Der Bundesfinanzhof hält die Erbschaftsteuer für verfassungswidrig und übergibt sie an das Bundesverfassungsgericht. Außerdem in der Presseschau: Die Bundesregierung bringt den Gesetzentwurf zur Beschneidung auf den Weg, der Ex-Telekom-Sicherheitschef muss ins Gefängnis, ein Pussy-Riot-Mitglied kommt frei - und ein Mandant beklaut seinen glücklicherweise nachsichtigen Anwalt.
BFH zur Erbschaftsteuer: Der Bundesfinanzhof hält das Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig. Es verletze das Gleichheitsgebot, weil Betriebsvermögen regelmäßig steuerfrei vererbt werden könne. Zudem könne privates Vermögen als Betriebsvermögen deklariert werden und werde dann ebenfalls begünstigt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht in der Frage entscheiden. Es berichten die SZ (Daniela Kuhr), die FAZ (Joachim Jahn) und die taz (Christian Rath).
Wolfgang Janisch (SZ) hält die Steuergerechtigkeit für ein scharfes Schwert. Das Gesetz sei verfassungswidrig, wenn "vor allem die Steuervermeidungsartisten begünstigt werden". Im Leitartikel der FTD heißt es, der Gesetzgeber hätte gewarnt sein können – er müsse eben den Gleichheitssatz berücksichtigen. Axel Schrinner (Handelsblatt) fordert die Politik auf, "Farbe zu bekennen": Die Erbschaftssteuer solle entweder ganz abgeschafft werden oder mit einem niedrigen Steuersatz von zehn Prozent für alle Erben gelten. Ulrike Herrmann (taz) sieht dagegen in der Entscheidung eine Blamage für die SPD und den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück. Die Erbschaftssteuer solle aber grundsätzlich erhalten bleiben, weil sie verhindern könne, "dass sich der Reichtum in Deutschland noch schneller auf wenige Familien konzentriert".
Die FAZ (Joachim Jahn) fasst im Wirtschaftsteil Reaktionen auf das Urteil zusammen: Das Bundesfinanzministerium hält das Gesetz weiterhin für verfassungsgemäß, Unternehmerverbände fordern auch künftig Vergünstigungen und Steuerrechtler warnen vor einer "Hängepartie" bis zur Entscheidung.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Beschneidung: Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, das Gesetz zur Beschneidung von Jungen auf den Weg zu bringen. Die Welt (Matthias Kamann) erläutert den Gesetzentwurf.
Reinhard Müller (FAZ) findet, mit der vorgeschlagenen Regelung werde das Recht der Eltern dem Kindeswohl voran gestellt. Heribert Prantl (SZ) vertritt die Ansicht, das Gesetz sei "eigentlich unnötig" gewesen, nun aber "bitter nötig" geworden. Das Abweichen eines Gerichts sei noch kein Grund ein Gesetz zu erlassen, zudem sei das darin Geregelte schon bisher geltendes Recht – allerdings habe die große öffentliche Empörung ein Gesetz erfordert, das für Klarstellung sorge.
Bericht des Normenkontrollrates: Der Normenkontrollrat, der die Bundesregierung beim Bürokratieabbau unterstützen soll, hat seinen jährlichen Bericht vorgelegt. lto.de (Jens Kahrmann) fasst die Ergebnisse zusammen. So seien zwar Bürokratiekosten gesenkt worden, zugleich habe das Engagement beim Abbau der Bürokratie jedoch nachgelassen.
Musikvideo mit Soldaten: Der Musiker Joachim Witt hat ein Musikvideo veröffentlicht, in dem deutsche Soldaten eine Frau vergewaltigen und eine andere ermorden. Familienministerin Schröder wolle nun auf die Empörung von Bürgern reagieren und das Video als jugendgefährdend auf den Index setzen, so Udo Vetter (lawblog.de). Damit dürfte das Video nicht für unter 18-Jährige zugänglich gemacht werden. Vetter hält ein solches Verbot für unzulässig, der Jugendschutz könne "nicht das bequeme Vehikel sein, um deutsche Soldaten in Schutz zu nehmen."
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Telekom-Sicherheitschef: Der ehemalige Sicherheitschef des Telekom-Konzerns, Klaus-Dieter T., erhält eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, Untreue und Betrug, weil er die Telefone von Aufsichtsratsmitgliedern und Journalisten überwachen ließ. Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Bonn bestätigt. Die FR (Ursula Knapp) gibt einen Überblick, die SZ (Wolfgang Janisch) erläutert die auch innerhalb des BGH umstrittene Rechtsprechung zum Straftatbestand der Untreue.
BVerwG zu A 100: Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrere Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Berliner Stadtautobahn A 100 zurück gewiesen. Die FR (Peter Neumann) berichtet und fasst die Reaktionen auf das Urteil zusammen.
OLG Frankfurt zu Entschädigung für Gäfgen: Das Land Hessen muss Magnus Gäfgen eine Entschädigung von 3.000 Euro wegen der Androhung von Folter zahlen. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts. Gäfgen hatte 2002 den Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und getötet. Auf dem Frankfurter Polizeirevier hatte ihm der damalige Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner mit der Zufügung von Schmerzen gedroht, um Gäfgen zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Jungen zu bringen. Die Entscheidung erläutern die taz (Christian Rath) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
LAG Hamm zu Facebook: Das Landesarbeitsgericht Hamm hat einem Bochumer Unternehmen Recht gegeben, das einen Azubi fristlos entlassen hatte, nachdem der seinen Arbeitgeber auf Facebook als Menschenschinder und Ausbeuter bezeichnet hatte. Das meldet die FR.
