Die deutsche Filmförderung steht auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand: In Karlsruhe wird heute über die Beschwerde eines Großkinobetreibers verhandelt. Außerdem in der Presseschau: deutsche Haftbedingungen, OLG Düsseldorf zu kommunalen Zinswetten, erster Tag des Costa-Concordia-Prozesses und wie Metalldieben jetzt mit Hubschraubern zu Leibe gerückt wird.
Thema des Tages
BVerfG – Filmförderung: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am heutigen Dienstag darüber, ob die Filmförderung des Bundes verfassungswidrig ist. Anlass ist die Verfassungsbeschwerde der Odeon & UCI Cinemas Group, eines Großkinobetreibers, der sich gegen die im Filmfördergesetz festgeschriebene Pflichtabgabe an die Filmförderanstalt FFA wehrt. Kinobetreiber würden gegenüber Fernsehanstalten benachteiligt und profitierten außerdem nicht von der Abgabe, fasst der Tagesspiegel (Christiane Peitz) die Argumentation des Beschwerdeführers zusammen.
Rechtspolitik
Haftbedingungen in Deutschland: Anlässlich der einzelhaftbedingten Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten vor dem Landgerichts Augsburg in der vergangenen Woche setzen sich die Rechtswissenschaftlerin Christine M. Graebsch und der Rechtsanwalt Sven-U. Burkhardt auf lto.de mit der Praxis der Verhängung von Einzelhaft während der Untersuchungshaft auseinander. Sie stellen fest, dass isolierende Haftbedingungen gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen haben können und fordern "ausführliche Dokumentations- und Begründungszwänge sowie Betreuungspflichten während der Isolation" und "Kontrollgremien zur Folterprävention".
Justiz
OLG Düsseldorf zu Ennepetal-Zinswette: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat der nordrhein-westfälischen Gemeinde Ennepetal in ihrem Streit mit der West LB um hochriskante Zinsgeschäfte Recht gegeben. Die Bank hätte die Kommune über die hohen Risiken der von ihr vermittelten "Swap-Geschäfte" nicht hinreichend aufgeklärt. Damit habe das Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Privatkunden auch auf Kommunen übertragen, so die FAZ (Corinna Budras) in ihrem "Finanzmärkte und Geldanlage"-Teil. Auch das Handelsblatt (Elisabeth Atzler) berichtet ausführlich.
LG Heidelberg zu ARGE-Drogentest: Das Landgericht Heidelberg hat laut lto.de entschieden, dass die Agentur für Arbeit gegenüber Empfängern von Hartz IV nur bei konkreten Hinweisen auf Suchtmittelabhängigkeit einen amtsärztlichen Drogentest verlangen dürfen. Im konkreten Fall habe die Klägerin aber trotz rechtswidrigen Drogentests keine Entschädigung erhalten, weil der Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit "zu gering" gewesen sei.
LG Nürnberg-Fürth zu Brustimplantaten: Der TÜV-Rheinland haftet nicht für von ihm zertifizierte fehlerhafte Brustimplantate. Das hat das Landgericht Nürnberg-Fürth auf die Schmerzensgeldklage einer Betroffenen entschieden, berichtet lto.de.
AG München zu Ärzte-Bewertungsportalen: Bewertungsportale über Ärzte im Internet sind, auch wenn die Bewertungen anonym erfolgen, grundsätzlich zulässig. Das hat laut lto.de das Amtsgericht München entschieden.
Bundesanwaltschaft klagt "deutschen Taliban" an: Die Bundesanwaltschaft hat ein mutmaßliches Mitglied der "Deutschen Taliban Mudschaheddin" wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation angeklagt. Das meldet die SZ.
NSU – Zielfahnder von Verfassungsschutz ausgebremst: Die SZ (Tanjev Schultz) berichtet über die Aussage des Zielfahnders Sven Wunderlich vor den NSU-Untersuchungsausschüssen des thüringischen und des sächsischen Landtags. Seine Suche nach dem NSU-Trio sei vom Verfassungsschutz "sabotiert" worden; er habe den Verdacht gehabt, der Geheimdienst habe das Trio "decken" wollen. Verfassungsschützer hätten diesen Vorwurf zurückgewiesen, so die SZ.
BFH – Absetzbares Studium: Der Bundesfinanzhof muss erneut über die Absetzbarkeit von Studienkosten entscheiden. Zwar hatte das Gericht diese schon mehrfach zugelassen, der Gesetzgeber darauf aber mit entsprechenden Gesetzesänderungen reagiert. Nun liegt wieder ein Verfahren beim höchsten Finanzgericht, berichtet die SZ (Berrit Gräber) im "Geld"-Teil.
BFH – Steuerzinsen: Der Bundesfinanzhof wird sich nach einem Bericht des Handelsblatts (Marko Wieczorek) bald erneut mit der Verfassungsmäßigkeit der pauschal mit 0,5 Prozent pro Monat festgesetzten Verzinsung für Steuerschulden auseinandersetzen müssen. Die Zinshöhe sei angesichts der niedrigen Marktzinsen möglicherweise unverhältnismäßig.
EuGH zu Tarifvertrags-Bindung: Für das Handelsblatt kommentiert der Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Bindung des Erwerbers eines Unternehmens an Tarifverträge. Wenn der Erwerber keinen Einfluss auf die Gestaltung der Tarifverträge habe, verstoße eine unbeschränkte Bindung gegen die in der EU-Grundrechtecharta geschützte unternehmerische Freiheit. Bauer sieht aufgrund dieses Urteils die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu sogenannten Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen in Frage gestellt und fordert deren grundlegende Änderung.
Rechtsprechung zu Whistleblowern: Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) beschäftigt sich mit der Rechtsprechung zu Whistleblowern. Einerseits stärke der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte Whistleblower und sehe deren Verhalten von der Meinungsfreiheit geschützt. Andererseits setzten deutsche Arbeitsgerichte auch Grenzen und forderten regelmäßig den Versuch interner Klärung, bevor an die Öffentlichkeit getreten werde.
Tonaufnahmen des Auschwitz-Prozesses: Wie focus.de berichtet, macht das Fritz-Bauer-Institut die Tonaufnahmen des ersten Auschwitz-Prozesses zu dessen 50. Jahrestag online verfügbar.
Recht in der Welt
UN-Richter verteidigt sich: Mehmet Güney, türkischer Richter am UN-Jugoslawien- und Ruanda-Tribunal hat sich gegen aus dem Gericht verlautete Vorwürfe verteidigt, nicht mehr amtsfähig zu sein. Das meldet die SZ.
Italien – Costa Concordia-Prozess: Nach einem Bericht der SZ hat der als erste Zeuge vernommene Deckoffizier des havarierten Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia dessen angeklagten Kapitän Francesco Schettino schwer belastet. Demnach sei der Anordnung des verheerenden Kurswechsels vor der Küste vom Kapitän selbst gekommen.
Griechenland – Ex-Verteidigungsminister verurteilt: In Athen ist der frühere griechische Verteidigungsminister Apostolos Tsochadzopoulos wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit verurteilt worden. Mit ihm wurden 16 der insgesamt 18 Mitangeklagten, darunter Familienmitglieder, für schuldig befunden, berichtet die FAZ (Michael Martens). Wie spiegel.de unter Berufung auf griechische Medien berichtet, wurde das Strafmaß für Tsochadzopoulos auf 20 Jahre Freiheitsstrafe festgesetzt.
Russland – Haftbedingungen Greenpeace-Aktivisten: Die Rechtsanwälte der in Russland inhaftierten Greenpeace-Aktivisten haben deren Haftbedingungen beklagt und wollen deswegen in den kommenden Tagen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Das berichten die FAZ (Michael Ludwig) und zeit.de.
Frankreich – Vorwürfe gegen Sarkozy fallengelassen: Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy muss einem Bericht der FAZ (Michaela Wiegel) zufolge wegen der Bettencourt-Spendenaffäre nicht vor Gericht. Der Untersuchungsrichter habe das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Derweil sei in dem Verfahren gegen zehn Personen, darunter Sarkozys früherer Wahlkampf-Schatzmeister und Haushaltsminister Eric Woerth, Anklage erhoben worden. Auch spiegel.de berichtet.
USA – Black-Panther-Aktivist in Freiheit gestorben: Der US-amerikanische Black-Panther-Aktivist Herman Wallace ist letzte Woche nach nur drei Tagen in Freiheit gestorben. Nachdem er 41 Jahre lang in Isolationshaft gesessen hatte, hatte ein Richter Louisiana seine Anklage wegen der Ermordung eines Gefängniswärters für verfassungswidrig erklärt. Die taz (Dorothea Hahn) berichtet von dem Fall.
Sonstiges
BND-Provider-Überwachung: Zeit.de (Kai Biermann) befasst sich mit der Überwachung deutscher Internet-Provider durch den Bundesnachrichtendienst. Zwar dürfe der Geheimdienst überwachen – allerdings kontrolliere niemand, ob er sich dabei auch an die gesetzlichen Vorgaben halte.
Verbrechensvorhersage: Im "Technik und Motor"-Teil der FAZ beschäftigen sich Manfred Kloiber und Peter Welchering mit Forschungsvorhaben, die über massive Datenaggregation und -auswertung Verhaltensvorhersagen für Menschen zu treffen versuchen – auch um bei "Auffälligkeiten" Alarm schlagen zu können.
Regierungsbildung: Lto.de gibt einen Überblick über die Regelungen des Grundgesetzes zur Regierungsbildung. Diese bestimmten "in den nächsten Wochen das Berliner Politikgeschehen".
Das Letzte zum Schluss
Hubschrauber gegen Metalldiebe: Metalldieben wird seitens der betroffenen Unternehmen und der Bundespolizei inzwischen mit schwerem Gerät zu Leibe gerückt. Neben "unsichtbarer DNA" zur Eigentums-Markierung und verdeckten Ermittlern würden inzwischen auch Hubschrauber mit Wärmebildkameras eingesetzt, um die betroffenen Infrastruktureinrichtungen zu überwachen, berichtet die SZ (Daniela Kuhr).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Oktober 2013: Deutsche Filmförderung verfassungswidrig? – Beratungsbedarf bei Zinswetten – Costa-Concordia-Kapitän vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 08.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9751/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag