Carles Puigdemont bleibt vorläufig frei und in Belgien. Außerdem in der Presseschau: Neues Daten-Leak zu Steuervermeidungsmodellen, KG Berlin zu Facebook-Pflichten, Massenverfahren gegen VW und Polizei gegen Alexa.
Thema des Tages
Belgien – Freilassung Puigdemonts: Der abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier weitere abgesetzte Minister sind nach Entscheidung eines belgischen Untersuchungsrichters auf freien Fuß gesetzt worden. Sie hätten sich verpflichtet, Belgien nicht zu verlassen und den Justizbehörden jederzeit zur Verfügung zu stehen, berichtet die FAZ (Helene Bubrowski u.a.). Über das spanische Auslieferungsverlangen auf Grundlage eines EU-Haftbefehls könne so erst bei dem für Freitag angesetzten nächsten Termin entschieden werden. Der EU-Rahmenbeschluss setze hierfür eine grundsätzliche Frist von 60 Tagen. Die Entscheidung könne aber durch Rechtsmittel angegriffen werden. Hinsichtlich des spanischen Anklagevorwurfs der Rebellion sei fraglich, ob dieser nach belgischem Recht strafbar sei. zeit.de (Julia Macher) beschreibt Generalstaatsanwalt Jose Manuel Maza und Untersuchungsrichterin Carmen Lamela als "Hardliner", die wegen ihres unbarmherzig erscheinenden Kurses gegen die Mitglieder der abgesetzten Regionalregierung nun auch den Unwillen der Zentralregierung auf sich gezogen hätten. Mit Blick auf die Neuwahlen im Dezember sei man im politischen Madrid an Deeskalation interessiert.
Rechtspolitik
Paradise Papers: U.a. taz (Ingo Arzt/Eric Bonse) und Welt (Karsten Seibel) bringen Übersichten zu Erkenntnissen des neuesten Daten-Leaks zu Steuervermeidungspraktiken von Firmen und wohlhabenden Privatleuten, den sogenannten Paradise Papers. Beide Berichte gehen auch auf bisherige politische Versuche, derartige Steuervermeidungen zu unterbinden, ein. Das Hbl (Volker Votsmeier) stellt die im Zentrum der jetzigen Enthüllungen stehende Kanzlei Appleby, Mitglied im renommierten Kanzleinetzwerk Lex Mundi, vor.
In seiner Kolumne mutmaßt Jakob Augstein (spiegel.de), "dass illegal an den Paradise Papers vor allem ihre Beschäftigung ist". Wer reich sei "und nicht teilen will", der müsse keine Gesetze brechen, weil "sie ja für ihn gemacht" seien. Jan Hildebrand (Hbl) behauptet dagegen im Leitartikel der Zeitung, dass nach Lux Leaks und Panama Papers sehr wohl Fortschritte im Kampf "gegen das Gebaren der Steueroasen dieser Welt" zu verzeichnen seien. Diese seien aber mühsam und "zu langsam", was an "den begrenzten Einflussmöglichkeiten nationaler Regierungen im globalen Finanzgefüge" liege. Ansgar Graw (Welt) erinnert daran, dass "Varianten in der Besteuerung" bislang "als sinnvoller Wettbewerb" galten und nationale Gesetze "da, wo es Überhand" nahm, dem Treiben Einhalt geboten hätten. Die Politik sollte der Versuchung widerstehen, "gegen ordnungspolitische Grundsätze zu verstoßen". Nicht alles, "was in Deutschland Neid auf "die da oben" entfachen mag", sei illegal.
Fiskalpakt: In einem englischsprachigen Beitrag legen die Rechtsprofessoren Diane Fromage und Bruno de Witte auf verfassungsblog.de dar, warum der Europäische Fiskalpakt entgegen der Auffassung der EU-Kommission nicht Teil des EU-Rechts werden sollte.
Justiz
EGMR* – Daten-Überwachung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt am heutigen Dienstag in drei von Bürgerrechtsorganisationen angestrengten Verfahren zur Zulässigkeit von Geheimdienst-Abhörprogrammen. Letztlich gehe es um die Frage, ob die von Edward Snowden offengelegte Praxis der "anlasslosen" Überwachung ohne konkrete Gefahrenlage mit dem durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützten Recht auf Achtung des Privatlebens vereinbar ist, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Das Gericht habe in Urteilen von vor zwei Jahren erkennen lassen, dass es die Anforderungen für die Notwendigkeit derartiger Überwachungsmaßnahmen eng auslege.
BSG – Patientenrechte: Das Bundessozialgericht befasst sich am heutigen Dienstag in zwei Verfahren mit der Auslegung von Fristbestimmungen des 2012 verabschiedeten Patientenrechtegesetzes. Landesozialgerichte in Nordrhein-Westfalen und im Saarland hätten zur Frage der Genehmigung von Behandlungsmaßnahmen durch Krankenkassen infolge bloßen Fristablaufs unterschiedliche Entscheidungen getroffen, so die SZ (Kim Björn Becker).
KG Berlin zu Facebook-Spielen: Facebook muss seine Nutzer besser über die Weitergabe von Daten informieren, die es von Teilnehmern von Online-Spielen auf seiner Plattform erhebt. Dies entschied das Berliner Kammergericht und wies dabei eine von Facebook eingelegte Berufung zurück. Im jetzt bekannt gemachten Urteil von September, gegen das eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zugelassen wurde, habe das KG auch klargestellt, dass sich Facebook trotz Firmensitzes in Irland deutschen Datenschutzbestimmungen zu unterwerfen hätte. Es berichten netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) und lto.de.
OLG Düsseldorf – Abu Walaa: Im Verfahren gegen den vermeintlich höchsten Repräsentanten des sogenannten Islamischen Staats in Deutschland, Abu Walaa, steht am Oberlandesgericht Düsseldorf am heutigen Dienstag die Vernehmung des "wichtigsten Zeugen" an, schreibt die FAZ (Alexander Haneke) in einem Vorbericht. Aus den der Zeitung vorliegenden Ermittlungsunterlagen ergeben sich ausführliche Darstellungen des Zeugen von IS-Strukturen in Deutschland und Syrien, die Verteidiger bemängelten aber vor allem die wenig nachprüfbaren Details der Aussagen.
LG Braunschweig – VW: Mehr als 15.000 Eigentümer von VW-Diesel-Autos haben beim Landgericht Braunschweig eine Klage mit dem Ziel der Rückabwicklung der jeweiligen Kaufverträge eingereicht. Die Autofahrer hätten ihre Forderungen an einen Rechtsdienstleister abgetreten, der hierfür im Erfolgsfall eine Provision von 35% verlange, erläutert die FAZ (Carsten Germis/Marcus Jung). In einer Pilotklage der nun auch aktiven Kanzlei Hausfeld sei der Argumentation eines Verstoßes gegen EU-Richtlinien und Verordnungen durch die Abgas-Manipulationen nicht gefolgt worden. Die SZ (Markus Balser/Janis Beenen) macht in ihrem Bericht auf eine weitere gegen den Autobauer beim Landgericht Braunschweig eingereichte Klage aufmerksam. Die Regierung der USA verlange wegen finanzieller Schäden mehrerer Pensionsfonds Schadensersatz von VW.
LG Hamburg – Black Friday: Eine chinesische Firma nimmt als Inhaberin der Wortmarke "Black Friday" vor dem Landgericht Hamburg Amazon auf Unterlassung der Nutzung dieser Marke in Anspruch. Das klagende Unternehmen habe dabei nicht nur Ordnungsgelder im Falle der Missachtung im Blick, so die FAZ (Marcus Jung). Vielmehr wolle es auch an den Milliarden-Umsätzen rund um den sogenannten Black Friday partizipieren und verlange daher auch entsprechende Auskunft.
ArbG Berlin zu Trainer: Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigungsschutzklage eines Radsporttrainers am Olympiastützpunkt Berlin abgewiesen. Der Mann hatte Sportlerinnen mit versteckter Kamera in deren Umkleidekabine gefilmt und war hierfür zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Argumentation, die Taten seien Ausdruck von depressiven Symptomen und berechtigten daher nicht zu einer verhaltensbedingten Kündigung, mochte das ArbG nicht folgen, berichtet community.beck.de (Markus Stoffels).
StA Dortmund – BVB-Anschlag: Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Dortmund hat der mutmaßliche BVB-Attentäter weitere Anschläge geplant und nur wenige Tage nach der Detonation mehrerer Bomben in der Nähe des Mannschaftsbusses von Borussia Dortmund im Internet entsprechende Möglichkeiten recherchiert. Die Zulassung der Anklage prüfe das Landgericht Dortmund derzeit noch, schreibt die FAZ (Reiner Burger).
BAW – Terrorismus: Die Bundesanwaltschaft verzeichnet eine Rekordanzahl von Terror-Ermittlungen. Im laufenden Jahr 2017 seien bereits 1.000 Ermittlungsverfahren neu aufgenommen worden, schreibt die SZ (Ronen Steinke). 400 von diesen seien an die Länder abgegeben worden. In Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit Berlin ein Schwerpunkt der salafistischen Szene, erwäge man daher eine zentrale Zuständigkeit der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf.
RA Roger Mann: Das Hbl (Fulya Cayir u.a.) veröffentlicht ein Interview mit Rechtsanwalt Roger Mann. Der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt spricht über das von ihm betreute Mandat der Kohl-Biografen Heribert Schwan und Tilman Jens, die er gegenwärtig in der Berufungsinstanz vertritt und den Bedrohungen, denen sich die Pressefreiheit international ausgesetzt sieht.
* Hier stand zunächst die falsche Abkürzung "EuGH".
Recht in der Welt
Rumänien – Korruption: Die rumänische Regierung versucht nach Berichten von SZ (Florian Hassel) und FAZ (Karl-Peter Schwarz) erneut, die staatliche Anti-Korruptionsbehörde der direkten Aufsicht durch Regierung und Parlament zu unterstellen. Kritiker sähen durch die Maßnahmen die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet.
USA – Fußball-Funktionäre: In New York hat das Strafverfahren gegen drei südamerikanische Fußball-Funktionäre wegen Korruption bei der Vergabe von Fernsehrechten an Fußball-Großereignissen begonnen. Die Strafbarkeit der angeklagten Praktiken ergebe sich aus der Inanspruchnahme US-amerikanischer Banken, schreibt die taz (Markus Völker). Zahlreiche vormalige Beschuldigte hätten empfindliche Haftstrafen durch Kooperation mit den Ermittlungsbehörden vermieden.
Israel/Palästina – Folter: Die Welt (Gil Yaron) berichtet über ein unlängst ergangenes "historisches Urteil" eines Gerichts in Jerusalem, nach dem die Palästinensische Autonomiebehörde tatsächliche oder vermeintliche Kollaborateure wegen erlittener Folter finanziell entschädigen muss.
Sonstiges
Neuwahlen: SZ (Nico Fried) und FAZ (Reinhard Müller) beschreiben die verfassungsmäßigen Vorgaben auf dem Weg zu möglichen Neuwahlen. Weil die gegenwärtige Regierung nur geschäftsführend im Amt ist, ließe sich eine Auflösung des Bundestags nur über mehrere erfolglose parlamentarische Abstimmungen für einen Kanzler und einer entsprechenden Entscheidung des Bundespräsidenten erreichen. In einem separaten Kommentar warnt Reinhard Müller (FAZ) davor, den für Neuwahlen erforderlichen Zustand politischer Instabilität herbeizuführen oder herbeizureden. "Das Parlament ist auf einwandfreie Weise gewählt" worden, wer an dem daraus folgenden Auftrag zur Regierungsbildung scheitere, solle "sich über das Ergebnis einer Neuwahl nicht wundern."
Düsseldorfer Tabelle: Zu Beginn des kommenden Jahres tritt die neue Düsseldorfer Tabelle in Kraft, nach der die Unterhaltspflichten von Elternteilen für ihre getrennt lebenden Kinder berechnet werden. Einzelheiten berichtet lto.de.
Legal Tech und Rechtsdienstleistungsgesetz: Rechtsanwalt Frank R. Remmertz und Nico Kuhlmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, untersuchen auf lto.de die Vereinbarkeit bestimmter Legal Tech-Tools mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz und machen Vorschläge für den diesbezüglichen "Regulierungsbedarf im 21. Jahrhundert."
Das Letzte zum Schluss
Alexa allein zu Haus: Facebook-Partys sind ein alter Hut wenn nun auch schon der Smart-Home-Assistent Alexa seine eigenen Feiern veranstaltet. Zum Beispiel in der Wohnung eines Pinnebergers, dessen ohne Alexa verbrachte Nacht auf dem Hamburger Kiez von dem Amazon*-Gadget dazu benutzt wurde, mal ordentlich die Musik aufzudrehen. Die schließlich herbeigerufene Polizei drehte Alexa den Saft ab und bereitet nun für ihren Besitzer eine Rechnung vor. Es berichtet die Welt (Jakob Koch).
* Hier stand zunächst "Google-Gadget".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. November 2017: Aufschub für Puigdemont / Paradise Papers / Vereint gegen VW . In: Legal Tribune Online, 07.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25405/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag