Die juristische Presseschau vom 9. August 2012: BVerfG stärkt Gleichstellung – Bundestag blockiert Anti-Korruptionsabkommen – VGH kippt Glasverbot

09.08.2012

Die leidenschaftlich geführte Debatte um die Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften gewinnt durch einen aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts weiter an Schwung. Außerdem in der Presseschau: der Bundestag blockiert das Uno-Korruptionsabkommen, das Glasverbot am Bodensee wurde gekippt, in Koblenz ist eine rechte Demonstration am Christopher Street Day zulässig und ein randalierendes Wildschwein landet vor Gericht.

BVerfG zu Homo-Grunderwerbssteuer: Nach einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verstößt es gegen das Grundgesetz, dass eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehepaare von der Grunderwerbssteuer befreit werden. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die langjährige Benachteiligung verfassungswidrig sei. Das Gericht forderte den  Bundestag auf, bis Ende des Jahres eine rückwirkende Korrektur ab 2001 vorzunehmen, die bereits beschlossene Gleichstellung ab 2010 genüge nicht. Dies berichtet die taz (Christian Rath), die den Beschluss auch in Bezug zur Diskussion über die Gleichstellung von Homo-Paaren beim Ehegattensplitting setzt. Es berichten ebenfalls die FTD (Timo Pache) und die FAZ.

Adoption durch Homosexuelle: Vor dem Bundesverfassungsgericht ist aktuell ein Verfahren zum Adoptionsrecht eingetragener Homo-Partnerschaften anhängig. Die taz (Christian Rath) skizziert die aktuelle Rechtslage. Danach sei die so genannte Stiefkindadoption von leiblichen Kindern eines Partners zulässig. Ob das bislang geltende Verbot der Stiefkindadoption von adoptierten Kindern, die in die Beziehung mitgebracht werden, gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstoße, müsse bald das BVerfG entscheiden.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Anti-Korruptionsabkommen: Die deutsche Wirtschaft hat die Politik zur Umsetzung des Uno-Korruptionsabkommens aufgefordert, meldet die FTD (Kai Beller/Claudia Kade/Jens Tartler). Deutschland hat das Abkommen bereits 2003 unterzeichnet, die Ratifizierung scheiterte bislang aber an der Blockade von Union und FDP. Kern der Debatte ist die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung. Die Koalitionsfraktionen lehnen eine Regelung ab, weil sie die freie Ausübung des Mandats in Gefahr sehen. Über die neu entfachte Debatte berichtet auch die SZ (Björn Finke/Thomas fromm/Susanne Höll).

Joachim Jahn (FAZ) meint dazu, dass die Abwehrhaltung der Regierungskoalition und die Feinheiten des deutschen Rechtssystems im Ausland schwer zu vermitteln seien. Deutschland müsse das Abkommen ratifizieren, um auf dem internationalen Parkett glaubwürdig zu bleiben. Thomas Siegmund (Handelsblatt) hält die Blockade für "beschämend" und hofft, dass die "Lachnummer" bald zu Ende gehe.

Euro-Rettung und Bundestag: Im Gespräch mit der Zeit verteidigt Bundestagspräsident Norbert Lammert die Mitsprache-Rechte der Parlamente bei der Euro-Rettung. Die Debatte um ein Referendum auf nationaler oder europäischer Ebene halte er für verfehlt und spricht sich dafür aus, die "Veränderungen im europäischen Prozess" auf parlamentarischer Ebene zu lösen.

Weitere Themen - Justiz

Euro-Rettung und Verfassungsgericht: Die FAZ bringt auf der Seite "Staat und Recht" zwei Gastbeiträge zur Rolle des Bundesverfassungsgerichts in der europäischen Integration. Der Rechtsprofessor Mattias Krumm kritisiert das Karlsruher Gericht dafür, die Verfassung "unnötig zu verengen". Es sei für das BVerfG an der Zeit, die europäische Dimension des Demokratieprinzips ernst zu nehmen. Der Rechtsprofessor Hans-Peter Schneider fordert einen öffentlichen Diskurs über die Verfassungsidentität Deutschlands, die von der europäischen Integration in Frage gestellt werde.

OLG Stuttgart zu Überwachungspflichten: Auf dem Handelsblatt-Rechtsboard bespricht der Rechtsanwalt Rainer Scharf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zum Umfang der Überwachungspflicht von Aufsichtsräten. Nach Ansicht des Gerichts sei der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft grundsätzlich nicht zur laufenden Überwachung des Vorstandes in allen Einzelheiten verpflichtet.

VGH Baden-Württemberg zu Glasverbot: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das Glasverbot am Bodenseeufer gekippt, berichtet lto.de. Die nun für rechtswidrig erklärte Polizeiverordnung der Stadt Koblenz hatte das Mitführen zerbrechlicher Behältnisse untersagt. Nach Ansicht des  VGH lasse sich aber nicht feststellen, inwieweit es in der Vergangenheit zu entsprechenden Schnittverletzungen gekommen sei. Reine Vorsorgemaßnahmen seien nicht zulässig.

VG Koblenz zum Versammlungsrecht: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz ist eine rechte Demonstration am Christopher Street Day zulässig, berichtet lto.de. Die Stadt Koblenz hatte ihr Verbot einer rechten Demonstration lediglich mit der ablehnenden Haltung der rechten Szene gegenüber Homosexuellen begründet. Dies reiche für ein Versammlungsverbot nicht aus, so die Richter.

OLG Düsseldorf stoppt Video-Onlineplattform: In einem Beitrag für lto.de setzt sich der Rechtsprofessor Thomas Hoeren mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu der von RTL und Pro7Sat1 geplanten Online-Videoplattform auseinander. Das OLG schloss sich der Entscheidung des Bundeskartellamtes an, die das Gemeinschaftsunternehmen untersagt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

LG Heidelberg - Verivox: In der FTD findet sich ein ausführlicher Beitrag zu einem "Wirtschaftskrimi", der derzeit am Landgericht Heidelberg anhängig ist. Die beiden Gründer des Vergleichsportals Verivox streiten sich um die Frage, ob der eine den anderen über den Tisch gezogen habe. Es gehe um Gier, angeblichen Betrug und 290 Millionen Schadensersatz.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Russland – Pussy-Riot-Prozess: In Russland nähert sich der weltweit für Aufsehen sorgende Prozess gegen die Punkband Pussy-Riot seinem Ende, meldet die FR (Christian Esch). In einer Schlusserklärung hätten die angeklagten Musikerinnen dem Gericht stalinistische Methoden vorgeworfen. Ein Urteil werde für den 17. August erwartet, so die Zeitung. Vom letzten Verhandlungstag berichten auch die SZ (Julian Hans) und ausführlich Die Zeit (Diana Laarz).

Rumänien – Verfassungsgericht: Wie die FTD (Benjamin Dierks) meldet, hat sich die europäische Kommission in den rumänischen Verfassungsstreit eingemischt und das Verfassungsgericht des Landes in Schutz genommen. Die EU-Kommission habe den rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta aufgefordert, die Unabhängigkeit der Institution zu achten.

Das Letzte zum Schluss

Wildschwein vor Gericht: Während ein bissiges Wildschwein die Attacke auf seinen neuen Besitzer mit dem Leben bezahlte, hat der Verkauf des renitenten Tieres nun ein juristisches Nachspiel: Wie die SZ (Christian Rost)  berichtet, erlitt der Mann bei der Attacke blutige Fleischwunden und verlor sogar Teile seines rechten Mittelfingers. Vor dem OLG München klagt er nun gegen den Vorbesitzer, den "Bayernpark" im niederbayerischen Reisbach, auf Schmerzensgeld und Verdienstausfall.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lp

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. August 2012: BVerfG stärkt Gleichstellung – Bundestag blockiert Anti-Korruptionsabkommen – VGH kippt Glasverbot . In: Legal Tribune Online, 09.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6802/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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