskonzept in Hamburg sieht vor, dass alle Straf- und Zivilgerichte der Freien und Hansestadt künftig nur noch durch einen Eingang zugänglich sein sollen. An diesem sollen private Sicherheitsdienste Einlasskontrollen vornehmen. Die taz-Nord (Kai von Appen) berichtet. In einem separaten Kommentar moniert Kai von Appen (taz-Nord), dass die Maßnahmen "pure Abschreckung" seien und der von Justizsenator Till Steffen (Grünen) propagierten Transparenz und Offenheit zuwiderliefen.
Recht in der Welt
Ungarn – Flüchtlinge: In einem Kommentar begrüßt Heribert Prantl (SZ) den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügten faktischen Abschiebestopp nach Ungarn. Darüber hinaus müsse die EU, deren Regeln im Umgang mit Flüchtlingen "so verhöhnt werden", gegenüber dem Land "ihre Sanktionsinstrumente auspacken und anwenden".
Polen – Smolensk: Vor einem Warschauer Gericht müssen sich hohe polnische Beamte und Diplomaten wegen angeblicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz von Smolensk im Jahr 2010 verantworten. Das von Angehörigen der Absturzopfer angestrengte Verfahren entspreche der von der Regierungspartei PiS vertretenen Auffassung, die Umstände des Absturzes seien nach wie vor nicht hinreichend geklärt, schreibt die Welt (Gerhard Gnauck). Hiermit solle auch EU-Ratspräsident Donald Tusk, der 2010 als polnischer Ministerpräsident amtierte, beschädigt werden.
Vereinigtes Königreich – Behandlungsstopp: Nach Meldung von spiegel.de hat ein britisches Gericht einen Behandlungsstopp für einen todkranken Säugling angeordnet. Es folgte damit einem Antrag der behandelnden Ärzte. Die Eltern des Kindes wollten dagegen die weitere Behandlung erreichen.
Türkei – Journalisten: In einer Anklageschrift fordert die Istanbuler Staatsanwaltschaft jeweils drei Mal lebenslängliche Haftstrafen für 30 Mitarbeiter einer mittlerweile eingestellten türkischen Tageszeitung. Die Anklage müsse nun noch von einem Gericht angenommen werden, erläutert die SZ (Luisa Seeling). Den Betroffenen würden Umsturzpläne und die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
Sonstiges
Völkerrecht: Die Zeit (Jochen Bittner) legt dar, dass der US-amerikanische Luftangriff auf Stellungen der syrischen Armee eine vorherige Beratung des UN-Sicherheitsrates darüber erfordert hätte, ob die von ihm 2013 definierten Voraussetzungen vorlagen. Auch Stefan Ulrich (SZ) bezeichnet die Aktion im Leitartikel der Zeitung als "Bruch des Völkerrechts". Indem auch die deutsche Regierung, "die früher gern als Vorkämpferin des Völkerrechts auftrat", dennoch Verständnis äußere, trage sie zum "Untergang" des "nonchalant missachteten" Völkerrechts bei. Christian Bommarius (BerlZ) kommentiert, dass die ausschlaggebende Instanz für die Entscheidung zum Luftangriff "allein der Bauch des US-Präsidenten" sei. Es sei "eine fürchterliche Ironie", dass "ein ausgewiesener Verächter des Völkerrechts" wie der russische Präsident Putin, nicht aber europäische Regierungen den Völkerrechtsbruch beim Namen nennen.
Luftqualität: Rechtsanwalt Ulf Weigelt erklärt auf zeit.de, dass Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht dazu verpflichtet sind, für eine angemessene Luftqualität in Büros Sorge zu tragen.
Das Letzte zum Schluss
Steuernachzahlung: Steuernachzahlungen verheißen selten Gutes, die Stadt Neuss als Empfängerin von 152 Millionen Euro sieht das aber sicherlich anders. Laut spiegel.de rätselte man dort einige Tage lang zunächst, von wem das Geld stammte. Nachdem sich jetzt ein Pharmakonzern zu erkennen gab und erklärte, Gewerbesteuer nachgezahlt zu haben, wird nun die Rechtmäßigkeit der Zahlung geprüft.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. April 2017: Spielhallen-Einschränkungen / Allianz gegen NetzDG / Luftangriff und Völkerrecht . In: Legal Tribune Online, 12.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22630/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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