Nach der Klage der Drogeriekette Rossmann befasst sich die Tagespresse intensiv mit der Problematik der neuen Rundfunkbeiträge. Außerdem in der Presseschau: Reformen im europäischen Asylrecht, vorläufige Einschätzungen der Staatsanwaltschaft im Organspendeskandal, und wie die Auseinandersetzung zwischen Kirche und dem Kriminologen Christian Pfeiffer weitergeht.
Klage gegen neuen Rundfunkbeitrag: Nunmehr berichtet auch die SZ (Caspar Busse und Claudia Tieschky) über die juristischen Schritte großer Handelsunternehmen gegen den neuen Rundfunkbeitrag. Nachdem die Drogeriekette Rossmann in Bayern Popularklage erhoben hat, prüften auch andere Unternehmen Klagen gegen den Beitrag. Anlässlich der Klage porträtiert das Handelsblatt (Kristen Ludowig) den Unternehmer Dirk Rossmann: wenn dieser klage, gehe es ihm weniger um Geld als um Gerechtigkeit.
Claudia Tieschky (SZ) hält die Klagen für notwendig, da auf diese Weise auch die vielen privaten Härtefälle des "mit heißer Nadel gestrickten" Rundfunkgesetzes gerichtlich geprüft würden. Etwa bei Behinderten oder weniger Begüterten.
Aus Anlass des neuen Rundfunkbeitrags führt die FAZ (Reinhard Müller) ein Interview mit dem ehemaligen Verfassungsrichter und Staatsrechtslehrer Dieter Grimm über die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
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Europäisches Asylrecht: Die SZ (Heribert Prantl) berichtet vom Stand der Verhandlungen über die neugefasste Dublin-Verordnung (Dublin III) und eine neue Aufnahmerichtlinie als Teil eines neuen europäischen Asylrechts. Neu sei bei der Dublin III-Verordnung etwa, dass Flüchtlingen gegen die Abschiebung in einen Drittstaat nun der Rechtsweg offen steht, was eine Änderung des deutschen Asylrechts erfordere. Nach dem Entwurf der Aufnahmerichtlinie, die eine angemessene Unterbringung und medizinische Versorgung sicherstellen soll, sei bei Gefahr des Untertauchens oder zum Schutz der nationalen Sicherheit und Ordnung auch eine Unterbringung von Flüchtlingen im Gefängnis möglich.
Heribert Prantl (SZ) befindet, die Verhandlungen über das neue EU-Asylrecht verkämen zu einer "Addition der Schäbigkeiten". Gemeinsam an dem gemeinsamen EU-Asylrecht sei anscheinend nur das Bemühen, Flüchtlinge möglichst schnell wieder loszuwerden.
Mietrechtsreform: In einem Gastbeitrag für die SZ zur Mietrechtsreform übt der Zivilrechtsprofessor Markus Artz, der auch als Sachverständiger an der Anhörung im Rechtsausschuss teilnahm, heftige Kritik an den Gesetzesänderungen. So sei der dreimonatige Ausschluss von Mietminderungen bei energetischen Sanierungen ein "vollkommen fremder Eingriff in die Systematik des Mietrechts". Dem Phänomen, "besser Phantom", des Mietnomadentums werde mit einem völlig unpraktischen Forderungssicherungsverfahren begegnet. Wirkliche Probleme des Mietrechts seien hingegen nicht angegangen worden.
Finanzmarktregulierung: Die FAZ (Manfred Schäfers) beschäftigt sich mit verschiedenen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Finanzmarktregulierung. Etwa berate der Bundestag über einen Gesetzentwurf, um den als gefährlich geltenden Hochfrequenzhandel mit Hilfe ausgetüftelter Computerprogramm schärfer kontrollieren zu können. Zudem solle auf europäischer Ebene das Gesetzgebungsverfahren für eine gemeinsame Bankenaufsicht zügig abgeschlossen werden.
Steuerabkommen mit der Schweiz: Nach einem Bericht des Handelsblatts (Holger Alich) begrüßt der Großteil der Schweizer Banken ausweislich einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young das Scheitern des Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz. Grund sei, dass nun Umsetzungskosten wegfielen und der sofortige Abfluss von Kundengeldern ausbleibe.
