Die juristische Presseschau vom 9. Februar 2016: Ausch­witz-Pro­zesse / Papier zu Bar­geld / Kritik an Pri­vacy Shield

09.02.2016

Wachtätigkeiten im KZ Auschwitz werden die Strafjustiz demnächst in mehreren Verfahren beschäftigen. Außerdem in der Presseschau: Hans-Jürgen Papier zu Bargeld-Beschränkungen, Kritik an Privacy Shield und Nachwuchsfußballer im Abseits.

Thema des Tages

Auschwitz-Prozesse: Am kommenden Donnerstag beginnt am Landgericht Detmold der Prozess gegen ein früheres Mitglied der Wachmannschaft im KZ Auschwitz. Vergleichbare Verfahren stehen vor den Landgerichten Neubrandenburg, Hanau und Kiel bevor. Die Gründe dieser Häufung legt die SZ (Hans Holzhaider) dar. Staatsanwaltschaften hätten sich ausgehend von der Verurteilung John Demjanjuks durch das Landgericht München II zu "einer konsequenteren Anwendung des Beihilfeparagraphen im Strafrecht entschlossen". Ob dabei der Verzicht auf einen Nachweis einer individuellen Beteiligung an konkreten Tötungshandlungen zugunsten der Annahme einer fortlaufenden Unterstützung des "insgesamt auf Tötung ausgerichteten Systems des Konzentrationslagers", so das Landgericht Lüneburg bei seinem Urteil über Oskar Gröning im vergangenen Juli, tatsächlich Bestand haben werde, müsse sich noch zeigen. Denn sind zu diesem Verfahren noch Revisionsanträge anhängig.

Die diesbezügliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs stehe im Frühjahr an, schreibt die taz (Klaus Hillenbrand). Die jetzigen Verfahren seien maßgeblich auf das Wirken des vormaligen Leiters der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Kurt Schrimm, zurückzuführen. Dessen Amtsnachfolger Jens Rommel rechne nicht mit weiteren Anklagen. Gegenwärtig konzentriere sich seine Behörde auf Aktenrecherchen. So würden lateinamerikanische Einwanderungsakten von Deutschen ebenso wie Urteile sowjetischer Gerichte gegen deutsche Kriegsgefangene nach Informationen zu möglichen Tätern durchforstet.

Rechtspolitik

Bargeld-Beschränkungen: Der FAZ (Joachim Jahn u.a.) hat Hans-Jürgen Papier, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts, erklärt, dass Beschränkungen von Bargeldzahlungen verfassungswidrig seien. Als Eingriffe in Freiheitsrechte, konkret die Vertragsfreiheit und die Privatautonomie, seien derartige Beschränkungen nicht gerechtfertigt, zudem bestehe die Gefahr einer totalen Erfassung und Registrierung der "Freiheitswahrnehmung von Bürgern". Argumente für (Nora Kolhoff/Aloysius Widmann) und gegen (Harald Freiberger) die Verwendung von Bargeld stellt die SZ in zwei Beiträgen zusammen.

Die Argumentation von Hans-Jürgen Papier fasst Joachim Jahn (FAZ) in einem Kommentar als "Grundrecht auf Bargeld" zusammen. Beachtlich sei zudem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, nach dem eine Überwachung von Bürgern ohne konkreten Verdacht nicht zulässig sei. Bei einer europäischen Regelung sei jedoch "Obacht" angezeigt. Denn stünde das Grundgesetz "im Rang unter jeglicher EU-Direktive".

Elternnachzug: Die im Asylpaket II enthaltene Aussetzung des Familiennachzugs auch für minderjährige Flüchtlinge und den diesbezüglichen Streit in der Regierungskoalition fassen spiegel.de (Florian Gathmann/Anna Reimann) und FAZ (Johannes Leithäuser u.a.) in ausführlichen Darstellungen zusammen. Innen- und Justizministerium würden eine Verständigung versuchen, gleichwohl sei die Einbringung des Entwurfs in den Bundestag in der jetzigen Fassung vorgesehen.

Flüchtlingspolitik: Die Forderung der EU an die Türkei, ihre Grenze zu Syrien für weitere Flüchtlinge zu öffnen, bezeichnet Christian Rath (taz.de) in einem Kommentar vor dem Hintergrund eigener Bemühungen zur Sicherung der EU-Außengrenze als "Doppelmoral", die sich aufgrund der Macht der Ereignisse auf Dauer nicht durchhalten lasse. Auch Ludwig Greven (zeit.de) beklagt das "zynische Geschäft" von EU-Vertretern. Eine humanitären Standards entsprechende Versorgung könne die Türkei als "Europas Flüchtlingssammellager" auch beim besten Willen nicht leisten. Um seiner völkerrechtlichen Verantwortung nachzukommen, müsse Europa entweder großzügig bemessene Kontingente syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge selbst aufnehmen oder aber für diese eine Schutzzone an der syrisch-türkischen Grenze einrichten und finanzieren.

Auslandseinsätze der Bundeswehr: Hendrik Hoppenstedt (CDU), zuständiger Berichterstatter im Rechtsausschuss des Bundestages, hat sich in einem der FAZ (Majid Sattar) vorliegenden Brief an den Außenminister dafür ausgesprochen, Auslandseinsätze der Bundeswehr künftig auf andere Rechtsgrundlagen zu stellen. Die Bezugnahme auf Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes überlasse in ihrer Abhängigkeit von einer Resolution des UN-Sicherheitsrates die Entscheidung über einen Einsatz "de facto Moskau oder Peking". Der naheliegendere Bezug auf Artikel 87a GG würde dagegen aus politischen und damit nicht rechtlichen Gründen verweigert.

Privacy Shield: In der Einschätzung der taz (Svenja Bergt) zur Privacy Shield-Eingung zwischen EU-Kommission und US-Regierung haben die europäischen Unterhändler dabei "bessere Bedingungen" einem von der Wirtschaft geforderten möglichst schnellen Abschluss geopfert. zeit.de (Marvin Strathmann/Patrick Beuth) zeichnet das Zustandekommen der Einigung nach und bemängelt, dass zentrale Fragen, wie etwa jene der tatsächlichen Kompetenzen der geplanten Ombudsperson, nach wie vor ungeklärt seien.

Wissenschaftsbetrug: Nach Bericht der Welt (Freya-Gerrit Klebe) ist akademisches Ghostwriting trotz prominenter Plagiatsfälle nach wie vor ein lukratives Geschäft. Obwohl sich zumindest jene Studenten, die bei der Abgabe wissenschaftlicher Arbeiten eine eidesstattliche Selbständigkeitserklärung abgeben müssen, durch die Einreichung fremdverfasster Arbeiten, strafbar machten, würde nur ein Bruchteil erwischt. Der Deutsche Hochschulverband fordere daher bereits seit 2012 die Einführung eines Straftatbestandes Wissenschaftsbetrug.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Februar 2016: Auschwitz-Prozesse / Papier zu Bargeld / Kritik an Privacy Shield . In: Legal Tribune Online, 09.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18392/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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