Die juristische Presseschau vom 11. Juni 2013: BVerfG vs. EZB - Überwachung auf amerikanisch - Die Rosenburg und die Nazis

11.06.2013

Showdown in Karlsruhe. Ab Dienstag verhandelt das BVerfG zu Rettungsmaßnahmen der EZB und zwar öffentlich. Außerdem in der heutigen Presseschau: Überwachung auf amerikanisch, Nachruf auf Konrad Redeker, Dante und der § 63 StGB, Missbrauch unter Wandervögeln, Nazis im BMJ und eine Überweisung mit ganz vielen Zweien.

BVerfG zu EZB: Die europäische Zentralbank EZB kündigte im vergangenen September an, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen. Von dem Programm unter dem Namen OMT ("Outright Money Transactions") können betroffene Staaten dabei nur profitieren, wenn sie sich den strengen Regeln des europäischen Finanzrettungsschirmes ESM unterwerfen. Kritiker sehen dagegen ein unkontrollierbares Haftungsrisiko der Bundesrepublik, eine Verletzung der Haushaltsautonomie des Bundestages sowie einen Verstoß gegen das Verbot der direkten Staatsfinanzierung im EU-Vertrag und strengten daher eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht an, über die ab Dienstag in Karlsruhe öffentlich verhandelt wird. Befürworter sehen dagegen die gemeinsame europäische Währung in Gefahr.

Über das ungewöhnliche Verfahren, die beteiligten Akteure und das mögliche Ergebnis berichtet die FAZ (Joachim Jahn) in ihrem Wirtschafts-Teil.

Der Bericht der SZ (Wolfgang Janisch) sieht eine Frage "aus dem juristisch-ökonomischen Grenzland" als entscheidend an: Betreibt die EZB Fiskalpolitik? Um ohne "ökonomische und justizielle Verheerungen" auszukommen, denke man in Karlsruhe jedenfalls darüber nach, der EZB schonend Grenzen aufzuzeigen.

In einem ausführlichen Interview mit dem Verfassungsblog äußert Rechtsprofessor Ingolf Pernice Zweifel an der Prüfkompetenz des BVerfG. Sollte das Gericht zur Auslegung des EU-Vertrages entscheiden, ohne dem Europäischen Gerichtshof diese Frage vorzulegen, bedeute dies "eine Krise des europäischen Rechts und auch des Verfassungsrechts."

Das Handelsblatt (Axel Schrinner) stellt in seinen Namen des Tages Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber vor, der im Verfahren Berichterstatter ist. Der "Konservative{r}, wie er im Buche steht" sei besorgt über die Entmachtung der vom Volk gewählten Abgeordneten und war bis vor einem Jahr im Verein "Mehr Demokratie" aktiv. Der gehöre nun zu den Klägern.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Kartellrechtsnovelle: Ein Gesetzesvorhaben zur Neugestaltung des Kartellrechts hat am vergangenen Mittwoch den Vermittlungsausschuss passiert. Es dürfte damit wohl noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden. Rechtsanwalt Axel Gutermuth stellt auf lto.de die gefundenen Kompromisse zur Fusionskontrolle von gesetzlichen Krankenkassen und zur wegfallenden Gebührenkontrolle der Kartellbehörden gegenüber kommunalen Versorgern vor.

Europäische Drei-Prozent-Hürde: Über die Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestages zur Einführung einer Drei-Prozent-Sperrklausel für die im nächsten Jahr stattfindende Europawahl berichtet die FAZ (Günter Bannas). Die geladenen Rechtswissenschaftler sprachen sich mehrheitlich für eine solche Sperrklausel aus, warnten jedoch auch vor dem Risiko einer erneuten Verwerfung durch das Bundesverfassungsgericht.

Überwachung auf amerikanisch: Mit dem jüngst publik gewordenen Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA beschäftigt sich ein Beitrag der Rechtsanwälte Thomas Weimann und Daniel Nagel auf lto.de. Die Autoren zeichnen die gesetzlichen Grundlagen der Datenschnüffelei nach und resümieren, dass Schutzbestimmungen aus dem europäischen oder deutschen Recht für Betroffene praktisch nicht durchsetzbar seien.

Zum selben Schluss kommt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar im Interview mit dem Handelsblatt (Daniel Delhaes). Er fordert daher "eine globale Grundrechtecharta zum Schutz personenbezogener und damit sensibler Daten." Heribert Prantl (SZ) vergleicht in seinem Kommentar die vor einigen Jahren kursierenden Pläne für Nacktscanner an Flughäfen als "Kinderspielzeug" gegenüber den Aktivitäten der NSA. Deren Bekanntwerden habe immerhin den Vorteil, dass die gängige Begründung für den Umbau des Sicherheitssystems nach dem 11. September - "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten." - als die Dummheit entlarvt werde, die sie sei.

Schadensersatz wegen Kartellverstoß: Nach Informationen des Handelsblatts (Thomas Ludwig) plant die EU-Kommission die Einführung einer Klagemöglichkeit für kartellgeschädigte Verbraucher. Zu diesem Zweck solle bei festgestellten Wettbewerbsverstößen künftig eine konkrete Schadenssumme beziffert werden, die dann zur Grundlage einer Schadensersatzklage gemacht werden könne. Die Kommission empfehle zudem den Mitgliedsstaaten, kollektive Schadensersatzklagen etwa durch Verbraucherverbände auf nationaler Ebene zu ermöglichen. Bei der Umsetzung sollten sich die Staaten aber nicht am US-Sammelklagen-System orientieren.

Auskunftspflicht für Kapitalerträge: Das Handelsblatt (Ruth Berschens) berichtet über einen vom EU-Steuerkommissar Algirdas Semetas vorgelegten Richtlinienentwurf, nach dem ab 2015 Banken gezwungen werden sollen, Steuerbehörden über sämtliche Einkünfte von EU-Ausländern zu informieren. Nach der 2011 beschlossenen Richtlinie zur Zusammenarbeit der Steuerbehörden waren Kapitaleinkünfte vom automatischen Informationsaustausch nicht erfasst. Diese Lücke solle nun durch eine Zusammenlegung mit der Zinssteuerrichtlinie geschlossen werden.

Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen: Übereinstimmenden Meldungen der FAZ, SZ und Welt zufolge befassen sich die Justizminister der Länder auf der anstehenden Justizministerkonferenz mit der Möglichkeit von Live-Übertragungen aus Gerichtssälen. Es sei eine Öffnung dergestalt denkbar, dass etwa Urteilsverkündungen von Prozessen von überragendem zeitgeschichtlichen Interesse ermöglicht werden.

Rechtspolitisches Engagement: Die Welt (Alexandra Grauvogel) schreibt über einen hartnäckigen Ex-Polizisten, der seine Arbeit wegen einer schweren Erkrankung aufgeben musste und anschließende Prozesse gegen seine Krankenversicherung verlor. Über Petitionen und zahllose Telefonate mit Abgeordneten erreichte der Mann eine Änderung der Zivilprozessordnung, nach der es für Versicherte leichter sein soll, vor Gericht aufzutreten und etwa auch eigene Gutachten vorzulegen. Aktuell sei er für eine Änderung des Sachverständigenrechts aktiv.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Juni 2013: BVerfG vs. EZB - Überwachung auf amerikanisch - Die Rosenburg und die Nazis . In: Legal Tribune Online, 11.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8895/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen