Die juristische Presseschau vom 8. August 2012: Steuerrecht und Gleichstellung – Prostitution und Gewerbesteuer – MAN und Justizschelte

08.08.2012

Splitting für alle oder gleich abschaffen? Die Diskussion um Steuerrecht und gleichgeschlechtliche Partnerschaften gewinnt an Fahrt. Außerdem in der Presseschau: Wahlrecht schon wieder gekippt, Rente für Witwe eines KZ-Opfers, Blasphemie und Meinungsfreiheit, Betreuungsrecht, Ermittlungen gegen Wulff und Heinzelmännchen, die durch eine Urteilsbegründung geistern.

"Homo-Splitting": Die FTD (Jens Tartler) prägt ein neues Schlagwort und erläutert die ablehnende Haltung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2013 hoffe. bild.de befasst sich mit der Unterstützung der steuerlichen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften durch die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder.

Die taz (Paul Wrusch) spricht mit Stefan Kaufmann, dem einzigen offen schwulen CDU-Bundestagsabgeordneten, der die Mehrheitsposition innerhalb seiner Partei für falsch hält. Die SZ (Guido Bohsem) weist darauf hin, dass von den meisten Landesfinanzbehörden die steuerliche Gleichstellung auch ohne gesetzliche Grundlage faktisch bereits praktiziert werde.

Robert Rossmann (SZ) meint, die Union sei mit der Initiative der 13 Abgeordneten im Leben angekommen. Dorothea Siems (welt.de) weist darauf hin, dass im Steuerrecht die relevante Bezugsgröße das Einkommen und nicht die sexuelle Präferenz sei. Für Daniela Vates (FR) liegt in der Anerkennung des Splitting ein "Schritt zur Gleichberechtigung". Besser sei es jedoch, das Ehegattensplitting gänzlich abzuschaffen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Fahndung per Facebook: Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) will die Fahndung via Facebook gesetzlich absichern lassen, berichtet die FR (Volker Schmidt). Bis zum Herbst wolle der derzeitige Vorsitzende der Konferenz der Justizminister konkrete Vorschläge unterbreiten.

Betreuungsgesetz: Rechtsanwalt Wolfgang Ewer (SZ) bezweifelt in einem Gastbeitrag die Zuständigkeit des Bundes für das umstrittene Betreuungsgesetz und hält es daher für verfassungswidrig.

Blasphemie und Strafrecht: Der Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf (lto.de) lehnt die vom Bamberger Erzbischof Ludwig Schick vorgebrachte Forderung nach einer strafrechtlichen Verfolgung von Blasphemie ab. Es müssten andere Wege gefunden werden, um das Recht auf Meinungsfreiheit und den Respekt gegenüber unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zu garantieren.

Weitere Themen – Justiz

BVerfG kippt Wahlrecht für Auslandsdeutsche: Mit einem Beschluss des Zweiten Senats hat das Bundesverfassungsgericht das Wahlrecht für Auslandsdeutsche gekippt. Die Regelung, wonach nur wählen dürfe, wer in den vergangenen 25 Jahren wenigstens drei Monate in Deutschland gelebt habe, verstoße gegen die Allgemeinheit der Wahl, berichtet die taz (Christian Rath). Die Neuregelung, die bis zu den Bundestagswahlen im Jahr 2013 erfolgen müsse, könne auch strengere Maßstäbe für Auslandsdeutsche bringen.

Max Steinbeis (verfassungsblog.de) setzt sich mit dem Sondervotum der Richterin Gertrude Lübbe-Wolff auseinander, die den Hintergrund der Drei-Monats-Regelung deutlich mache. Sie sei eine Spätfolge der Entscheidung zum Ausländerwahlrecht im Jahr 1990.

LG Düsseldorf – Beihilfe für Eva B.: Nach einem Vergleich vor dem Landgericht (LG) Düsseldorf erhält Eva B., die Witwe des als "Zigeuner" ins KZ verschleppten Anton B., vom Land Nordrhein-Westfalen bis zu ihrem Tode eine monatliche Beihilfe von 600 Euro. Das berichtet die taz (Pascal Beucker). Die Bezirksregierung sei dem Drängen des Gerichts gefolgt, zahle jedoch keine Hinterbliebenenrente, sondern eine ebenfalls im Bundesentschädigungsgesetz vorgesehene Beihilfe.

BFH – Prostitution und Gewerbesteuer: Der Bundesfinanzhof entscheidet demnächst, ob Prostituierte Gewerbesteuer zahlen müssen. Die FTD (Katharina Peuke) spricht mit Mechthild Eickel, Leiterin des Hilfsvereins Madonna e.V. Zwar sei die gesellschaftliche Akzeptanz für den Beruf gewachsen, die Prostituierten strebten jedoch eine Anerkennung als Selbständige an, da ihre Tätigkeit im Bereich "Wellness" angesiedelt und der von Künstlerinnen vergleichbar sei.

Inklusion – Gebärdendolmetscher für Schülerin: Rechtsprofessor Arnold Köpcke-Duttler (lto.de) berichtet über den langwierigen Kampf einer gehörlosen Schülerin in Bayern, einen Gebärdendolmetscher gestellt zu bekommen. Dieser stehe dem Kind gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention zu. Nachdem ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg und dem Bayerischen Landessozialgericht ergebnislos geblieben sei, habe man in einem Vergleich geregelt, dass das 2005 geborene Mädchen bis Anfang 2013 ihre bisherige Schule weiter besuchen dürfe. Die Finanzierung des sehr kostspieligen Dolmetschers sei aber weiterhin ungeklärt.

