Die juristische Presseschau vom 8. Januar 2020: Wein­stein-Pro­zess beginnt / Face­book kann Deutsch / Daimler-Anleger sind sauer

08.01.2020

In New York beginnt das Verfahren gegen Harvey Weinstein, gleichzeitig ein Prozess zum "System Weinstein"? An Facebook kann auch auf Deutsch zugestellt werden, findet das OLG Düsseldorf und Daimler-Anleger fordern Geld vom Autobauer.

Thema des Tages

USA – Harvey Weinstein: Zu Beginn des Verfahrens gegen Harvey Weinstein scheiterten dessen Vertreter mit Anträgen, den Prozess in einen Nachbarbezirk zu verlegen und die Geschworenen in einem Hotel vor äußeren Einflüssen abzuschirmen, berichten FAZ (Christiane Heil) und Hbl (Katharina Kort). zeit.de (Marietta Steinhart) bringt eine Reportage zu den Begleitumständen des Verfahrens.

Nach Ansicht von Hannes Stein (Welt) im Leitartikel lohne auch das Nachdenken über das "System Weinstein", das lange dazu beigetragen habe, existierende Vorwürfe unter den Teppich zu kehren und Recherchen hierzu zu unterbinden. So bedrückend die in den kommenden Wochen öffentlich gemachten Details zu Weinstein auch sein mögen, es sei "ein gutes Zeichen", dass der Prozess überhaupt geführt werde.

Rechtspolitik

Blockchain/Kryptowerte: Ab diesem Jahr stehen Dienstleistungen rund um digitale Vermögenswerte unter dem Vorbehalt einer von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erteilten Erlaubnis. In einem Gastbeitrag für lto.de zeichnen Philipp Sandner und Johannes Blassl, Wirtschaftsprofessor und Rechtsanwalt, den Weg zu dieser Entwicklung nach, erläutern einzelne Bestimmungen und ordnen diese in einen europäischen Kontext ein. Mit leicht verändertem Inhalt wird der Beitrag auch im Finanzen-Teil der FAZ veröffentlicht.

Auslandseinsätze: Die Bundestagsfraktion der Grünen hat jüngst vorgeschlagen, dem Bundesverfassungsgericht durch ein neu zu schaffendes Verfahren die Legalitätskontrolle von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu übertragen. Rechtsprofessor Heiko Sauer diskutiert auf verfassungsblog.de verfassungspolitische, verfassungsrechtliche und schließlich auch völkerrechtliche Probleme der Idee. Speziell bezüglich des letzten Punkts sieht der Autor Probleme, sollte das ohnehin bereits "mächtige und machtbewusste Gericht" weitere Entscheidungsbefugnisse erhalten.

Justiz

BGH zu Einziehung: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ weist der Wissenschaftliche Mitarbeiter Aleksandar Zivanic auf ein nun veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs von Mitte September 2019 zu den Voraussetzungen einer selbständigen Einziehung nach § 76a Strafgesetzbuch (StGB) hin. Nach Auffassung des BGH reicht die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts einer Katalogtat nach § 76a StGB erst nach der Sicherstellung nicht für die Annahme der Rechtmäßigkeit der Sicherstellung aus, was die Zustimmung des Autors findet.

OLG München zu Facebook-Post: Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts München war Facebook berechtigt, einen flüchtlingsfeindlichen Post zu löschen. Der noch in der Vorinstanz erfolgreiche Kläger habe zudem kein Feststellungsinteresse bezüglich seiner vorübergehenden Sperrung für das Netzwerk geltend machen können. lto.de berichtet.

OLG Düsseldorf zu Zustellung an Facebook: Nach einem nun bekannt gegebenen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf von Mitte Dezember 2019 kann sich Facebook in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einem deutschen Nutzer nicht damit verteidigen, zugestellte deutschsprachige Dokumente nicht zu verstehen. In dem von lto.de berichteten Fall hatte das Unternehmen die Entgegennahme einer deutschsprachigen einstweiligen Verfügung abgelehnt. In der nun ergangenen Kostenentscheidung führte das OLG aus, dass sich den konkreten Nutzungsbedingungen des Netzwerks "gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts" entnehmen ließen.

OLG Düsseldorf – VW-Zulieferer: Am Oberlandesgericht Düsseldorf fordert der VW-Konzern von einem mutmaßlich vertragsbrüchigen Zulieferer mehr als 100 Millionen Euro Schadensersatz. Die Forderung beruhe auf einem Lieferstopp mehrerer Unternehmen der Prevent-Gruppe und richte sich ausdrücklich auch gegen die Muttergesellschaft. Dies schreibt das Hbl (Michael Verfürden) und erläutert auch den bereits länger schwelenden Konflikt zwischen VW und Prevent, der exemplarisch auch für grundsätzliche Probleme im Verhältnis zwischen Autobauern und deren Zulieferern stehe. Ein Bericht findet sich auch in der FAZ (Carsten Germis).

LG Stuttgart – Daimler-Anleger: Am Landgericht Stuttgart ist eine Schadensersatz-Klage von Anlegern des Autobauers Daimler wegen mutmaßlicher Verletzung kapitalmarktrechtlicher Pflichten anhängig. Die Kläger machten Forderungen von fast 900 Millionen Euro wegen unzureichender Informationen des Unternehmens im Umgang mit der Abgas-Affäre geltend, berichtet lto.de. Sie seien zuversichtlich, ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz "noch vor der Sommerpause" in Gang zu bringen. Berichte bringen auch FAZ (Marcus Jung/Susanne Preuß) und Hbl (Rene Bender/Volker Votsmeier).

LG Duisburg – Gruppenvergewaltigung: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat am Landgericht Duisburg das Strafverfahren gegen drei Jugendliche begonnen, denen die Anklage die gemeinschaftliche Vergewaltigung einer 18-Jährigen in Mülheim vorwirft. Dies meldet die FAZ (Reiner Burger).

VG Düsseldorf – Bürgermeister: Ein im Bericht von zeit.de unbenannt gebliebener Bürgermeister will vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einen sogenannten großen Waffenschein zum Schutz vor rechtsextremen Bedrohungen erstreiten. Die Verhandlung ist auf den 21. Januar terminiert.

VG Köln – AfD: Nach Informationen der SZ (Georg Mascolo u.a.) bereitet die AfD eine Klage vor, mit der das Bundesamt für Verfassungsschutz gezwungen werden soll, den innerparteilichen "Flügel" und die Jugendorganisation der Partei nicht länger als sogenannten Verdachtsfall zu führen. Eine diesbezügliche Entscheidung des Parteivorstands sei für den kommenden Freitag geplant.

ArbG Berlin zu Bauakademie: Das Arbeitsgericht Berlin hat der Berliner Bauakademie durch einstweilige Verfügung vorläufig untersagt, ihre Leitungsposition wie geplant mit dem Bundestagsabgeordneten Florian Pronold (SPD) zu besetzen. Der erfolgreiche Antragsteller, ein Architekturprofessor, hatte geltend gemacht, dass der Politiker nicht die fachliche Eignung für den Posten aufweise, schreibt die SZ (Jörg Häntzschel). Ob dies zutreffe, werde die "frühestens in einigen Monaten" stattfindende Hauptverhandlung ergeben.

StA Frankfurt/M. - AWO: Aus Anlass der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. wegen finanzieller Unregelmäigkeiten bei der örtlichen Arbeiterwohlfahrt sinniert Reinhard Müller (FAZ) im Leitartikel über Vetternwirtschaft. Diese sei zwar nicht strafbar, verhindere aber – ebenso wie ein parteimäßiger Proporz bei der Vergabe lukrativer Posten – in der Regel, dass die dafür am besten Qualifizierten nach transparenten Maßstäbe an begehrte Jobs kommen. Sowohl öffentlichen Unternehmen als auch gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden könnte diesbezüglich ein Public Corporate Governance Kodex helfen.

Recht in der Welt

Malta – "Lifeline"-Kapitän: In der Berufungsinstanz ist in Malta die Verurteilung des deutschen Kapitäns Claus-Peter Reisch aufgehoben worden. Die angebliche Falschbeflaggung des von Reisch gesteuerten Schiffs "Lifeline" sei nach Auffassung des Gerichts nicht wissentlich oder gar absichtlich erfolgt, so die FAZ (Matthias Rüb) über die jetzige Entscheidung, von der auch die taz (Christian Jakob) berichtet.

Zypern – Verurteilung nach Vergewaltigungsanzeige: Begleitet von öffentlichen Protesten ist in Zypern Ende Dezember eine 18-jährige Britin wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die junge Frau hatte ursprünglich angegeben, von mehreren Freunden ihres israelischen Freundes vergewaltigt worden zu sein, die Anschuldigung nach fragwürdigen polizeilichen Vernehmungen jedoch zurückgezogen. Die taz (Dominic Johnson) berichtet. Kurz nach der Verurteilung der Frau unterzeichneten Zypern und Israel ein Gaspipeline-Abkommen, die israelischen Jungs kamen teilweise aus einflussreichen Familien.

Japan – Carlos Ghosn: Die Staatsanwaltschaft in Japan hat einen Haftbefehl gegen die Frau des geflüchteten Managers Carlos Ghosn erlangt. Begründet worden sei dieser mit einer wahrheitswidrigen Antwort auf die Frage nach einem Bekannten bei ihrer Vernehmung im vergangenen April, berichtet die FAZ (Patrick Welter).

Sonstiges

Anwälte und Steuern: Häufig übernehmen Arbeitgeber beruflich anfallende Beiträge der von ihnen beschäftigten Rechtsanwälte. Die vielfältigen steuerlichen Konsequenzen dieser Praxis beschreibt vertieft der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, Martin W. Huff für lto.de.

Germania-Insolvenz: Der Insolvenzverwalter der Fluggesellschaft Germania fordert vom früheren Chef des Unternehmens, Karsten Balke, und einem weiteren Manager mehr als 380 Millionen Euro zurück, berichtet das Hbl (Jens Koenen) und beleuchtet die angeblich fragwürdigen Geschäfte des als Anwalt tätigen Balke und dessen Beziehungen zur Familie des früheren Unternehmenschefs Hinrich Bischoff.

Sicherungsverwahrte: Die SZ (Steve Przybilla) bringt eine Reportage über ein Projekt in der JVA Freiburg. Im baden-württembergischen Standort für im Land Sicherungsverwahrte sollen diese durch den regelmäßigen Umgang mit Hunden aus einem Tierheim Empathie und Verantwortungsbewusstsein üben.

Das Letzte zum Schluss

Ausgefragt: Die Beantwortung sogenannter Kleiner Anfragen treibt die Bundesregierung bis an die Grenze der machbaren Arbeitsbelastung oder vielleicht sogar darüber hinaus. Nicht anders kann ein von der Welt (Annelie Naumann) thematisierter Brief des Kanzleramts an die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen verstanden werden, in dem darum gebeten wird, bei den Anfragen zu einer "für alle Seiten tragfähigen Übereinkunft" zu gelangen. Diese sollte "auch eine Reduzierung des Frageaufkommens einschließen".

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche lto-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Januar 2020: Weinstein-Prozess beginnt / Facebook kann Deutsch / Daimler-Anleger sind sauer . In: Legal Tribune Online, 08.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39559/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen