Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Dezember 2017: Gerech­tig­keit durch Großv­er­fahren? / Abschaf­fung von § 219a StGB? / Aldi-Alb­rechts entz­weit

11.12.2017

Das Loveparade-Verfahren beginnt in Düsseldorf  mit überzogenen Erwartungen? Außerdem in der Presseschau: Die Debatte um die Abschaffung des § 219a StGB nimmt an Fahrt auf und nach dem Aldi Nord-Urteil geht der Familienstreit weiter.

 

 

Thema des Tages

LG Duisburg – Loveparade: Am vergangenen Freitag begann im Düsseldorfer Kongresszentrum Ost der vor dem Landgericht Duisburg verhandelte Prozess zum Loveparade-Unglück 2010. Nach zahlreichen Anträgen der Verteidigung, unter anderem auch einer Besetzungsrüge, wurde am ersten Verhandlungstag auch die Anklage verlesen. Es berichten unter anderem Samstags-FAZ (Reiner Burger) und spiegel.de (Lukas Eberle). community.beck.de (Henning Ernst Müller) erklärt grundlegende Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen fahrlässig begangener Taten.

In einer Analyse warnt Jost Müller-Neuhof (Tsp) vor überzogenen Erwartungen an das Verfahren. Strafprozesse dienten der Ermittlung individueller Schuld und nicht zuvörderst der persönlichen Bewältigung tragischer Ereignisse der Geschädigten. Diese Erwartung spiegele aber eine seit den siebziger Jahren zu verzeichnende "Hinwendung zum Opfer".

Heribert Prantl (Montags-SZ) prognostiziert ein richterliches Scheitern bei der Suche nach einer strafrechtlichen Schuld für die Katastrophe. "Die Chefs der angeklagten Angestellten" als die "organisatorisch Verantwortlichen" säßen schließlich nicht auf der Anklagebank.

Rechtspolitik

§ 219a StGB: In der Diskussion über eine Abschaffung des strafrechtlichen Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch positioniert sich Rechtsprofessor Jörg Gerkrath auf lto.de eindeutig. Bereits der NS-Hintergrund der Norm spreche für die Abschaffung. Das Werbeverbot verstoße aber auch gegen die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit, die Grundrechtecharta sowie die Europäische Menschenrechtskonvention. Die WamS (Marlen Hobrack) begrüßt, dass die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel das grundsätzliche Recht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung in die politische Debatte zurückführe. Der Ankündigung des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne), § 219a Strafgesetzbuch über eine Bundesratsinitiative zu streichen, haben sich nach Darstellung der Montags-taz (Dinah Riese) drei weitere Bundesländer angeschlossen.

Brexit: Eine Übersicht zu den Brexit-Aspekten, über die zwischen der EU und Großbritannien eine Übereinkunft erzielt wurde, gibt die Samstags-Welt (Stefanie Bolzen/Hannelore Crolly). Nach dem Bericht der Samstags-taz (Dominic Johnson) darf der Europäische Gerichtshof nach der jetzigen Verständigung nur auf britische Inititiative und nur für die nächsten acht Jahre tätig werden. Der Schriftsteller Jeremy Adler (Samstags-SZ) erklärt in einem Gastkommentar den Brexit und das britische Verhalten bei den Verhandlungen mit der EU mit der eigentümlichen Verfassungsgeschichte des Vereinigten Königreichs.

IMK/Abschiebestopp: Die Innenministerkonferenz der Länder (IMK) hat sich darauf verständigt, den geltenden Abschiebestopp für Syrer bis zum Ablauf des Jahres 2018 zu verlängern. Dies berichten Samstags-taz (Christian Rath) und Samstags-FAZ (Alexander Haneke). Die weiteren Beschlüsse der IMK, etwa zur Prüfung einer erleichterten Aberkennung verliehener Staatsbürgerschaften oder zur Vorbeugung von Gewalt in Fußballstadien, stellt die Samstags-SZ (Constanze von Bullion) dar.

Familiennachzug: Der Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter ist gegenwärtig bis zum März 2018 ausgesetzt. In der Samstags-SZ diskutieren Bernd Kastner und Thomas Avenarius Pro und Kontra einer Aufhebung der Aussetzung. Bereits vor den ersten Gesprächen über eine erneute Große Koalition deutet sich zwischen Union und SPD ein Kompromiss, etwa in Gestalt eines zeitlich gestaffelten Nachzugs, an. Dies berichtet die Montags-SZ (Constanze von Bullion) exklusiv.

Terroropfer: Die Samstags-SZ (Georg Mascolo/Ronen Steinke) berichtet exklusiv über den am kommenden Mittwoch von Kurt Beck (SPD) als Opferbeauftragten für die Hinterbliebenen des Breitscheidplatz-Anschlags vorgestellten Abschlussbericht. Die Empfehlungen Becks beinhalteten die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für Betroffene, idealerweise beim Bundesjustizministerium. Daneben sei aber eine Öffnung des Opferentschädigungsgesetzes für Ausländer sowie die Streichung einer bisherigen Bestimmung, nach der das Gesetz nicht bei einem tätlichen Angriff mit einem Fahrzeug anwendbar ist, vonnöten.

Minderheitsregierung: In einem Gastbeitrag für den Samstags-FAZ-Einspruch legt Rechtsprofessor Matthias Herdegen dar, dass das Grundgesetz eine stabile parlamentarische Regierungsmehrheit weder "als Selbstzweck noch die Minderheitsregierung als Unglücksfall" betrachte. Die vielbeschworene staatspolitische Verantwortung der Parteien mache bei der Feststellung des Haushaltsplanes "wirklich Sinn", ansonsten drängten weder die "politische Lage noch die erkennbaren Schnittmengen der Gesetzgebungsprogramme" zu einer Großen Koalition.

Sportverbände: Nach Feststellung der EU-Kommission verstoßen die Zulassungsbestimmungen der Internationalen Eislaufunion gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Mit seinen Strafen für die Teilnahme an nicht von ihm genehmigten Wettkämpfen missbrauche der Verband seine marktbeherrschende Stellung, schreibt die Samstags-FAZ (Werner Mussler/Michael Ashelm) über die Entscheidung, die Präjudizcharakter auch für andere Sportverbände haben dürfte.

Gleichberechtigung: Die WamS (Sabine Meinkens/Martina Meister) berichtet von fraktionsübergreifenden Überlegungen, bei der in dieser Legislaturperiode ohnehin geplanten Reform des Wahlrechts auch Bestimmungen zu verabschieden, die eine höhere Repräsentanz von Frauen im Parlament sichern. Denkbar sei eine Koppelung der staatlichen Parteienfinanzierung an paritätische Besetzungen der Wahllisten.

Internetkriminalität: Das "38. Triberger Symposium" tagte unter der Schirmherrschaft des baden-württembergischen Justizministers Guido Wolf (CDU) zu juristischen Herausforderungen im Internet-Zeitalter. Nach dem Bericht der Montags-FAZ (Rüdiger Soldt) diskutierten die Teilnehmer dabei die Notwendigkeit von Rechtsänderungen sowohl bei der Bekämpfung von Internetkriminalität als auch beim Schutz vor Cyberattacken.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Dezember 2017: Gerechtigkeit durch Großverfahren? / Abschaffung von § 219a StGB? / Aldi-Albrechts entzweit . In: Legal Tribune Online, 11.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25947/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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