Die juristische Presseschau vom 11. Juni 2025: Auf­takt im Com­pact-Ver­fahren / Voßk­uhle zu VG Berlin / Trump vs. Kali­for­nien

11.06.2025

Vor dem BVerwG begann die Verhandlung zum "Compact"-Verbot. Zu den Angriffen auf das VG Berlin nimmt auch Andreas Voßkuhle Stellung. Donald Trump verfügt den Einsatz der Nationalgarde auch gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs.

Thema des Tages

BVerwG – Compact-Verbot: Am Bundesverwaltungsgericht hat die Hauptsacheverhandlung über das im vergangenen Sommer verfügte Verbot des rechtsextremen Compact-Verlags begonnen. Zu Beginn stritten die Parteien über die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf ein Presseorgan. Ulrich Vosgerau als Prozessvertreter der "Compact Magazin GmbH" verwies auf die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit und das Zensurverbot, die eine Anwendung des Vereinsgesetzes grundsätzlich verhinderen. Für das beklagte Ministerium argumentierte Anwalt Wolfgang Roth, dass in die Pressefreiheit durchaus durch Gesetz, auch das Vereinsgesetz, eingegriffen werden dürfe. Sei die verfassungsmäßige Ordnung gefährdet, erlaube das Vereinsgesetz ein Verbot, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. In die diesbezügliche Prüfung flösse dann aber auch die Pressefreiheit ein, wenn die Organisation ein Medium herausgebe. Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft wies darauf hin, dass Compact kein normales Presseorgan sei, weil es den "Umsturz des Regimes" anstrebe, wie Chefredakteur Jürgen Elsässer selbst erklärt habe. Compact-Vertreter betonten, dass damit nur ein Wahlerfolg der AfD gemeint gewesen sei. Am Nachmittag wurde über den Maßstab bei der Bewertung mehrdeutiger Aussagen diskutiert, wobei es darauf ankommen könnte, ob das Verbot als Sanktion oder als präventive Maßnahme eingestuft wird. Am heutigen Mittwoch will das BVerwG nun anhand von beispielhaften Artikeln den Charakter von "Compact" diskutieren. Darüber hinaus hat das BVerwG auch für den morgigen Donnerstag einen Verhandlungstag terminiert. Wann die Urteilsverkündung stattfindet, ist noch nicht bekannt. Berichte bringen u.a. FAZ (Marlene Grunert), SZ (Wolfgang Janisch), LTO (Markus Sehl/Felix W. Zimmermann), taz.de (Christian Rath), zdf.de (Charlotte Greipl) und beck-aktuell.

Ronen Steinke (SZ) macht in seinem Kommentar auf die "kluge" Absicht der "Verfasserinnen und Verfasser des Grundgesetzes" aufmerksam, die Pressefreiheit "auch für Rechtsradikale, Verschwörungsideologen und andere trübe Gemüter" gelten zu lassen. Somit müsse es der liberale Rechtsstaat aushalten, wenn sich "ressentimentgeladene Publikationen" wie eben "Compact" dem "Wettkampf der Meinungen" stellten. Dass in diesem Fall die auch vom GG gezogene Grenze der Aufstachelung zur Gewalt erreicht ist, sei nach den bisherigen Erkenntnissen mehr als fraglich.

Rechtspolitik

Suizidhilfe im Strafvollzug: Die Richter David Kuhn und Simon Maly fordern auf LTO eine gesetzliche Regelung der geschäftsmäßigen Suizidhilfe, insbesondere in Strafanstalten. Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Kammerentscheidungen klar gemacht, dass das Anfang 2020 von ihm selbst entwickelte Recht auf selbstbestimmtes Sterben grundsätzlich auch für Strafgefangene gelte. Allerdings sei bei Strafgefangenen auch die staatliche Schutzpflicht für Leben und Gesundheit besonders ausgeprägt. Dies verdeutliche die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns.

Einbürgerungen: Noch nie wurden so viele Menschen eingebürgert wie 2024. Reinhard Müller (FAZ) attestiert der Ampelregierung, dass ihr Plan, Einbürgerungen zu erleichtern, "gelungen" sei. Auch wenn die sogenannte "Turbo-Einbürgerung" wieder abgeschafft werde, sei "ein Paradigmenwechsel" vollbracht, indem doppelte Staatsbürgerschaften nun grundsätzlich akzeptiert werden.

Justiz

VG Berlin zu Asyl/Zurückweisungen an der Grenze: Die vieldiskutierten Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin über die Rechtswidrigkeit von Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze sowie die politischen Reaktionen hierauf sind nun auch Thema im ARD-RadioReportRecht (Kolja Schwartz). Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat derweil laut beck-aktuell angekündigt, den Rechtsstreit erforderlichenfalls bis zum Europäischen Gerichtshofs ausfechten zu wollen. Dessen Veto gegen seine Verfügung würde er "selbstverständlich" akzeptieren.

beck-aktuell (Pia Lorenz/Hendrik Wieduwilt) bringt zum Thema ein großes Interview mit Andreas Voßkuhle. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts plädiert dafür, dass sich die Exekutive in gleichgelagerten Fällen an der Entscheidung des VG Berlin orientiert. Wenn Richter persönlich angegriffen werden, müsse sich die jeweilige Gerichtsspitze vor sie stellen. Es gebe "keine Alternative" zu dem durchaus erfolgversprechenden Versuch, auch komplexe gerichtliche Entscheidungen zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht sei noch nicht ausreichend gegen Obstruktionsversuche durch schikanöse Verfahrensregeln geschützt.

BGH zu Rücktritt und Vertragsstrafe: Die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts schließt die Geltendmachung einer Vertragsstrafe nicht ohne Weiteres aus. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Bauträgerfall. Das Gericht stellte in seiner Begründung auf die Wertung von § 325 BGB ab, nach dem Schadensersatz nicht durch einen Rücktritt ausgeschlossen ist. beck-aktuell berichtet.

BGH zu Kontoführungsgebühren: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ beschreibt der am Verfahren beteiligte Ronny Jahn (vzbv) Hintergründe und Inhalt der Anfang Juni verkündeten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rückforderung unrechtmäßig geforderter Kontoführungsgebühren innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist. Für Jahn beweisen die nun beendeten Verfahren – eine Klage gegen die Sparkasse Köln-Bonn endete vergleichsweise -, "dass kollektive Klagerechte in der Praxis funktionieren."

BVerwG zu unfriedlichem Protest: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Valerie Eismar erinnert auf dem JuWissBlog an das im März 2024 verkündete Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit polizeirechtlicher Maßnahmen gegenüber unfriedlichen Demonstrationen. Die Autorin konstatiert in der gerichtlichen Bejahung der Unfriedlichkeit von Protesten gegen einen AfD-Parteitag "einen Widerspruch zu der in den letzten Jahren eher weiten Auslegung des Versammlungsbegriffs" und meint, dass der Rechtsprechung die Berücksichtigung neuer Protestformen "nur bedingt gelingt."

BAG zur Vergütung von Betriebsräten: Rechtsanwalt Jan Henrich stellt im Expertenforum Arbeitsrecht zwei im vergangenen Jahr ergangene Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts über Inhalt und Umfang der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern vor. Obgleich das Gericht "gewisse Pflöcke eingeschlagen hat", seien angesichts der betroffenen "widerstreitenden Interessen" weitere Auseinandersetzungen zu erwarten, prognostiziert der Autor.

OLG Dresden – NSU-Unterstützerin Eminger: Das Oberlandesgericht Dresden wird nun doch über eine Anklage gegen Susann Eminger wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verhandeln müssen. Dies entschied der Bundesgerichtshof mit nun veröffentlichtem Beschluss bereits Mitte April. Das OLG hatte im vergangenen Oktober nur die Anklage wegen Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen zugelassen, hiergegen wandte sich der Generalbundesanwalt nun erfolgreich. Die Angeschuldigte ist die Ehefrau des im Münchner NSU-Verfahren als Unterstützer verurteilten Andre Eminger. LTO berichtet.

KG Berlin zu Plagiats-Behauptung: Auch in der Berufung am Berliner Kammergericht blieb Rechtsprofessor Stephan Meder mit dem Versuch erfolglos, seinen Kollegen Peter Oestmann zur Unterlassung bezüglich der Behauptung eines Plagiats verurteilen zu lassen. Insbesondere der Versuch, die Begrifflichkeit des Plagiats unter kulturgeschichtlichen Maßstäben und nicht jenen des Urheberrechts zu bemessen, verfing nicht, so die FAZ (Jochen Zenthöfer).

OVG NRW zu JA-Einstufung: Ohne Sachentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Beschlusswege die von AfD und deren früherer Jugendorganisation Junge Alternative eingelegten Eilbeschwerden als unzulässig verworfen. Die Anträge gegen die Einstufung der JA als gesichert rechtsextreme Bestrebung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entbehrten nach der Auflösung der JA einer Grundlage. Wegen tatsächlicher Anhaltspunkte für das weitere Vorliegen einer Bestrebung könne aber weiterhin von einem Verdachtsfall ausgegangen werden, so das OVG laut beck-aktuell.

VGH BaWü – Klimaschutz: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eine Klage gegen die grün-schwarze Landesregierung eingelegt. Grund sei das Unterlassen von erforderlicher Maßnahmen angesichts der im Landesklimaschutzgesetz beschriebenen "drohenden erheblichen Zielabweichung". beck-aktuell und taz (Jonas Waack) berichten.

VG München zu Asylunterkunft: Am Verwaltungsgericht München ist die Gemeinde Rott am Inn mit einem Eilantrag abgewiesen worden, der sich gegen die vom Landkreis erlassene Baugenehmigung für eine Asylbewerberunterkunft richtete. Die Gemeinde mache u.a. geltend, dass angesichts der neuen Migrationspolitik der Bedarf entfallen sei, konnte sich aber weder mit diesem noch anderen Argumenten durchsetzen. Sie verfolgt ihr Anliegen weiter, so die Welt (Christoph Lemmer) in einer ausführlichen Darstellung.

StA Dresden – Robert Habeck: Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen den früheren Bundeswirtschaftsminister und jetzigen Bundestagsabgeordneten Robert Habeck (Grüne) wegen des Verdachts der Verleumdung. Grund sei eine Strafanzeige der BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nach einer Wahlkampfäußerung Habecks, der im vergangenen August behauptete, das BSW werde "von Moskau, von Putin" bezahlt, wie bild.de (Michael Deutschmann/Franz Solms-Laubach) berichtet. In der vergangenen Woche lehnte der Bundestag die Aufhebung der Immunität Habecks ab. Hierbei sei aber nicht bekannt, ob sich der zugrundeliegende Antrag auf die Dresdner Ermittlungen beziehe.

Recht in der Welt

USA – Nationalgarde: Nach Ausschreitungen in Los Angeles hat Präsident Donald Trump Einheiten der Nationalgarde sowie auch Marineinfanteristen des nationalen Militärs nach Kalifornien entsandt. Der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Gavin Newsom will die gerichtliche Feststellung erzwingen, dass die Maßnahmen des Präsidenten rechtswidrig sind. Dies schreiben spiegel.de (Corneliius Dieckmann) und LTO und gehen auch auf die Rechtsgrundlage der Entsendung ein. Gegen den erklärten Willen einer bundesstaatlichen Regierung wurden Truppen zuletzt 1965 zum Schutz der Bürgerrechtsbewegung in Alabama eingesetzt. beck-aktuell unternimmt zusätzlich einen rechtsvergleichenden Blick auf die hiesigen Verhältnisse. Während Art. 35 Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr als Amtshilfe v.a. bei Naturkatastrophen erlaubt, regelt Art. 87a GG den Einsatz bei militärischen Aufständen.

Nach Meinung von Joachim Käppner (SZ) belegt das Vorgehen des Präsidenten, "dass er keine Mittel zu jenem autoritären Umbau des Gesellschaft scheut, den seine Gegner zu Recht fürchten." Auch wenn das Land "nicht Deutschland 1920 und erst recht nicht Chile 1973" sei, bewege es sich doch “in eine gefährliche Richtung.”

USA – AP: Die US-Regierung darf der Nachrichtenagentur AP den Zugang zu zugangsbeschränkten Orten wie dem Oval Office oder dem privaten Anwesen des Präsidenten in Mar-a-Largo verweigern. Dies entschied laut beck-aktuell ein Berufungsgericht und hob damit eine gegenläufige Anordnung einer unteren Instanz wieder auf. Die Aufhebung bezieht sich ausdrücklich nicht auf weniger zugangsbeschränkte Orte wie etwa den East Room des Weißen Hauses.

USA – Rechtsanwalt Damian Williams: LTO berichtet über den US-amerikanischen Anwalt Damian Williams. Der vormalige Bundesanwalt hatte sich erst zu Beginn des Jahres der Kanzlei Paul, Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison gewechselt, die dann aber als erste einen Deal mit der Regierung geschlossen hatte. Inzwischen wechselte der zur Kanzlei Jenner & Block, die sich gegen eine Executive Order zur Wehr gesetzt und eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung erwirkt hatte.

Malta – Mord an Daphne Caruana Galizia: Wegen Beihilfe zum Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia wurden in Malta zwei Männer zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatten die Autobombe geliefert, die beim 2017 verübten Attentat verwendet wurde, so spiegel.de. Die drei Männer, die die Tat dann ausführten waren bereits 2021 bzw. 2022 verurteilt worden. Der mögliche Hintermann des Attentats, der Geschäftsmann Yorgen Fenech, wartet noch auf seinen Prozess.

Sonstiges

Verfassungsschutzbericht: Im nun von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgestellten Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz sind wachsende Zahlen in den Bereichen Rechtsextremismus, Reichsbürger, Islamismus sowie Linksextremismus vermerkt. Der weitaus stärkste Anstieg betrifft den Rechtsextremismus und dürfte mit dem Mitgliederzuwachs bei der AfD im Zusammenhang stehen. Es berichten FAZ (Friederike Haupt), SZ (Markus Balser), LTO und beck-aktuell.

Flank AI: Das Hbl (Nadine Schimroszik) stellt das Berliner Start-up Flank AI vor. Gegründet von drei jungen Menschen, unter ihnen Lilian Breidenbach, Tochter von Rechtsprofessor Stephan Breidenbach, bietet das Unternehmen eine Software an, mit der sich juristische Routineaufgaben erledigen lassen.

AfD-Mitgliedschaft und Polizeidienst: In einem Interview hat der Polizeibeauftragte des Bundes, Uli Grötsch (SPD), dargelegt, dass ein "sichtbares Engagement für die AfD" die Entfernung aus dem Polizeidienst zur Folge haben müsse. Grötsch versteht hierunter parlamentarische Kandidaturen und den "offenen" Einsatz für die Partei, so LTO.

Das Letzte zum Schluss

Souvenir: Karls Erdbeerhöfe bieten neben lärmenden Familienspaß auch Kaffeetassen aus Emaille. Diese sind so beliebt, dass im vergangenen Jahr in den sieben Parks des Unternehmens gleich 63.000 Stück abhanden kamen, wie bild.de (Thomas Fischer) schreibt. Neben einem fairen Kaufpreisangebot von 2,50 Euro setzt der Unternehmenschef jetzt auch auf das schlechte Gewissen der Kundschaft: Wer sich den Kaufpreis spart, wird von einer Botschaft auf der Unterseite der Tasse gegrüßt, die Dieben eine "Bad-Vibes-Zone" im heimischen Küchenschrank voraussagt.

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/mpi/chr

(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Juni 2025: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57386 (abgerufen am: 13.06.2025 )

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