Die juristische Presseschau vom 8. Oktober 2025: BVerfG zu Kohl-Akten / neue BVerfG-Richter ernannt / BGH zu Saar­louis-Brand­an­schlag

08.10.2025

Bundeskanzleramt muss Akten, die Altkanzler Kohl unerlaubt mitnahm, nicht wiederbeschaffen. Bundespräsident Steinmeier hat die frisch gewählten Verfassungsrichter:innen ernannt. BGH billigte Freispruch für einstigen Skinhead-Anführer.

Thema des Tages

BVerfG zu Kohl-Akten: Mit nun veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht Anfang September die Verfassungsbeschwerde der Journalistin Gaby Weber ohne Begründung verworfen. Die Beschwerdeführerin hatte geltend gemacht, durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über den verweigerten Zugang zu Akten des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl in Grundrechten verletzt worden zu sein. Sie vertrat die Ansicht, das Bundeskanzleramt habe eine Wiederbeschaffungspflicht für Akten, die Kohl entgegen den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes nach dem Ausscheiden aus dem Amt in seinen Privatbesitz überführt hatte. Rechtsanwalt Christoph J. Partsch bezeichnet auf LTO die jetzige Entscheidung des BVerfG als "grundrechtliches Trauerspiel", weil das BVerfG die Frage einer Wiederbeschaffungspflicht im Fall eines anderen Recherchevorhabens der Journalistin 2017 noch ausdrücklich offen gelassen hatte und sich nun inhaltlich nicht damit auseinandersetze. Es gelte für den Altkanzler und seine Witwe das Prinzip “Crime pays”. Dass Verwaltungs- und Verfassungsgerichte dies erlaubten, könne nur mit "Untertanengeist" erklärt werden.

Rechtspolitik

BVerfG-Richterwahl: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den frisch gewählten Verfassungsrichter:innen Ann-Katrin Kaufhold, Sigrid Emmenegger und Günter Spinner ihre Ernennungsurkunden überreicht und zugleich deren Amtsvorgänger:innen Doris König, Ulrich Maidowski und Josef Christ verabschiedet. LTO portraitiert die ausscheidenden Richter:innen.

Nach Daniel Deckers (FAZ) sollte die verständliche Freude über die schließlich doch vollbrachte Wahl nicht dazu veranlassen, "vor den Legitimationsproblemen der Richterwahl die Augen zu verschließen". Zunächst bedürfe der "überkommene politische Proporz" einer Überarbeitung, es sei auch nicht einsichtig, dass die Stellen nicht ausgeschrieben werden.

Asylverfahren: Die Welt (Marcel Leubecher) berichtet über die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestags zur von der Bundesregierung geplanten Straffung von Asylverfahren. Umstritten war in der Anhörung vor allem die Zulässigkeit der erleichterte Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten, die zumindest in Fällen subsidiären Schutzes per Verordnung von der Bundesregierung vorgenommen werden soll. 

Luftsicherheit/Drohnen: In einer Übersicht beschreibt die FAZ (Stephan Klenner u.a.) die Rechtslage bei der Abwehr von Drohnen und geht auf die Diskussion über etwaige Rechtsänderungen ein. Der akademische Mitarbeiter Simon Gauseweg analysiert auf LTO, dass es keiner Kompetenzerweiterung der Bundeswehr oder sogar einer Verfassungsänderung bedürfe, vielmehr einer besseren technischen Ausstattung der Landes-Polizeien. Zur Abwehr unmittelbarer Gefahren seien diese ohnehin befugt. Verdichte sich der Einsatz feindlicher Drohnen sogar zu einem militärischen Angriff, stehe die Zulässigkeit eines Einsatzes der Bundeswehr außer Frage.

Nach Berichten von FAZ (Timo Frasch) und beck-aktuell hat die bayerische Landesregierung derweil eine Erweiterung des Polizeiaufgabengesetzes auf den Weg gebracht. Nach dieser solle die Polizei in die Lage versetzt werden, gesichtete Drohnen zunächst zu verifizieren und im Bedarfsfall auch unschädlich machen zu können.

Chatkontrolle: Vor der für heute geplanten Abstimmung im EU-Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) über die sogenannte Chatkontrolle warnen die Neue Richter*innenvereinigung und der Deutsche Anwaltverein in deutlichen Stellungnahmen vor der Maßnahme. Beide fordern die Bundesregierung auf, mit Nein zu stimmen, so beck-aktuell.

Auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn hat sich gegen die Chatkontrolle ausgesprochen, berichtet netzpolitik.org (Markus Reuter). Die Meinungsbildung zwischen Innen- und Justizministerium sei allerdings noch nicht abgeschlossen.

Die taz (Svenja Bergt) bringt einen Überblick über die Debatte. 

Justiz

BGH zu Anschlag auf Asylheim Saarlouis: Der Freispruch des Oberlandesgerichts Koblenz für Peter St., den früheren Anführer der Nazi-Skinheads von Saarlouis, vom Vorwurf der Beteiligung am tödlichen Brandanschlag auf ein örtliches Asylheim 1991 ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Bundesanwaltschaft ab. Peter St. war die Aussage in Gegenwart des späteren Brandstifters zu Last gelegt worden, in Saarlouis müsse “auch mal so etwas passieren” wie zeitgleich in Hoyerswerda. Das OLG hatte angenommen, dass damit "Randale" und kein lebensgefährlicher Brandanschlag gemeint war, und sprach St. frei. Der BGH hatte gegen diese Beweiswürdigung keine rechtlichen Bedenken. Es berichten taz (Christian Rath), fr.de (Ursula Knapp), tagesschau.de (Alena Lagmöller), beck-aktuell und LTO. 

BVerfG zu Durchsuchungen von Kanzleien: Nun befasst sich auch Rechtsanwalt Jens Steger im Recht und Steuern-Teil der FAZ mit dem vor einigen Wochen veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Durchsuchung von Kanzleiräumen. Er begrüßt es, dass das BVerfG in einem obiter dictum die streng auszulegenden Voraussetzungen einer solchen Durchsuchung ausbuchstabierte.

BVerfG zu Anom-Chatdaten: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet noch einmal darüber, dass das Bundesverfassungsgericht die gerichtliche Verwertung sogenannter Anom-Daten gebilligt hat. 

BGH – Maskendeals: Laut beck-aktuell wird der Bundesgerichtshof in der Revision über Entscheidungen beraten, in denen die Bundesrepublik gegen die Lieferanten von Schutzmasken verloren hatte. spiegel.de (Jürgen Dahlkamp) beschreibt ausführlich den Wechsel in der juristischen Argumentation der Bundesregierung. Während anfangs überwiegend geltend gemacht wurde, die Masken seien zu spät geliefert worden, beruft sich die Bundesregierung jetzt auf rechtswidrig überhöhte Preise (die das Ministerium allerdings selbst im Open-House-Verfahren festgelegt hatte). 

OVG NRW zu Savannah-Katzen: Das Baunutzungsrecht widerspricht der Haltung sogenannter Savannah-Katzen in allgemeinen Wohngebieten. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen laut LTO. Die Kreuzungen zwischen einer Wildkatzenart und Hauskatzen waren durch den Popstar Justin Bieber bekannt geworden, dessen Vorbild sage jedoch nichts über Üblichkeit oder die für eine Wohnnutzung typische Freizeitbetätigung aus, so das OVG.

LG Hamburg – Entführung der Block-Kinder: Der 15. Verhandlungstag im Strafverfahren über die Entführung der Kinder Christina Blocks endete am Landgericht Hamburg trotz gedrängtem Programm zwei Stunden früher als geplant. Nach Erklärung der Verteidigerin des mitangeklagten israelischen Sicherheitsmitarbeiters sowie des Vertreters des Nebenklägers schilderten Zeugen aus Dänemark ihre Wahrnehmungen der Silvesternacht 23/24. Das Gericht verlas auch einen Brief, den die Eltern der Hauptangeklagten an dänische Nachbarn ihres Ex-Schwiegersohns gerichtet hatten. LTO (Peymann Khaljani) berichtet.

VG Frankfurt/M. zu Pro-Palästina-Kundgebung: Eine für den gestrigen Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel geplante Pro-Palästina-Demonstration konnte nach einer am Montag ergangenen Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt/M. und einem Beschwerdeverzicht der Stadt stattfinden. Das VG beanstandete u.a., dass das aufgehobene Verbot noch während der laufenden Anhörungsfrist in einer Pressemitteilung öffentlich gemacht wurde. Die Stadt erließ dann eine Beschränkungsverfügung, bei der u.a. die Route der Demonstration geändert wurde. LTO berichtet.

AG München zu Ausfallhonorar: Das Amtsgericht München verweigerte in einem nun veröffentlichten Urteil aus dem Juli klagenden Berufsmusikern das geforderte Ausfallhonorar. Die Lektüre des als Beweismittel eingereichten Chatverlaufs zwischen den Klägern und einem Veranstalter ergab, dass sich die Parteien noch nicht wirksam über den Preis des Auftritts geeinigt hatten. LTO berichtet.

AG Darmstadt zu Vornamen: Der selbstgewählte Vorname "Luft Feli" wird vom Amtsgericht Darmstadt nicht beanstandet. Wie LTO berichtet, hatte das örtliche Standesamt das AG angerufen, um die Zulässigkeit der Namenswahl im Zuge eines Antrags auf Streichung des bisherigen Geschlechtseintrags einer non-binären Person klären zu lassen. Obgleich ungewöhnlich, gebe der Name die Person nicht der Lächerlichkeit preis, wofür das AG u.a. auf die Nähe zum Namen der Schauspielerin Wolke Hegenbarth verwies.

Verwaltungsgerichte: Die FAZ (Timo Steppat) weist in einer Reportage auf erhebliche regionale Unterschiede bei der Dauer von Verwaltungsgerichtsverfahren hin und erörtert die Gründe. Während Verfahren in Rheinland-Pfalz ein knappes halbes Jahr dauerten, liege der entsprechende Durchschnittswert in Hessen bei 21 Monaten.

Schiedsgericht NS-Raubkunst: Am 1. Dezember nimmt das neue "Schiedsgericht NS-Raubkunst" seine Arbeit auf und löst damit die bisherige "Beratende Kommission" ab. Rechtsprofessor Matthias Weller blickt auf LTO auf die Kommission zurück und nennt Gründe für deren Auflösung. Das neue Schiedsgericht, dessen Funktionsweise der Beitrag ebenfalls erklärt, schafft bindende Entscheidungen, die kraft Gesetzes einem Gerichtsurteil gleichgestellt sind.

Recht in der Welt

IStGH/Sudan – Ex-Milizenchef Abd-Al-Rahman: Nun berichtet auch die SZ (Paul Munzinger), dass der Internationale Strafgerichtshof den Anführer einer Miliz in der sudanesischen Region Darfur wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Jahren 2003 und 2004 verurteilte. Der Bericht geht vertieft auf die Herausforderungen ein, denen sich das Gericht derzeit gegenüber sieht und zu denen auch die aktuellen Auseinandersetzungen im Sudan gehören.

Ungarn – EU-Parlamentarier: Das EU-Parlament hat sich mehrheitlich gegen die von Ungarn beantragte Aufhebung der Immunität dreier EU-Parlamentarier ausgesprochen. Zwei der Abgeordneten sind ungarische Oppositionelle, u.a. Oppositionsführer Peter Magyar. Die Italienerin Ilaria Salis steht im Verdacht, sich an Überfällen auf Rechtsextremisten in Budapest beteiligt zu haben. LTO berichtet 

USA – Rechtsstaat: Der ARD-RadioReportRecht (Fabian Töpel/Gigi Deppe) beleuchtet die vom US-Präsidenten Donald Trump und seiner MAGA-Bewegung ausgehenden Gefahren für den Rechtsstaat und befragt hierzu ausführlich Rechtsprofessor Russell Miller.

USA – Kanzlei: Die FAZ (Marcus Jung) schreibt über Probleme der "ältesten Anwaltskanzlei an der New Yorker Wall Street", Cadwalader. Diese sei nun von 37 Anwält:innen verlassen worden, wofür der Beitrag u.a. die zwischen Kanzlei und der Trump-Regierung ausgehandelte Vereinbarung über vergütungslose Tätigkeit für die Regierung verantwortlich macht.

Juristische Ausbildung

Zweites Staatsexamen: Rechtsreferendar Andreas Grünwald spricht sich auf beck-aktuell für eine grundlegende Reform der Prüfungen für das Zweite Staatsexamen aus. Insbesondere die zweiwöchige Klausurenphase diene keinem nachvollziehbarem Zweck. Um juristische Fertigkeiten unter Praxisbedingungen zu bewerten, sei es etwa sinnvoller, Stationsnoten zum Teil der Examenspunktzahl zu machen.

Sexualstrafrecht im Studium: Nun schreibt auch die taz (Paula Kühn) über die Forderung der Feminist Law Clinic, Sexualstrafrecht zum Pflichtbestandteil des rechtswissenschaftlichen Studiums zu machen. Die diesbezüglich bestehende Leerstelle bilde die Lebenswirklichkeit ungenügend ab und bereite zudem auch unzureichend auf berufliche Aufgaben vor.

E-Examen: In Niedersachsen soll es künftig möglich sein, die Aufsichtsarbeiten beider Staatsexamen auch elektronisch verfassen zu können. Der vom Landeskabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht darüber hinaus auch eine Vereinfachung der Abläufe in Studium und Referendariat vor. beck-aktuell berichtet.

Sonstiges

Peter Häberle: Am Montag verstarb, 91-jährig, Peter Häberle. Die SZ (Heribert Prantl) würdigt den Rechtsprofessor in einem Nachruf, der den exzellenten internationalen Ruf des Staatsrechtslehrers hervorhebt, erwähnt aber auch "die Beleidigung seines Lebenswerks", die Betreuung der plagiatsbelasteten Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg.

beA: Rechtsanwalt Thomas Lapp beschreibt auf beck-aktuell technische und praktische Probleme des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs und macht Vorschläge, um Abläufe zu verbessern.

Zurückweisungen an der Grenze: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet über die Ablehnung eines eigenen Antrags auf Einsichtnahme in ein Rechtsgutachten der Bundesregierung über die Zulässigkeit der Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze. Die Geheimhaltung sei wegen "nachteiliger Auswirkungen auf internationale Beziehungen" erforderlich, so der Bescheid. Das Blatt vermutet dagegen, dass das vor einem Jahr begonnene und bis zum Regierungswechsel fortgeführte Gutachten lediglich europäische Rechtsprechung und die überwiegende Ansicht der rechtswissenschaftlichen Literatur wiedergebe und hat daher Widerspruch eingelegt.

Das Letzte zum Schluss

Sozialadäquat: Mit nun veröffentlichtem Beschluss verwarf auch das Landgericht Potsdam bereits Anfang April einen staatsanwaltschaftlich beantragten Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung. Der war ergangen, nachdem in der Silvesternacht 23/24 zwei Häuser auf Nachbargrundstücken des Gastgebers einer Party abbrannten. Das LG erinnerte die StA daran, dass Pyrotechnik an Silvester "gesellschaftlich anerkannt" ist und schon wegen allgemeiner Verbreitung keine Sorgfaltspflichtverletzung begründen könne. beck-aktuell berichtet.

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/mpi/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Oktober 2025: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58332 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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