Die juristische Presseschau vom 10. Januar 2020: Par­tei­s­pende an AfD rechts­widrig / Urhe­ber­recht vor dem BGH / Sieg für Vor­werk

10.01.2020

Die AfD unterliegt vor dem VG Berlin im Verfahren um eine für Jörg Meuthen erfolgte Parteispende. Außerdem in der Presseschau: Dreierlei Urheberrecht vor dem BGH und ein zu früh gekaufter Thermomix ist schlicht zu früh gekauft.

Thema des Tages

VG Berlin zu AfD-Parteispende: Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin um eine Wahlkampfspende für Jörg Meuthen hat die AfD eine Niederlage erlitten. Ein Schweizer Unternehmen hatte für Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 eine Werbekampagne finanziert. Das Gericht wertete dies als unzulässige Parteispende und wies eine Klage der AfD ab. Die Aktion sei der Partei zugute gekommen und nicht allein Meuthen. Die AfD habe gegen das Parteiengesetz verstoßen, ein von der Bundestagsverwaltung verhängtes Bußgeld sei deshalb nicht zu beanstanden. Gleichzeitig hob das Gericht die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens hervor und ließ die Berufung zu. Es berichten die FAZ (Helene Bubrowski) und lto.de sowie ausführlich zeit.de (Tilman Steffen) und spiegel.de (Severin Weiland).

Rechtspolitik

Klimapaket: Die SZ (Michael Bauchmüller) stellt ein Kurzgutachten der Stiftung Umweltenergierecht vor, demzufolge der im Klimapaket enthaltene Plan der Bundesregierung, die Einnahmen aus einer künftigen CO₂-Steuer im Wege einer Senkung der Erneuerbare-Energien-Umlage an die Bürger auszuschütten, beihilferechtlich problematisch ist. Das Vorhaben könnte demnach als staatliche Beihilfe gegen EU-Recht verstoßen. 

Lohngleichheit: Die EU-Kommission plant Maßnahmen, um das Lohngefüge in Betrieben transparenter zu machen und die Gehälter von Männern und Frauen anzugleichen. Der SZ (Karoline Meta Beisel) zufolge kommen als konkrete Maßnahmen Auskunftsansprüche von Arbeitnehmern oder aber Berichtspflichten für Unternehmen in Betracht. Mit den Informationen sollen Arbeitnehmer "den Wert ihrer Arbeit" einschätzen und auf dieser Grundlage eine faire Bezahlung aushandeln können, so die EU-Kommission. 

Planung und Bau von Infrastruktur: Die FAZ (Kerstin Schwenn) stellt zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Planungs- und Genehmigungsrecht in Bezug auf Infrastrukturprojekte vor. Demnach soll für zwölf Vorhaben des Schienen- und Wasserstraßenbaus die Möglichkeit geschaffen werden, statt über einen Verwaltungsakt die Baugenehmigung per Gesetz zu erlangen. Damit wäre für diese Vorhaben der Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen. Zudem sollen die Verfahren für Ersatzneubauten von Straßen und Schienenwegen verschlankt werden. 

In einem gesonderten Kommentar meint Kerstin Schwenn (FAZ), angesichts der viel zu langen Planungs- und Bauzeiten sei der Gesetzentwurf "den Versuch wert". Wichtig sei jedoch, die Öffentlichkeit früh einzubinden. Nur dies schaffe Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn gleichzeitig der Rechtsschutz verkürzt wird. 

Justiz

BVerfG – Schwangerschaftsabbrüche: Auf juwiss.de zeichnet der wissenschaftliche Mitarbeiter Matthias Friehe nach, wieso aus seiner Sicht Verfassungsbeschwerden von Gynäkologen, die Abtreibungen vornehmen, gegen die §§ 218 ff. Strafgesetzbuch keine Erfolgsaussichten haben. Die Vorschriften legalisieren den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Umständen. Die Tötung ungeborenen Lebens sei jedoch, so Friehe, kein schützenswerter "Beruf". Zudem finde kein Eingriff in die Berufsfreiheit statt.

BGH – Urheberrecht: In einem Überblicksartikel stellt lto.de (Christian Rath) drei Urheberrechtsverfahren vor, die am gestrigen Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurden. Zuvor hatte im Vorabentscheidungsverfahren jeweils der Europäische Gerichtshof entschieden. Im "Afghanistan-Leaks"-Fall hatte die Bundesregierung der Funke-Mediengruppe die Veröffentlichung von Afghanistan-Berichten untersagen wollen mit dem Argument, ihre Mitarbeiter hätten das Urheberrecht an den Berichten. Im "Kraftwerk"-Fall hatte der Hiphop-Künstler Moses Pelham Tonfetzen der Band Kraftwerk ohne deren Erlaubnis gesampelt und genutzt. Im Fall Volker Beck ging es um die Frage, ob Medien fremde Texte auch dann veröffentlichen können, wenn der Urheber diese (mit einer Distanzierung) bereits selbst veröffentlicht hat. 

Die SZ (Wolfgang Janisch) und spiegel.de widmen sich vertieft dem "Kraftwerk"-Rechtsstreit. In der Verhandlung zeigte sich demnach, dass Pelham zwar 1997 Kraftwerk samplen und benutzen durfte. Von 2002 an sei die Herstellung weiterer Tonträger aber wegen des Inkrafttretens der EU-Urheberrichtlinie nicht mehr erlaubt gewesen. Es sei aber auch denkbar, dass der BGH die Sache an das Oberlandesgericht zurückverweise oder erneut dem EuGH vorlege.

BGH zu Wuppertaler Doppelmord: Einer Meldung der FAZ zufolge hat der Bundesgerichtshof im Fall eines getöteten Wuppertaler Unternehmerpaars den Freispruch für den Geschäftspartner des wegen Totschlags und Mordes verurteilten Enkels aufgehoben. Die Strafkammer sei von Annahmen ausgegangen, für die es keine Anhaltspunkte gebe. Nun muss das Düsseldorfer Landgericht neu verhandeln. Die Revision des verurteilten Enkels verwarf der BGH indes.

BFH zu Pferdekutsche: Einem Urteil des Bundesfinanzhofs zufolge kann eine Pferdekutsche auf einer autofreien Insel als Taxi anzusehen sein. Steuerbegünstigt ist nicht nur der Taxiverkehr mit Kraftwagen. Ein Fuhrunternehmer muss deshalb nur den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent zahlen, wenn normale Taxen in der betreffenden Gemeinde nicht fahren dürfen. Es berichtet lto.de.

LVerfG MV zu rassistischer Sprache: grundundmenschenrechtsblog.de (Antonia Vehrkamp) befasst sich mit einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom Dezember. Dieses hatte geurteilt, dass die Erteilung eines Ordnungsrufes infolge der Verwendung des N-Wortes durch einen Landtagsabgeordneten ungerechtfertigt in dessen Rederecht eingreift. Nur wenn ein Wort in jedem denkbaren Kontext ausschließlich der Provokation oder der Herabwürdigung anderer diene, könne eine kontextunabhängige Rüge für einen Ausdruck ausgesprochen werden. Dies gilt nicht für das N-Wort, so das LVerfG. 

VGH BW zu Verbraucherportal: Einer Meldung der SZ zufolge hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Streit um die Einsicht in Lebensmittelkontrollberichte von Betrieben zugunsten der Verbraucher entschieden. Es bestünden keine rechtlichen Gründe, die von den Behörden beabsichtigte Übermittlung von Informationen zu Lebensmittelkontrollen in Supermärkten und Bäckereien vorläufig zu stoppen. 

OLG München zu Donna Asana: Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München muss ein Tierarzt dafür haften, dass ein Sportpferd stirbt, dem er ein homöopathisches Mittel gegen Husten gespritzt hat. Der Mann muss nun 250.000 Euro an die Halterin von "Donna Asana" zahlen, da er sie nicht hinreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt habe, berichtet lto.de

LG Duisburg – Gleisbett-Attacke: Vor dem Landgericht Duisburg wird seit dem gestrigen Donnerstag der Fall eines Mannes verhandelt, der eine 34-Jährige vor einen Zug gestoßen haben soll. Die Frau wurde tödlich verletzt. Angesichts einer möglichen Schuldunfähigkeit des Angeklagten verhandelt das Gericht über eine mögliche Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie. Am ersten Verhandlungstag ließ dieser erklären, er schubse keine Frauen, könne sich aber auch nicht an den Moment der Tat erinnern. Mehrere Zeugen schilderten, wie sie den Morgen am Bahnsteig erlebt haben. Es berichten spiegel.de, bild.de (Andreas Wegener/Michael Engelberg) und die Welt (Kristian Frigelj).

LG Hildesheim – Missbrauch durch Ersatzeltern: In Hildesheim hat vor dem dortigen Landgericht der Prozess gegen ein Ehepaar erneut begonnen, dem sexueller Missbrauch und schwere Misshandlung hilfsbedürftiger Kinder vorgeworfen wird, die das Ehepaar über Jahrzehnte betreut hatte. Das Verfahren hatte bereits im September begonnen, war dann aber ausgesetzt worden. Vor Gericht schwiegen die Angeklagten nun. Über den erneuten Prozessauftakt schreibt spiegel.de (Julia Jüttner).

LG München I – Rachemord: Die SZ (Joachim Käppner/Susi Wimmer) berichtet auf der Seite 3 über den Prozessauftakt gegen einen jungen Mann vor dem Landgericht München I. Er soll aus Rache versucht haben, die Familie seiner Freundin zu töten. Tatsächlich erstach er wohl die Schwester der Freundin, Mutter und Bruder wurden verletzt. Ein wirkliches Motiv ist jedoch auch nach dem ersten Verhandlungstag schwer auszumachen.

LG Neubrandenburg zum Fall Leonie: Das Landgericht Neubrandenburg hat den Stiefvater der in Torgelow getöteten Leonie wegen Mordes durch Unterlassen, Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das sechsjährige Mädchen war über längere Zeit misshandelt und im Januar 2019 tot aufgefunden worden. FAZ.net berichtet.

LG Wuppertal zu Thermomix: Einem Urteil des Landgerichts Wuppertal zufolge war der Hausgerätehersteller Vorwerk nicht verpflichtet, seine Kunden lange im Voraus von dem geplanten Modellwechsel des Küchengeräts Thermomix zu informieren. Vorwerk habe ein berechtigtes Interesse gehabt, die aktuelle Produktion noch abzusetzen, ohne Hinweise auf den Produktwechsel zu geben. spiegel.de und lto.de berichten.

Diesel-Skandal vor dem LG Stuttgart: Das Hbl (René Bender u.a.) schreibt ausführlich über Versuche seitens des Daimler-Konzerns, Richter des Landgerichts Stuttgart wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen sowie über den dadurch ausgelösten, offenen Konflikt zwischen zwei Richtern.  


Recht in der Welt

Libanon/Japan – Ex-Nissan-Chef Ghosn: Im Fall des aus Japan in den Libanon geflüchteten Ex-Managers Carlos Ghosn hat die libanesische Staatsanwaltschaft laut zeit.de eine Ausreisesperre verhängt. Die SZ (Thomas Hahn) bringt indessen ein Porträt der japanischen Justizministerin Masako Mori, die zu von Ghosn geäußerten Vorwürfen in Bezug auf die japanische Justiz Stellung nahm. Sie sei "die japanische Gegenfigur zum lauten, wuchtigen Weltmann Ghosn" und erfüllte "ihre Rolle als Verteidigerin der gescholtenen japanischen Justiz mit souveräner Freundlichkeit", so die SZ. Der japanische Rechtsstaat sehe freilich dennoch "praktisch unbegrenzte Untersuchungshaft und überharte Kautionsauflagen" vor. 

Spanien – EU-Abgeordneter Junqueras: In Spanien hat der Oberste Gerichtshof entgegen einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Dezember entschieden, dass der gewählte katalanische Europaabgeordnete Oriol Junqueras in Haft verbleibt und seinen Sitz im Europäischen Parlament nicht einnehmen kann. Der EuGH hatte festgestellt, dass Junqueras schon seit der Europawahl Immunität genießt. Es berichten taz (Reiner Wandler) und FAZ (Hans-Christian Rössler).

In einem gesonderten Kommentar kritisiert Reiner Wandler (taz) die spanische Entscheidung. Die spanische Justiz lege sich offen mit Europa an. Damit werde ein weiterer Teil des Rufes verspielt, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein. Für die Richter stehe offenbar die Idee eines einheitlichen und großen Spaniens über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. 

Türkei – EGMR zu Terrorprozessen: Der Jurist und Aktivist Ali Yildiz und die Journalistin Leighann Spencer erläutern auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die türkische Anti-Terror-Gesetzgebung nach dem Anti-Terror-Gesetz und dem Strafgesetzbuch sowie deren schwammige Auslegung. Zudem schildern sie ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofes (EGMR) in Straßburg, der die Türkei Anfang Dezember im Hinblick auf diese Gesetzgebung wegen Verstoßes gegen Art. 7 Menschenrechtskonvention verurteilt hat. Artikel 7 enthält den Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz".

Juristische Ausbildung

Examen ohne Repetitor: lto.de (Sabine Olschner) geht Gründen für den anhaltenden Erfolg kommerzieller Repetitorien nach. Dem Rechtsprofessor Horst Dreier zufolge ist es der Gegensatz von wissenschaftlich orientiertem Studium und praxisorientiertem Examen, der zu Unsicherheit führt. Alpmann Schmidt-Chef Rolf Krüger verweist zudem auf den Stoffumfang und den psychischen Druck des Examens. Letztlich komme es jedoch auf den Lerntypen an, ob man sich auf ein Repetitorium verlassen wolle oder die Examensvorbereitung eigenständig organisiere. Vorgestellt wird auch das Buch "Examen ohne Repetitor" von Thorsten Deppner und anderen.

Sonstiges

Bauordnungsrecht: Die Rechtsanwälte Thomas Schröer und Michael Kummer erläutern in der FAZ den Einfluss des Bauordnungsrechts auf die "Misere im Wohnungsbau". Dabei geht es um die drei Regelungsfelder des Abstandsflächen- und Stellplatzrechts sowie des Brandschutzes. Die Autoren heben hervor, dass der Wohnungsbau ein öffentlicher Belang von besonderem Gewicht sei. Im Verwaltungsvollzug seien jedoch gesetzlich definierte Sicherheitsstandards einer relativierenden Abwägung nicht zugänglich. Das Interesse an der Reduzierung von Baukosten stehe deshalb keineswegs der Gefahrenabwehr gleich. 

Datenschützer Stefan Brink: FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) bringt ein Gespräch mit dem baden-württembergischen Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink. Aus seiner Sicht verstoßen die großen sozialen Netzwerke gegen die Datenschutzgrundverordnung. Da Unternehmen und Behörden nicht effektiv gegensteuerten, sei es notwendig, gegen Nutzer vorzugehen, um die Konzerne zum Handeln zu bewegen. Dies verlange auch der EuGH, der "den Datenschutz wirklich mit harter Hand durchsetzen" wolle. 

Nazi-Richter: Das Feuilleton der SZ (Nicolas Freund) schreibt ausführlich über den ehemaligen Militärrichter Manfred Roeder, der auch als "Hitlers Bluthund" bezeichnet wurde. Er war federführend im Prozess gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" sowie gegen die Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi. Nun setzt sich die Gemeinde Glashütten im Taunus damit auseinander, dass Roeder nach dem Krieg jahrzehntelang unbehelligt dort lebte und als stellvertretender Bürgermeister tätig war.

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/jng

(Hinweis für Journalisten)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Januar 2020: Parteispende an AfD rechtswidrig / Urheberrecht vor dem BGH / Sieg für Vorwerk . In: Legal Tribune Online, 10.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39607/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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