Staatsanwaltschaft München – MAN/Anton Weinmann: Die FR (Thomas Magenheim) berichtet über eine neue Dimension der Justizschelte. Knapp zwei Wochen vor dem geplanten Prozessbeginn hat der wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit angeklagte Ex-Chef der MAN, Anton Weinmann, Strafanzeige wegen Verleumdung gegen die gegen ihn ermittelnden Staatsanwälte gestellt.

Klaus Ott (SZ) kommentiert im Wirtschaftsteil: "Nicht die Justiz, die solchen Fällen nachgeht, ist unerträglich. Sondern die Arroganz, mit der sich die Manager darüber empören, dass gegen sie ermittelt wird."

StA Hannover – Ermittlungen gegen Glaeseker: Bei ihren Ermittlungen gegen Olaf Glaeseker, den Sprecher des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, dürfe die Staatsanwaltschaft (StA) Hannover die Tagebücher von Ehefrau Vera Glaeseker auswerten, berichtet die FAZ (Robert von Lucius). Die Ermittlungen gegen ihn bezögen sich auf sein Verhältnis mit dem Eventmanager Manfred Schmidt. Im Herbst würden die Ermittler erste Ergebnisse präsentieren.

Umsatzsteuerkarussell: Die grenzüberschreitende Hinterziehung der Umsatzsteuer kostet die EU jedes Jahr Milliarden. Die FTD (Mareeke Buttjer) berichtet, die Kommission wolle für besonders risikoträchtige Branchen befristet das Reverse-Charge-Verfahren einführen, um zu verhindern, dass die Vorsteuer ohne Abführung der Umsatzsteuer erstattet werde.

Düsseldorf, Gerichtsort für Patentstreitigkeiten: Anlässlich der schwergewichtigen Prozesse zu Patent- und Urheberrechtsverletzungen stellt die FTD (Andreas Große Halbuer) das Landgericht Düsseldorf vor, das in diesem Rechtsgebiet die wichtigste Entscheidungsinstanz in Europa sei.

Weitere Themen – Ausland

Russland –  Pussy Riot: Die FTD (André Ballin) berichtet, der Staatsanwalt habe im Prozess gegen die drei Musikerinnen der russischen Punkband "Pussy Riot" drei Jahre Haft gefordert und sei damit hinter der möglichen Höchststrafe für Rowdytum und religiöse Hetze zurück geblieben. Die SZ (Frank Nienhuysen) bringt ein Porträt von Marina Syrowa, der Richterin in diesem Verfahren.

China – Gu Kailai: zeit.de (Steffen Richter) bringt einen Vorbericht über den Prozess gegen Gu Kailai. Die Gattin des ehemaligen Provinzchefs von Chongqing, Bo Xilai, muss sich zusammen mit einem mutmaßlichen Komplizen wegen des Mordes an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood verantworten.

USA - Bankenaufsicht: Anlässlich der Ermittlungen gegen die britische Bank Standard Chartered analysiert die FTD (Kim Bode) die immer strengeren Maßnahmen der US-Aufsichtsbehörde gegen Geldwäsche und deren Folgen für die Banken. In einem weiteren Artikel (Kim Bode) wird das erst im Oktober 2011 geschaffene New York Department of Financial Services und seine ehrgeizige Agenda vorgestellt.

Sonstiges

Vertragsgestaltung bei Großprojekten: Angesichts massiver zeitlicher Verzögerungen bei Großprojekten wie dem Flughafen in Berlin oder der Elbphilharmonie in Hamburg stellt Michael Grüb (FAZ), Jurist bei Alstom Grid, das "Alliance Contracting" als Alternative bei der Vertragsgestaltung vor. Es sei flexibler als der klassische Generalunternehmervertrag und ermögliche eine engere Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in der wirtschaftlichen und technischen Entwicklungsphase.

Das Letzte zum Schluss

Heinzelmännchen in der Vorinstanz: Richter am Amtsgericht Carsten Krumm (blog.beck.de) ruft eine Entscheidung des OLG Hamm ins Gedächtnis: Der Angeklagte war im Jahr 2004 statt der erlaubten 70 km/h mit 130 km/h unterwegs gewesen, allerdings fehlte dem Messgerät ("Blitzer") die erforderliche Eichung. Anstatt sich mit Messverfahren und erforderlichen Sicherheitsabschlägen bei der Geschwindigkeitsbestimmung zu befassen, schrieb der Tatrichter: "…um es treffend zu formulieren, da es Heinzelmännchen nicht gibt, können diese eine Reparatur auch nicht durchgeführt haben." Da die Beweiswürdigung eines Urteils "in sich logisch, geschlossen, klar und insbesondere lückenfrei" sein müsse, hob das OLG Hamm dieses Urteil auf. Es bedürfe keines Bemühens der Heinzelmännchen, sondern einer argumentativen Auseinandersetzung mit möglichen Messfehlern.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. August 2012: Steuerrecht und Gleichstellung – Prostitution und Gewerbesteuer – MAN und Justizschelte . In: Legal Tribune Online, 08.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6792/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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