Die juristische Presseschau vom 10. Mai 2012: Homosexuelle fordern Rehabilitation – Recht für Roboter – Kein "Gift" im Giftskandal

10.05.2012

Ein beschämendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht im Zentrum der Debatte um die Rehabilitation verurteilter homosexueller Männer in Deutschland. Außerdem in der Presseschau: Gesetze für Roboter, Gefängnisleiter gegen Warnschussarrest, der Dortmunder Giftskandal, Persönlichkeitsrecht 2.0, Twitter gegen US-Justiz – und enthörnte Nashörner in süddeutschen Museen.

Homosexuellen-Rehabilitation: Mit der Debatte um die Anerkennung der strafrechtlichen Verfolgung männlicher Homosexueller in der Bundesrepublik als Unrecht beschäftigt sich die taz (Paul Wrusch). Bis 1994 sei Geschlechtsverkehr zwischen Männern auf Grundlage von § 175 des Strafgesetzbuches verfolgt worden, der 1957 auch vom Bundesverfassungsgericht legitimiert worden sei.

Dieses bezeichnet Christian Rath (taz) als "zeitbedingtes Fehlurteil" und ist sich sicher, dass "kein Affront gegen Karlsruhe" darin liege, die Vorschrift rückblickend im Bundestag "als verfassungswidriges Unrecht" zu brandmarken.

Salafisten/Islamfeinde: Mit der Frage, wie der Staat auf die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Salafisten und Islamfeinden reagieren soll, beschäftigen sich Heribert Prantl (SZ) und Georg Paul Hefty (FAZ). Während Prantl dazu aufruft, den beidseitigen Fundamentalismus "mit strafrechtlichen und bürgerschaftlichen Mitteln" zu bekämpfen, plädiert Hefty dafür, zwischen "Bekundungen von Freiheiten und dem Missbrauch von Freiheiten zur gezielten Provokation glasklar zu unterscheiden" – und mit Härte zu reagieren.

Die Reaktion von Bundesinnenminister Friedrich (CSU), der ein scharfes Vorgehen gegen die Salafisten fordert, dokumentiert unter anderem die FR (Bettina Vestring).

Weitere Themen – Rechtspolitik

Roboterrecht: Über die gerade abgeschlossene Bielefelder Tagung zum "Roboterrecht" berichtet die FR (Matthias Benirschke). Nach Einschätzung von Eric Hilgendorf, Professor an der Würzburger Forschungsstelle für Robotrecht, erfordere die "rasante technische Entwicklung" gesetzliche Regelungen für Roboter bzw. "autonome Systeme".

Vorratsdatenspeicherung: Nach einem Bericht der FAZ (Peter Carstens) hat Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in einem Brief an Bundesinnenminister Friedrich (CSU) "erhebliche datenschutzrechtliche Mängel" der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung betont und ihren Kollegen gebeten, mit ihr gemeinsam bei der EU-Kommission auf eine zügige Überarbeitung hinzuwirken. Hintergrund ist der Streit der beiden Ressorts über die Umsetzung der Richtlinie.

netzpolitik.org (Andre Meister) berichtet derweil über eine nichtöffentliche Anhörung des Innenausschusses zum Thema.

Warnschussarrest: Nach einer Meldung der FTD hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Jugendstrafanstalten ablehnend gegenüber der von der Bundesregierung geplanten Einführung eines Warnschussarrests für jugendliche Straftäter geäußert. Wegen der Kürze der Inhaftierung sei hier "eine erzieherische Einwirkung kaum möglich".

Weitere Themen – Justiz

Giftskandal: Vor dem Dortmunder Landgericht findet seit dem gestrigen Mittwoch der Strafprozess gegen den Chef des Recyclingbetriebs Envio, Dirk Neupert, statt. Ihm wird 51-fache Körperverletzung und der "unerlaubte Umgang mit gefährlichen Stoffen in einem besonders schweren Fall" vorgeworfen, weil Arbeiter in dem Betrieb vermutlich krebserregenden polychlorierten Biphenylen (PCB) ausgesetzt waren. Über den Prozessauftakt berichtet die taz (Andreas Wyputta).