Landgericht Mannheim zu Kachelmann-Buch: Die frühere Freundin des Wettermoderators Jörg Kachelmann hat vor dem Landgericht Mannheim eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach der Heyne-Verlag ein Buch Kachelmanns nicht vertreiben darf, solange die Ex-Freundin darin mit vollem Namen genannt wird. Das meldet spiegel.de. Kachelmann betreibe derzeit eine PR-Kampagne, mit der er die Justiz kritisiert, Männer "gewohnheitsmäßig" zu verurteilen und Frauen "automatisch" als Opfer anzusehen. Focus.de (Susanne Klaiber) spricht mit den Kriminologen Rudolf Egg und Christian Pfeiffer, die Kachelmanns Behauptungen zurückweisen.
Landgericht Hildesheim – Vater tötet Kinder: Vor dem Landgericht Hildesheim hat das Verfahren gegen Andreas S. begonnen, der gestanden hat, seine vier Kinder getötet zu haben, nachdem die Mutter sich zur Trennung entschieden hat. Von dem Prozess berichtet spiegel.de (Julia Jütttner).
EnBW-Skandal: Die Zeit (Marc Brost/Mark Schieritz) beschreibt ausführlich die Geschehnisse um den Kauf von Anteilen des Energiekonzerns EnBW durch das Land Baden-Württemberg unter dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Was als einer der größen Skandale des Landes gelte, sei letztlich wohl "ein ganz normales Geschäft". Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Mappus und seinen juristischen Berater Dirk Notheis.
CDU Parteispendenaffäre: Die Staatsanwaltschaft hat im Zuge einer Parteispendenaffäre Anklagen gegen CDU-Politiker erhoben. Wie spiegel.de meldet, werden dem ehemaligen Vorsitzenden der rheinland-pfälzischen CDU, Christoph Böhr, und dem ehemaligen Hamburger Finanzsenator, Carsten Frigge, Untreue, Vergehen gegen das Parteiengesetz und versuchter Betrug vorgeworfen.
Bundesagentur für Arbeit gegen Online-Hetze: Nachdem eine Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Neuss erstochen wurde, geht die Bundesagentur für Arbeit gegen hetzerische Online-Kommentare vor. Gegen rund 40 Personen seien Strafanzeigen erhoben worden, unter anderem wegen Beleidigung, Aufforderung zu Straftaten, übler Nachrede, Nötigung und Volksverhetzung. Das meldet spiegel.de.
Anwalt für Flugbegleiter: Die Zeit (Tobias Romberg) porträtiert den Rechtsanwalt Dirk Vogelsang, der unter anderem die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) vertritt und zur Zeit mit der Lufthansa Tarifverhandlungen führt.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Russland – Mitglied von Pussy Riot frei: Im Berufungsverfahren um die Protestaktion der Gruppe Pussy Riot hat das Moskauer Stadtgericht die Strafe für Jekaterina Samuzewitsch zur Bewährung ausgesetzt. Die in erster Instanz verhängten Strafen von je zwei Jahren Lagerhaft für die beiden anderen Aktivistinnen, Maria Ajochina und Nadeschda Tolokonnikova, wurden hingegen bestätigt. Es berichten ausführlich spiegel.de (Benjamin Bidder), die SZ (Julian Hass), die FAZ (Michael Ludwig) und die taz (Klaus-Helge Donath). Für Samuzewitsch wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, weil sie von Ordnern aufgehalten wurde, bevor sie den Altar erreichte.
In einem gesonderten Kommentar konstatiert Klaus-Helge Donath (taz): "Das Urteil folgt der Logik des Kreml." Mit den harten Strafen für zwei Mitglieder und der Bewährung für die Dritte würden sowohl die Hardliner als auch die "vorsichtigen Kritiker" im Putin-Lager zufrieden gestellt. Auch Frank Herold (FR) kritisiert die "Schmierenkomödie", die dazu diene, die Opposition einzuschüchtern.
Brasilien – Urteil nach Stimmenkauf: Das Oberste Gericht in Brasilia hat drei ehemalige Spitzenpolitiker und Vertraute des früheren Präsidenten Lulas wegen Bestechung für schuldig erklärt. Das Strafmaß wurde noch nicht bekannt gegeben. Von dem Korruptionsprozess mit insgesamt 37 Angeklagten berichtet die taz (Andreas Behn).
USA – Klage gegen Wells Fargo: Die US-Regierung verklagt die Großbank Wells Fargo wegen der nachlässigen Vergabe von Immobilienkrediten, die den Staat Millionenverluste gekostet haben sollen, so spiegel.de.
China – Vorwürfe gegen Bo Xilai: Die Vorwürfe gegen den geschassten Politiker Bo Xilai in China schildert Die Zeit (Angela Köckritz). Es geht um Machtmissbrauch, Korruption und vor allem um zahlreiche Mätressen.
Sonstiges
Warum Menschen töten: Der Kriminalpsychiater Hans-Ludwig Kröber erklärt im Dossier der Zeit, warum Menschen töten und inwiefern Agressionen zur menschlichen Natur gehören.
Polizeigewalt: Die Zeit (Nadine Ahr/Martin Kottynek) dokumentiert einen Gewaltexzess von Polizisten bei einer Festnahme eines Mannes in Berlin und interviewt zu dem Fall den Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes, der den Vorfall für rechtswidrig hält.
Das Letzte zum Schluss
Mandant beklaut Anwalt: Der Rechtsanwalt Thomas Wings erzählt auf seinem Blog Höchststrafe?, wie ihn ein Mandant beklaut hat und warum er ihn trotzdem weiter verteidigte: Der Dieb sei einfach ein "fürchterlich armes Würstchen".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2012: Erbschaftsteuer zum BVerfG – Beschneidungsgesetz auf dem Weg – Mitglied von Pussy Riot frei . In: Legal Tribune Online, 11.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7289/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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