Die juristische Presseschau vom 7. Juli 2017: Raser ohne Bewäh­rung / U-Bahn-Treter mit ver­min­derter Schuld / Neu­tra­lität ohne Plu­ra­lismus

07.07.2017

Der BGH hat eine Bewährungsstrafe für eine tödliche Autowettfahrt beanstandet. Außerdem in der Presseschau: Das LG Berlin verurteilte den sogenannten U-Bahn-Treter. Der Eilbeschluss des BVerfG zum Kopftuch im Gericht wird kritisiert.

Thema des Tages

BGH zu tödlichem Wettrennen: Der Bundesgerichtshof beanstandete ein Urteil des Landgerichts Köln, das zwei Raser wegen fahrlässiger Tötung einer Radfahrerin nur zu Bewährungsstrafen verurteilt hatte. Die Strafaussetzung sei nicht hinreichend begründet worden. Unter anderem monierte der BGH, das Landgericht habe sich zu wenig mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich die Bewährungsstrafe auf das "allgemeine Rechtsempfinden" auswirke. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), tagesschau.de (Frank Bräutigam) und lto.de.

Wolfgang Janisch (SZ) hält es für ein richtiges Signal, dass die "groteske" Strafaussetzung beanstandet wurde. Er lehnt es aber ab, Raser zu Mördern zu erklären. Es genüge, "ihren Beinahe-Vorsatz mit empfindlicheren Strafen zu ahnden". Christian Rath (KStA) empfiehlt ebenfalls einen "gesunden Mittelweg" zwischen Bewährungsstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe. Auch Gigi Deppe (swr.de) hält die Korrektur der Strafaussetzung für richtig, allerdings ist ihr die Argumentation mit dem "allgemeinen Rechtsempfinden" eher suspekt.

Rechtspolitik

"Ehe für alle": Am heutigen Freitag wird sich der Bundesrat mit der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare befassen und voraussichtlich keinen Einspruch erheben. Die SZ (Mathias Drobinski) und die FAZ (Reinhard Müller) schildern insbesondere die Haltung Bayerns, das noch gründlich prüfen wolle, ob es beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle stellt.

In einem Gastkommentar für die Welt argumentiert Justizminister Heiko Maas, dass der Begriff "Ehe" im Grundgesetz genauso entwicklungsoffen sei, wie die Begriffe "Rundfunk" oder "Brief". Auch Rechtsprofessor Uwe Volkmann plädiert auf verfassungsblog.de für die Annahme eines Verfassungswandels. Die von Christoph Möllers aufgebrachte Vorstellung, der Begriff Ehe bleibe im Grundgesetz unverändert, könne aber im einfachen Recht darüber hinausgehen, hält er für "gekünstelt"; der Schutz der Ehe sei ein normgeprägtes Grundrecht. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Timo Schwander sieht auf juwiss.de ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Probleme für die beschlossene Ausweitung der Ehe.

Terror: Das Europäische Parlament hat einen Terrorismus-Sonderausschuss eingerichtet. Dieser soll zum einen die Bedrohung in Europa untersuchen, zum anderen die bereits getroffenen Maßnahmen und ihre Wirksamkeit überprüfen, berichtet netzpolitik.org (Markus Beckedahl).

Algorithmen: Nun beschäftigt sich auch die taz (Dinah Riese) mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas, Transparenz und Kontrolle für Algorithmen sowie ein digitales Anti-Diskriminierungsgesetz zu schaffen.

Koalitionsverträge: Die FAZ (Jasper von Altenbockum) erinnert an die verfassungsrechtlichen Diskussionen, die die seit 1961 praktizierten Koalitionsverträge begleiteten. Hier werde in die Richtlinienkompetenz des Kanzlers und die Ressortverantwortung der Minister eingegriffen, so die Bedenken. Dem stehe aber die starke grundgesetzliche Rolle der Parteien und das Interesse der Verfassung an einer stabilen Regierung gegenüber.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. Juli 2017: Raser ohne Bewährung / U-Bahn-Treter mit verminderter Schuld / Neutralität ohne Pluralismus . In: Legal Tribune Online, 07.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23392/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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