Selten hat sich das Feuilleton so für einen gesellschaftsrechtlichen Zivilprozess interessiert wie beim Berliner Suhrkamp-Verfahren. Außerdem in der heutigen Presseschau: Die bayerische Verfassung wird geändert, ein Ex-Schatzmeister der Grünen wird verurteilt, ein Schöffe in der Affäre Mollath erinnert sich und Medienanwalt Schertz weiß, wann Scherzanrufe der Medien strafbar sind.
LG Berlin zu Suhrkamp: Das Landgericht Berlin hat gestern entschieden, dass Suhrkamp-Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkéwicz und die übrige Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2010 nicht entlastet wurde und die Suhrkamp-Gesellschafterversammlung deshalb ihre Abberufung beschlossen habe. Außerdem müsse sie Schadensersatz in Höhe von rund 280.000 Euro an den Verlag zahlen, weil sie als Geschäftsführerin ihre Privatvilla für Verlagsveranstaltungen angemietet hatte, ohne den Minderheitsgesellschafter Hans-Georg Barlach zu fragen. Gegen das Urteil will der Verlag Berufung zum Kammergericht eingelegen. Am 13. Februar wird das Landgericht Frankfurt in einem anderen Rechtsstreit über den Antrag von Barlachs Holding auf Auflösung des Suhrkamp-Verlags entscheiden. Es berichten u.a. die FAZ (Sandra Kegel) und die taz (Tim Caspar Boehme/Andreas Fanizahdeh).
Weitere Themen – Rechtspolitik
Bayerische Verfassung: Morgen wollen die Landtagsfraktionen von CSU, FDP, SPD und Freien Wählern einen gemeinsamen Antrag in den Bayerischen Landtag einbringen, um die Landesverfassung in fünf Punkten zu ändern, berichtet die SZ (Mike Szimanski) im Bayern-Teil. Im ganzen Land sollen gleichwertige Lebensbedingungen gesichert werden, ehrenamtliches Engagement soll gefördert werden, eine Schuldenbremse wird eingeführt, der Landtag erhält ein Mitspracherecht bei Entscheidungen der EU, die die Gesetzgebungskompetenz des Landes betreffen, und den Kommunen soll eine "angemessene Finanzausstattung" garantiert werden.
Insolvenzrecht: Der Richter und Wissenschaftler Heinz Vallender beschreibt auf lto.de die geplante zweite Stufe der dreistufigen Reform des Insolvenzrechts. Ihr Kern sei die Verkürzung der Wohlverhaltensfrist (unter bestimmten Bedingungen) von sechs auf drei Jahre. Vallender schildert auch die Diskussion um den Gesetzentwurf.
Zwangbehandlung: Max Steinbeis (verfassungsblog) verweist auf ein aus seiner Sicht vorbildliches Urteil des irischen High Court zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker. Danach solle die Zustimmung der Betroffenen nicht ersetzt, sondern ihnen bei der Entscheidung geholfen werden. Diesen Gedanken solle auch der Bundestag bei der anstehenden gesetzlichen Regelung berücksichtigen: "Vor der Zwangsbehandlung muss es den Versuch gegeben haben, die Zustimmung des Patienten zu erhalten – und zwar nicht nur als Formalie, sondern ernsthaft und dokumentiert."
Weitere Themen – Justiz
LG Dresden zu Pressefreiheit: Anders als in der Vorinstanz wurden die beiden Journalisten Thomas Datt und Arndt Ginzel beim Landgericht Dresden vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen, berichtet spiegel.de. Sie hatten mit Bezug auf den so genannten Sachsensumpf die Frage aufgeworfen, ob bestimmte ermittelnde Polizeibeamte von oben unter Druck gesetzt worden seien. Die Frage sei legitim gewesen, so jetzt das Gericht.
LG Potsdam zu Grünen-Untreue: Der ehemalige Schatzmeister der brandenburgischen Grünen wurde vom Landgericht Potsdam zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er rund 270.000 Euro aus der Parteikasse unterschlagen hatte, berichtet u.a. Die Welt.
BFH zu Mindestbesteuerung: Als "Steuerthema der Woche" stellt das Handelsblatt (Marko Wieczorek) zwei Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vor. Danach wurden Klagen gegen die Mindestbesteuerung bei der Einkommens-/Körperschaftssteuer bzw. bei der Gewerbesteuer abgelehnt. Die Eingriffe des Gesetzgebers in den Verlustvor- und rücktrag seien mit dem Grundgesetz vereinbar.
LAG Köln zur Bewerbung von Schwangeren: Schwangere Stellenbewerberinnen dürfen auch dann die Frage nach einer Schwangerschaft verneinen, wenn sie sich auf eine Schwangerschaftsvertretung bewerben. Hier gälten die üblichen Regeln, entschied das Landesarbeitsgericht Köln bereits im Oktober laut dem lawblog (Udo Vetter).
BAG – Verdi und Kirche: Die Gewerkschaft Verdi darf in einem kirchlichen Krankenhaus um Mitglieder werben. Einen Tag vor einer Verhandlung am Bundesarbeitsgericht gab die Diakonie ihren auf die bisherige Rechtsprechung gestützten Widerstand auf, berichtet die Badische Zeitung (Christian Rath).
StGH Stuttgart – Parlamentsrechte: Die baden-württembergische FDP-Fraktion will in der kommenden Woche die Landesregierung beim Staatsgerichtshof wegen Verletzung ihrer Auskunftspflichten gegenüber dem Landtag verklagen, berichtet die SZ (Max Hägler). Die Regierung wollte nicht beantworten, welche Kosten ein Prozess im Zusammenhang mit dem EnBW-Deal, der vor einem internationalen Schiedsgericht geführt wird, für das Land verursacht. Hier handele es sich um laufendes Regierungshandeln.
OLG München – Zschäpe: Der Strafprozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Unterstützer wird am Oberlandesgericht München vermutlich im April beginnen. Das schließt der Tagesspiegel (Frank Jansen) aus einem OLG-Beschluss im Rahmen der Haftprüfung. Schon im Januar will das OLG über die Zulassung der Anklage entscheiden. Bis Februar 2013 soll ein Gutachten zum Zustand und zu eventuellen Behandlungsaussichten von Zschäpe vorliegen.
OLG München – Kirch: Vor dem vermutlich letzten Verhandlungstag am Oberlandesgericht München schildert die FAZ (Joachim Jahn/Henning Peitsmeier) den Stand des Zivilprozesses gegen die Deutsche Bank, deren Ex-Chef Rolf Breuer mit einer Interviewäußerung mutmaßlich den Kirch-Konzern in die Insolvenz trieb und dafür nun wohl wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) verurteilt werden wird – wenn es nicht doch noch zu einem Vergleich kommt.
KG Berlin – Duogynon: Der Prozess um Missbildungen durch den Schwangerschaftstest Duogynon wird nicht weitergeführt. Der Kläger hat seine Berufung zum Kammergericht gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin wegen des hohen Prozesskostenrisikos zurückgenommen, berichtet die taz (Heike Haarhoff). Das Landgericht hatte die Klage wegen Verjährung zurückgewiesen.
Affäre Mollath: Der delegibus-Blog (Oliver Garcia) befragt ausführlich einen der Schöffen, der am Unterbringungsbeschluss zu Lasten von Gustl Mollath beteiligt war und heute von einem Fehlurteil spricht.
Internationale Kanzleien: Die FAZ (Corinna Budras) beschreibt zwei Großfusionen im internationalen Anwaltsmarkt, den Zusammenschluss von Norton Rose und Fulbright & Jaworski sowie von Salans, SNR Denton und FMC.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Frankreich/USA – Strauss-Kahn: Nun ist es kein Gerücht mehr. Ex-IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn hat sich mit dem Zimmermädchen, das ihn der Vergewaltigung bezichtigte und Schadensersatz verlangte, vor einem US-Zivilgericht auf einen Vergleich geeinigt. Welche Summe Strauss-Kahn zugesagt hat, ist nach wie vor unbekannt, berichtet spiegel.de.
Frankreich – Einmischung von Hollande: Der französische Präsident Francois Hollande und Innenminister Manuel Valls haben mit Briefen in einem Zivilprozess die Lebensgefährtin Hollandes, Valerie Trierweiler, unterstützt. Sie klagt gegen zwei Journalisten und Buchautoren auf Schadensersatz u.a. wegen Verleumdung. Die Opposition sei über die Intervention empört, berichtet die FAZ (Michaela Wiegel).
Sonstiges
Scherzanrufe: In einem Interview auf der SZ-Medienseite (Stefan Fischer) erklärt der Medienanwalt Christian Schertz, wie Anrufe mit verstellter Stimme in Deutschland rechtlich zu bewerten sind. Wenn solche Gespräche ungenehmigt ausgestrahlt würden, liege eine Straftat vor, nämlich die "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch Verbreitung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes". Anlass des Interviews war der Anruf eines kanadischen Radiosenders in der Klinik von Prinzessin Kate, der zum tragischen Tod einer Krankenschwester führte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Dezember 2012: Richter gefährden Suhrkamp – Mollaths Schöffe erinnert sich - Schertz erläutert Scherzanrufe . In: Legal Tribune Online, 11.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7752/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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