Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Juli 2016: Recht gegen Macht / Bilanz zu Sil­vester / Anklage gegen Blair

11.07.2016

Der Ständige Schiedshof entscheidet zu Ansprüchen im Südchinesischen Meer. Steht die Verfassung der Meere über politischem Einfluss? Außerdem in der Presseschau: BKA-Bilanz zu Silvesterübergriffen und günstige Gelegenheit für Diebstahl.

Thema des Tages

Schiedshof – Südchinesisches Meer: Das Südchinesische Meer ist ungefähr so groß wie Mittelmeer, Nord- und Ostsee zusammen. Die nördlich angrenzende Volksrepublik China beansprucht gegen zahlreiche Anrainerstaaten seit Jahren uneingeschränkte Souveränität über das Gebiet und untermauert diese Ansprüche mit der fortgesetzten Befestigung und dem Ausbau von Landformationen. Am morgigen Dienstag wird der Ständige Schiedshof in Den Haag einen "umfangreichen seevölkerrechterlichen Schiedsspruch zu politisch hochsensiblen Fragen" in einem von den Philippinen angestrengten Verfahren bekannt geben, schreibt Rechtsprofessor Henning Jessen in einem Gastbeitrag für die Samstags-FAZ. Dass dieses von China boykottiert wurde, stellt für den Seerechtsexperten die "globale Glaubwürdigkeit" des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen dar. Diese sogenannte Verfassung der Meere habe jahrzehntelange Verhandlungen erfordert, war aber seinerzeit auch von China ratifiziert worden. Für grundsätzliche Bedenken der Volksrepublik zur Zuständigkeit des Schiedshofes, aber auch konkrete Auslegungsfragen und Präzisierungen stehe mit dem Abkommen ein "regelbasiertes Streitbeilegungssystem" zur Verfügung, dessen Zukunft durch die chinesische Weigerung gefährdet sei. Der Bericht der Montags-FAZ (Till Fähnders) bezweifelt, dass sich Chinas Verhalten auch bei einer negativen Entscheidung ändern wird. In Frage-und-Antwort-Form stellt zeit.de (Steffen Richter) Problematik und Verfahren dar.

Rechtspolitik

Stalking: Das Bundeskabinett soll nach einer Meldung von spiegel.de eine Änderung des Stalking-Paragrafen beschließen. Nach Absicht von Justizminister Heiko Maas (SPD) sollen Nachstellungen künftig auch schon dann strafbar sein, wenn sie lediglich objektiv geeignet sind, die Lebensführung des oder der Geschädigten zu beeinträchtigen.

Sexualstrafrecht: Cordula Meyer (Spiegel) würdigt im Leitartikel des Blattes die am vergangenen Donnerstag beschlossene Reform des Sexualstrafrechts als Symbolpolitik "im besten Sinne". Trotz Schwächen spiegele das neue Gesetz einen gewandelten gesellschaftlichen Konsens wieder und wirke auch als Signal: für "Frauen, dass die Justiz sie ernst nimmt. Und für die Vergewaltiger, dass sie nicht mehr so einfach davonkommen." Gigi Deppe (swr.de) gibt in einem Kommentar zu bedenken, dass Gegenargumente auch bei der Diskussion über die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe angeführt worden seien. Die Berechtigung dieser Verschärfung stelle heutzutage niemand mehr in Frage. In einem Gastbeitrag für spiegel.de antwortet Thomas Fischer, Bundesrichter, auf den von der Kolumnistin Margarete Stokowski erhobenen Vorwurf, seine Kritik an der Reform sei sexistisch.

Kulturgutschutzgesetz: Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag der Neufassung des Kulturgutschutzgesetzes zugestimmt. Der Bericht der Samstags-FAZ (Rose-Maria Gropp) zieht eine Bilanz der "nicht selten überhitzten" Debatte zur Novellierung und mutmaßt über "die wahren Gewinner der ganzen Erregung". Die Neufassung werde "die Kulturnation Deutschland für lange Zeit verändern", sagt Andrian Kreye (Samstags-SZ) in einem Kommentar voraus. Die Bestimmungen zu Ausfuhrbeschränkungen identitätsstiftender Kunstwerke enthielten einen "hübschen populistischen Kern", würden aber im Ergebnis der Förderung künstlerischen Nachwuchses schaden.

Erbschaftsteuer: Der Bundesrat hat im Streit über die Reform der Erbschaftsteuer den Vermittlungsausschuss angerufen. Die hierdurch entstandene Verzögerung ist für Manfred Schäfers (Samstags-FAZ) "mehr als ein politisches Ärgernis", vielmehr "ein Armutszeugnis". Durch die Missachtung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist leide auch dessen Ansehen.

BND-Gesetz: Die erste Lesung zum neuen BND-Gesetz am vergangenen Freitag fasst netzpolitik.org (Hendrik Obelöer) zusammen. Martin Kaul (Samstags-taz) kritisiert in einem Kommentar den von "findigen Juristen" beim Entwurf verwendeten "Kniff", dem Nachrichtendienst künftig zu erlauben, "was einst nicht geregelt war".

Terrorbekämpfung/Datenschutz: Die Samstags-Welt (Manuel Bewarder/Florian Flade) referiert datenschutzrechtliche Bedenken zu zahlreichen Neuregelungen zum Zwecke der Terrorbekämpfung.

Integrationsgesetz: Die Bundesrepublik habe mit dem Integrationsgesetz "erneut den Kreis der zu Integrierenden" vergrößert, schreibt die Samstags-Welt (Marcel Leubecher) in einer ausführlichen Darstellung der Reglungen anlässlich der Zustimmung durch den Bundesrat am letzten Freitag.

Volksentscheide: In einem Interview mit der WamS (Stefan Aust u.a., Zusammenfassung) spricht sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gegen Volksentscheide auf Bundesebenen und auch gegen eine Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler aus. Jacques Schuster (Samstags-Welt) meint im Leitartikel des Blattes, dass das "Volk in seiner Gesamtheit" keine "vielschichtigen Entscheidungen fällen" könne. Soweit sich Politiker öffentlich für Plebiszite einsetzten, täten sie dies aus Anbiederung an den "Zeitgeist, diese große Hure der Gesellschaft".

Horst Glanzer: Die BamS (Peter Tiede/Hanno Kautz) stellt Horst Glanzer vor. Nach Enttäuschungen über fehlende Regulierungsbereitschaft seiner Krankenversicherung und zivilprozessuale Regelungen, die die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erschwerten, wurde der Pensionär als rechtspolitische "Ein-Mann-Bürgerwehr" aktiv. Seine Beharrlichkeit habe bislang die Änderung zahlreicher Gesetze bewirkt und wird nun auch von Berufspolitikern anerkannt. Die aktuell diskutierte Novellierung des Sachverständigenrechts gehe ebenfalls auf ihn zurück.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Juli 2016: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19882 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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