Die juristische Presseschau vom 8. November 2017: BVerfG stärkt Bun­destag / Spar­kassen-Chef als Steu­er­hin­ter­zieher? / EGMR ver­han­delt Mas­sen­über­wa­chung

08.11.2017

Das BVerfG erweitert Auskunftspflicht der Bundesregierung. Außerdem in der Presseschau: Georg Fahrenschon wehrt sich gegen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung, Gerichtshof für Menschenrechte prüft Klagen britischer Bürgerrechtler.

Thema des Tages

BVerfG zu Auskunftspflicht der Bundesregierung: Das Bundesverfassungsgericht gab einer Organklage der Grünen statt. Die Regierung habe mehrfach parlamentarische Anfragen zu Unrecht nicht oder nur geheim beantwortet. Zum einen müsse die Bundesregierung auch über Fragen zur Geschäftspolitik der Deutschen Bahn AG Auskunft geben, solange diese ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehe. Außerdem müsse die Bundesregierung auch über Maßnahmen der Bankenaufsicht Bafin in der Finanzkrise Auskunft geben - zumindest mit gewissem zeitlichen Abstand. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Marcus Jung), taz (Christian Rath), swr.de (Gigi Deppe/Klaus Hempel) und der Habilitand Sebastian Roßner auf lto.de.

Heribert Prantl (SZ) begrüßt das Urteil: "Die Regierung hat eine Auskunftspflicht, kein Ausfluchtrecht". Es möge zwar berechtigte Geheimhaltungsinteressen geben, aber die Regierung dürfe sich nicht aus bloßer Bequemlichkeit darauf berufen. Auch Reinhard Müller (FAZ) bekräftigt: "Fragen der Abgeordneten allein sind noch keine Kontrolle der Regierung." Jost Müller-Neuhof (Tsp) wundert sich, dass es derartiger Urteile überhaupt bedarf: "Das alles ist so selbstverständlich, dass sich verfassungsrichterliche Feststellungen zu entsprechenden Auskunftspflichten erübrigen sollten." Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) betont dagegen, dass die Entscheidung nicht nur Altbekanntes wiederholt: "Jetzt ist viel klarer als zuvor: Wenn private Unternehmen im Spiel sind, kann sich die Bundesregierung nicht hinter deren Interessen verstecken." Christian Rath (BadZ) vermutet, dass es auch weiterhin Auseinandersetzungen um das Auskunftsrecht geben werde. " Das Gericht hat der Regierung genügend Hintertürchen offen gelassen, etwa die Berufung aufs 'Staatswohl'."

Rechtspolitik

Jumiko – Haftentschädigung: Auf der Justizministerkonferenz, die am morgigen Donnerstag in Berlin stattfindet, wird über die Verbesserung der Haftentschädigung für zu Unrecht Inhaftierte beraten. Die FAZ (Reinhard Müller) stellt eine Studie der Kriminologischen Zentralstelle vor. Danach forderten viele Betroffene nicht nur eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, sondern auch eine Entschuldigung des Staates und eine mediale Rehabilitierung. Jens Gnisa, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, spricht sich für eine maßvolle Erhöhung der Entschädigungssätze aus. Er weist aber auch auf die geringe Zahl der Fälle hin. Nach den Vorberatungen der Jumiko zeichne sich keine Mehrheit für eine Verbesserung ab, so die FAZ.

Jumiko  Asylverfahren: Auf der Justizministerkonferenz wird auch über die Überlastung der Verwaltungsgerichte durch Asylverfahren gesprochen. Laut FAZ (Alexander Haneke) haben die Länder die Zahl der Verwaltungsrichter bereits um ein Viertel erhöht. Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter fordere, dass das Bundesverwaltungsgericht auch tatsächliche Bewertungen (etwa zur Situation in bestimmten afghanischen Regionen) einheitlich und abschließend treffen kann. Alternativ könne dies auch der Gesetzgeber entscheiden.

Musterfeststellungsklagen: Marc Beise (SZ) fordert im Wirtschafts-Leitartikel: "Eine Sammelklage im deutschen Recht ist überfällig." Nur so könne wieder Waffengleichheit zwischen Produzenten und Konsumenten hergestellt werden. "Viel spricht für die Ausgestaltung als Musterfeststellungsklage."

Der Anwalt Frank J. Bernardi äußert in der FAZ die Sorge: "Ob nach Einführung einer Sammelklage alle Beteiligten noch immer für ihren individuellen Fall auch ihren eigenen Anwalt beauftragen werden oder ob ihnen dann hierzu – und sei es nur faktisch – Vorgaben gemacht werden, wird in der Diskussion auch von Verbraucherschützern nicht hinterfragt."

Wahlperiode: In Bremen wurde kürzlich per Volksentscheid eine Verlängerung der Wahlperiode der Bürgerschaft von vier auf fünf Jahren abgelehnt. Der Doktorand Matthias Klatt zeichnet auf juwiss.de die Pro- und Contra-Argumente nach. Für ihn ist entscheidend: "Je länger die Wahlperiode, desto schwächer die demokratische Legitimation des Parlaments."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. November 2017: BVerfG stärkt Bundestag / Sparkassen-Chef als Steuerhinterzieher? / EGMR verhandelt Massenüberwachung . In: Legal Tribune Online, 08.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25423/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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