NPD-Verbotsverfahren: In einem Kommentar wirft Steffen Hebestreit (FR) Politikern wie der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und dem Bundestagspräsidenten Lammert vor, mit ihren Zweifeln an den Erfolgsaussichten des Verbotsantrags die Gefahr eines Scheiterns vor dem Bundesverfassungsgericht mutwillig zu erhöhen.
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BGH zu besonderer Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung: Nach einem Urteil des BGH kann bei einem Verurteilten nicht gleichzeitig die besondere Schwere der Schuld festgestellt und zusätzlich Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Wie lawblog.de (Udo Vetter) erläutert, müsse nach Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bei einer Entlassung besonders sorgfältig geprüft werden, dass der Betreffende keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. In diesem Fall komme aber eine weitere Sicherungsverwahrung nicht mehr in Betracht.
LAG Berlin-Brandenburg zur Übernahme von Leiharbeitern: Die FAZ (Corinna Budras) bespricht eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, wonach Unternehmen, die dauerhaft Leiharbeitnehmer beschäftigen, diese gegebenenfalls nach einem längeren Einsatz übernehmen müssen. Grund für die Auseinandersetzung seien Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), wonach laut Paragraph 1 die "Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt". Welcher Zeitraum als vorübergehend anzusehen ist, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Auch eine andere Kammer des LAG Berlin-Brandenburg habe im Oktober noch eine gegenteilige Auffassung vertreten.
LAG Düsseldorf – Schmerzensgeld wegen Mobbing: spiegel.de befasst sich mit einem Fall vor dem LAG Nordrhein-Westfalen, in der eine Rechnungsprüferin, die bei der Stadt Solingen beschäftigt war, wegen Mobbing knapp 900.000 Euro Schmerzensgeld fordert. Die Beträge von 2.000 bis 5.000 Euro, die Mobbing-Opfern in Deutschland bisher zugesprochen wurden, seien laut Anwalt der Klägerin willkürliche Beträge und stellten keine abschreckende Wirkung für Unternehmen dar.
OLG Stuttgart zu Yosif-Gruppe: Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat die Übernahme des Verfahrens gegen die sogenannte Yosif-Gruppe abgelehnt, weil es nicht zuständig sei. Nach Einschätzung des SWR-Terrorismus-Blogs (Holger Schmidt) sei die Entscheidung des OLG ein "schaurig-schönes Beispiel" für sehr heftige juristische Kritik.
SG Berlin: Auch sieben Jahre nach der Einführung von Hartz IV ist die Klageflut an Deutschlands größtem Sozialgericht (SG) in Berlin nach Berichten der taz (Martin Rank) ungebrochen. Insgesamt seien im vergangenen Jahr 44.301 neue Klagen eingegangen – also etwa eine alle zwölf Minuten.
Nach einem Bericht der SZ (Thomas Öchsner) seien unter den Fällen bei SG Berlin auch mehr und mehr Klagen gegen Arbeitgeber, die versuchten, mit bemerkenswerter Kreativität an der sozialen Absicherung ihrer Arbeitnehmer zu sparen. "Erhebliche Teil des Arbeitsmarkts werden bewusst an der Sozialversicherung vorbei organisiert", kritisiere Sabine Schudoma, Präsidentin des SG Berlin.
LG München – Rückfall mit Fußfessel: Anlässlich des seit Mittwoch vor dem Landgericht (LG) München verhandelten Fall, in dem ein Mann trotz elektronischer Fußfessel ein Kind sexuell missbrauchte, wird nach Bericht der FAZ (Karin Truscheit) Kritik an der Wirksamkeit der elektronischen Fußfessel laut. So halte etwa der bayerische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft die Fußfessel für ein "besseres Babyphone".
LG Heilbronn – Klage des Vaters des Amokläufers von Winnenden gegen Klinik: lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit Erik Silcher, dem Rechtsanwalt des Vaters des Amokläufers von Winnenden, Tim K., der das Klinikum Weinsberg, das Tim K. behandelt hatte, auf Schadensersatz verklagt hat. Die Anspruchsgrundlage ergebe sich aus dem Behandlungsvertrag mit der Klinik, die ihre vertraglichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.
Staatsanwaltschaften – Einschätzungen zum Organspendeskandal: Nach Bericht der taz (Heike Haarhoff) ist in dem Skandal um Datenmanipulationen bei Organspende in mehreren Kliniken nicht mit Anklagen gegen die Verantwortlichen zu rechnen. So schätzten die Staatsanwaltschaften München und Regensburg derzeit die Datenveränderungen nicht als strafbar ein. Es liege eine Strafbarkeitslücke vor, da weder die Tatbestände der Urkundenfälschung, der Veränderung im Datenverarbeitungsprozess und des Organhandels vorlägen, und eine Körperverletzung wegen Kausalitätsproblemen kaum nachweisbar sei.
"Verachtenswerte Taten zu ersinnen, für die man nicht belangt werden kann - ein perfektes Verbrechen", meint Heike Haarhoff (taz), und fordert den Gesetzgeber zum Handeln auf.
Urheberrechtsverletzung beim Teilen eines Links auf Facebook: Rechtsanwalt Thomas Schwenke erörtert auf lto.de, ob es eine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn beim Teilen eines Links auf Facebook automatisch ein Bild als Vorschau generiert wird. Ein solcher Fall, bei dem die Rechtsinhaberin in einer Abmahnung neben Unterlassung auch Schadensersatz in Höhe von 1.200 Euro forderte, war letzte Woche bekannt geworden.
Gema vs. Google/YouTube: Nach Berichten von spiegel.de hat die Gema Verhandlungen mit Google über die Vergütung von Urhebern bei der Videoplattform YouTube für gescheitert erklärt und ruft nunmehr die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt an. Laut Welt (Benedikt Fuest) ist nach Ansicht von Youtubes Juristen indes die Schiedsstelle gar nicht zuständig, da der Mutterkonzern Google nicht Provider, sondern "Hoster" sei.
Die SZ (Bernd Graff, Jens-Christian Rabe, Andreas Zielcke) führt aus Anlass des Rechtsstreits im Feuilleton ein Interview mit Rechtsanwalt und Gema-Chef Harald Heker.
Verfolgung von NS-Tätern: Die SZ (Katrin Steinberger) schildert auf Seite drei die Arbeit des ehemaligen Richters Thomas Walther bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Ohne Walther wäre es nicht zum Prozess gegen den ehemaligen KZ-Wachmann John Demjanjuk gekommen. In seinem neuen Fall gegen den SS-Wachmann Johann Breyer beklage Walther, dass die Justiz angesichts des hohen Alters Breyers zu langsam arbeite.
Greifswald - Zweifach-Präsidentin: Die FAZ (Frank Pergande) bringt auf der "Staat und Recht"-Seite ein Porträt der Präsidentin des OVG Greifswald, Hannelore Kohl, die seit 2008 zudem auch Präsidentin des Verfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern ist. Anfang des Jahres feierte sie ihr vierzigjähriges Dienstjubiläum.
BGH - Tolksdorf und Fischer: Der Streit um die Vorsitz-Positionen am 2. und 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird auf absehbare Zeit nicht gelöst. Das Karlsruher Verwaltungsgericht hat noch nicht einmal einen Verhandlungstermin für die Klage des Bewerbers Thomas Fischer gegen seine vermeintlich zu schlechte Beurteilung angesetzt, berichtete die FR (Ursula Knapp). Um allzuviel Rückstände zu vermeiden, habe BGH-Präsident Klaus Tolksdorf nun selbst wieder den Vorsitz in einem Strafsenat übernommen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Frankreich – Ermittlungen gegen Sarkozy: Laut FAZ (Michaela Wiegel) haben französische Untersuchungsrichter Verfahren gegen den früheren Präsidenten Sarkozy wegen Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses eingeleitet. Dabei gehe es um Ermittlungen wegen eines Attentats in Karachi, bei dem im Jahr 2002 elf Mitarbeiter der französischen Direction des Construction Navales getötet wurden. Als gegen zwei enge Vertraute Sarkozys ein Strafverfahren wegen Schmiergeldzahlungen bei einem Rüstungsgeschäft mit Pakistan eingeleitet wurde, die möglicherweise mit dem Attentat in Karachi in Zusammenhang stehen, habe Sarkozy im Jahr 2011 in einer Stellungnahme behaupten lassen, sein Name tauche in den Unterlagen der Ermittler nicht auf.
Für Günther Nonnenmacher (FAZ) ist es mittlerweile traurige Routine, dass französische Präsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit von der Justiz verfolgt werden, und es immer um Schmiergeld oder Wahlkampffinanzierung gehe.
USA – Fotos vom toten Osama Bin Laden: Wie spiegel.de berichtet, befasst sich der US-Court of Appeals seit gestern mit der Klage einer konservativen Watchdog-Organisation gegen die US-Regierung auf Herausgabe von Fotos des toten Osama Bin Laden. Die Klägerseite berufe sich auf das Recht der amerikanischen Bürger auf freie Information, wohingegen die Regierung argumentiere, mit der Herausgabe der Leichenfotos könne die nationale Sicherheit gefährdet werden.
Indien – Vergewaltigungsprozess: Im Vergewaltigungsprozess um die ermordete indische Studentin werden nach Berichten der FR (Florian Leclerc) Foltervorwürfe gegen die Polizei laut. So gab der Verteidiger eines der sechs Angeklagten an, sein Mandant sei gezwungen worden, sich zu Verbrechen zu bekennen, die er nicht begangen habe.
Brasilien – Verfahren gegen Lula?: Gegen den ehemaligen Präsidenten Brasiliens Lula wird möglicherweise doch ein Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Beteiligung an dem Korruptionsskandal um monatliche Zahlungen von Bestechungsgeldern an Abgeordnete ermittelt. Laut FAZ (Josef Oehrlein) behaupte eine Schlüsselfigur im Verfahren, Lula habe den Zahlungen nicht nur zugestimmt, sondern auch öffentliche Gelder zu seinem Vorteil abgezweigt.
Italien – Havarie der Costa Concordia: Wegen der Havarie der Costa Concordia wird die italienische Staatanwaltschaft nach Darstellung der
taz (Michael Braun) wohl noch im Januar Anklage gegen acht Personen, darunter den Kapitän Francesco Schettino, erheben. Schettino geriere sich nun seit einem Jahr als "verfolgte Unschuld".
Sonstiges
Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche: In der Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche und dem Kriminologen Christian Pfeiffer, dem Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), geht die Deutsche Bischofskonferenz nach Berichten der FAZ (Reinhard Bingener) und der taz (Julia Amberger) nun mit rechtlichen Schritten gegen Pfeiffer vor. In einer Unterlassungserklärung werde Pfeiffer aufgefordert, nicht mehr zu behaupten, die katholische Kirche wolle Forschungsergebnisse zensieren.
Die FR (Katja Tichomirowa) bringt aus diesem Anlass ein Porträt des Kriminologen Christian Pfeiffer.
Das Letzte zum Schluss
Doppelte Helene Fischer: Volksmusik-Sängerin Helene Fischer geht vor dem Landgericht Siegen gegen ein Wirtsehepaar vor, das für eine Festivität ein Helene Fischer-Double engagiert hatte. Laut focus.de war auf der Werbung für die Verantstaltung zwar der Begriff "Double" gestanden, nicht aber der Name der Imitatorin. Eine Unterlassungserklärung hätten die Wirtsleute schon unterschrieben, die Anwaltskosten von Fischer wollten sie hingegen nicht zahlen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.https://www.lto.de/de/html/inhalt/288/legal_voices_journalisten_hinweis/
Die juristische Presseschau vom 11. Januar 2013: Rundfunkbeitrag vor Gericht – Europäisches Asylrecht – Straflosigkeit im Organspendeskandal? . In: Legal Tribune Online, 11.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7945/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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