Mit der Frage, ob sich PCB juristisch als "Gift" klassifizieren lasse, was zu einer Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung führen müsste, setzt sich Wyputta in einem weiteren taz-Artikel auseinander.

Den Prozess nimmt außerdem Reiner Metzger (taz) zum Anlass, um in einem Kommentar mehr unabhängige Gutachter und damit "mehr Waffengleichheit" in komplexen Vergiftungsprozessen zu fordern.

Persönlichkeitsrecht: Rechtsanwalt David Ziegelmayer (lto.de) nimmt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Veröffentlichung der Namen der Sedlmayr-Mörder zum Anlass, sich mit dem "portablen Persönlichkeitsrecht" auseinanderzusetzen. Habe man sich bisher gegen grenzüberschreitende Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet kaum zur Wehr setzen können, erlaube die sich dem Europäischen Gerichtshof anschließende Rechtsprechung des BGH nun die Verfolgung des Prinzips "surf global, sue local": Geklagt werden könne vom Verletzten an seinem Heimatort.

Volksverhetzung: Der Neonazi Martin Wiese ist vom Amtsgericht Gemünden wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Er habe den Gegnern von Neonazis in einer Rede auf dem "Nationalen Frankentag" im August 2011 mit der Todesstrafe durch einen "Volksgerichtshof" gedroht, berichten SZ (Tanjev Schultz) und FR.

Verhungertes Kind: Das Landgericht Mannheim hat eine Frau zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt, weil diese ihren schwerbehinderten Sohn verwahrlosen und verhungern ließ. Über den Prozess und den "Freispruch" für das Jugendamt berichtet spiegel.de (Julia Jüttner).

Doppelbesteuerungsabkommen/Zinsschranke: Nach einem Bericht der FTD (Jens Tartler) hält der Bundesfinanzhof mit den Gesetzen zu internationalen Doppelbesteuerungsabkommen und der Zinsschranke "zwei wichtige deutsche Steuerregeln für verfassungswidrig". Den ersten Fall habe er bereits dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, im zweiten sei die Entscheidung noch vorläufig.

Gekündigte Stalker: Stalking kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Über ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts informiert die Rechtsanwältin Cornelia Schmid auf dem Handelsblatt Rechtsboard.

Mutwillig verprügelt: Nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit kann nicht beanspruchen, wer aufgrund eines gewalttätigen Partners arbeitsunfähig ist und die Beziehung zu diesem nicht beendet. Dies stelle eine mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit dar, so laut blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) das Oberlandesgericht Köln.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Falcone: Ein Porträt des im Mai 1992 von der Mafia ermordeten und heute "als Nationalheld" verehrten italienischen Richters Giovanni Falcone liefert Die Zeit (Birgit Schönau).

Garzón: Der spanische Richter Baltasar Garzón hat gegen das ihm gegenüber wegen Abhörens von Verteidigergesprächen verhängte Berufsverbot das spanische Verfassungsgericht angerufen, meldet knapp die SZ.

Keine Homoehe: Im US-Bundesstaat North Carolina wurde bei einer Volksabstimmung die Verfassung dahingehend ergänzt, dass Ehen nur zwischen Männern und Frauen geschlossen werden können. Ein einfachgesetzliches Verbot der Homoehe bestand in dem Staat schon bislang. Es berichtet zeit.de.

Twitter vs. US-Justiz: Im Rahmen eines Strafverfahrens verweigert der Online-Kurznachrichtendienst Twitter in den USA die Herausgabe von Nutzerdaten an die Justiz. Es fehle an einem Durchsuchungsbeschluss, so Twitter laut spiegel.de (Richard Meusers).

Das Letzte zum Schluss

Nashornraub: Von einer Serie von Museumsdiebstählen der skurrileren Art berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt): Am Wochenende sägten Diebe im Naturkundemuseum der baden-württembergischen Stadt Bad Säckingen die Hörner zweier präparierter Nashörner ab. Im Februar waren in einem Offenburger Museum ebenfalls Nashörner entwendet worden.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Mai 2012: Homosexuelle fordern Rehabilitation – Recht für Roboter – Kein "Gift" im Giftskandal . In: Legal Tribune Online, 10.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6168/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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