Die juristische Presseschau vom 6. Januar 2021: Weiter im Lock­down / Zukunft für Home Office? / Klagen wegen Imp­fung?

06.01.2021

Die Ministerpräsidentenrunde verständigte sich auf Verlängerung und Verschärfung der bisherigen Lockdown-Regeln. Gibt es noch ein Home Office-Gesetz? Wie aussichtsreich sind Klagen wegen Impfschäden?

Thema des Tages

Corona – Beschränkungen: Das jüngste Bund-Länder-Treffen zwischen Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten hat sich auf eine Verlängerung der geltenden Lockdown-Regeln bis zum 31. Januar verständigt und darüber hinaus auch Einzelregelungen verschärft. So sollen private Treffen künftig nur noch zwischen Mitgliedern eines Hausstandes mit maximal einer weiteren Person außerhalb dieses Hausstandes erlaubt sein. In sogenannten Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern sollen sich Menschen nur noch innerhalb eines Radius von 15 Kilometern bewegen dürfen. Berichte bringen u.a. FAZ (Eckart Lohse u.a.) und sueddeutsche.de (Kristiana Ludwig), zeit.de (Tilman Steffen) analysiert die Beschlüsse.

Lenz Jacobsen (zeit.de) bezeichnet die Maßnahmen als grundsätzlich richtig, in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch als "letztes Mittel einer Politik, die sich nicht mehr anders zu helfen weiß". Auch nach zehn Monaten Pandemie täten die Regierenden "nur noch das, was sowieso schon fast alle für unvermeidbar halten". Eine solche vermeintliche Strategie richte "mittelfristig mehr Schaden an als sie kurzfristig verhindert". Nach Meinung von Stefan Braun (sueddeutsche.de) sei es an den politischen Entscheidungsträgern, anzuerkennen und "jeden Tag neu" auszusprechen und zu würdigen, dass die geltenden Einschränkungen für zahllose Menschen "eine Qual" und "existenzielle Gefahr" geworden sind. Unterbleibe dies zugunsten von "Zank und Streit" in der Regierungskoalition, habe diese die Unterstützung der Mehrheit der Menschen bald verspielt.

Rechtspolitik

Home Office: Die Rechtsanwälte Björn Otto und Ricarda Müller analysieren auf LTO-Karriere aktuelle Entwürfe des Bundesarbeitsministeriums und der Unionsfraktion im Bundestag, die beide die Arbeit im Home Office erleichtern wollen. Hierzu sei jedoch in keinem der Entwürfe ein verbindliches Recht, Arbeit auch daheim erledigen zu dürfen, enthalten. Am noch im Koalitionsvertrag festgehaltenen Recht für Arbeitnehmer, die Frage wenigstens erörtern zu dürfen, offenbare sich allerdings der Graben zwischen den Entwürfen. Ob es noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz gebe, sei fraglich.

EU-Verbandsklagen: Die wesentlichen Regelungsinhalte der im Dezember beschlossenen EU-Verbandsklagenrichtlinie werden vom ZPO-Blog (Benedikt Windau) vorgestellt. Die Frist zur Umsetzung in nationales Recht läuft im Dezember 2022 aus.

Nacktbilder: Die taz (Johannes Drosdowski) stellt die Petition #NotYourPorn vor. Darin setzen sich Frauen für bessere juristische Möglichkeiten gegen die Verbreitung von privaten Nacktbildern auf Pornoseiten im Internet ein. 

Corona – Parlamente: Schleswig-Holstein plant, durch die Möglichkeit eines Notausschusses auch bei Handlungsunfähigkeit des Parlamentes die gesetzgeberische Arbeit fortsetzen zu können. Dank einer breiten parlamentarischen Mehrheit hat der Gesetzentwurf zur Ergänzung der Landesverfassung gute Realisierungschancen, schreiben der Rechtsanwalt und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Christofer Lenz und Louisa Kunkel auf Verfassungsblog in einer Analyse des Entwurfs. Dieser sei "durchaus zweckmäßig", mit Ausnahme einer von vornherein geplanten Befristung bis zum Ablauf des Jahres 2023.

Justiz

BVerfG zu EZB-Anleihenkaufprogramm: Der SWR RadioReportRecht (Gigi Deppe/Bernd Wolf) blickt zurück auf das Anfang Mai verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank und fragt nach den rechtlichen Auswirkungen für Europa.

OLG Koblenz – Folter in Syrien: Rechtsprofessorin Stefanie Bock hat als Direktorin des Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse an der Philipps-Universität Marburg beantragt, den am Oberlandesgericht Koblenz anhängigen Strafprozess gegen mutmaßliche Folterer aus Syrien aufzuzeichnen, um ihn wissenschaftlich auswerten zu können. Im Interview mit der taz (Sabine am Orde) erläutert Bock, dass die Aufnahmen auch für die syrische Bevölkerung wichtig wären: "Welchen Sinn hat dieser Strafprozess, wenn er in Syrien nicht sichtbar wird?" Das OLG bezweifle jedoch die herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung des Verfahrens für die Bundesrepublik und argumentiere mit dem Zeugenschutz. In einem separaten Beitrag erläutert die taz (Sabine am Orde) Anlaß und Stand des Verfahrens. 

LG Berlin – Raser: Am Landgericht Berlin muss sich ein 35-Jähriger unter anderem wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verantworten. Wie spiegel.de (Wiebke Ramm) schreibt, war der Angeklagte mit 160 km/h auf eine Kreuzung im Innenstadtbereich zugerast und dort nach einem Unfall an einem U-Bahnhof-Eingang zum Stehen gekommen. Zum Verhandlungsbeginn habe sein Verteidiger die zahlreichen Tatvorwürfe im Wesentlichen eingeräumt und mit der Drogensucht des Fahrers erklärt.

LG Berlin – Filmemacher: Wegen Betruges zu Lasten des ermordeten Diktators Muammar al-Gaddafi ist ein Filmemacher am Landgericht Berlin angeklagt. Nach Darstellung von bild.de (Matthias Lukaschewitsch) wurde der Angeklagte um das vereinbarte Honorar für eine Dokumentation über Gaddafi geprellt. Hiernach soll er eine weit überhöhte Forderung per gerichtlichem Mahnbescheid von einem Konto Gaddafis kurz vor dessen Tod betrieben haben und im Anschluss auf Malta untergetaucht sein.

VG Berlin zu Kleinwaffenexporten: Die im Juni 2019 verschärften Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung entziehen sich als politische Grundsatzentscheidung weitgehend einer gerichtlichen Kontrolle. Dies stellte das Verwaltungsgericht Berlin bei der Abweisung der Klage des Waffenherstellers Heckler & Koch, der den von der Regierung verweigerten Export von Maschinenpistolen nach Südkorea zu Fall bringen wollte, fest. Nach der fraglichen Richtlinie sollen Kleinwaffen grundsätzlich nur noch in EU- oder Nato-Ländern exportiert werden dürfen, erläutern die taz (Christian Rath) und LTO.

VG Karlsruhe zu Ruhewald: Ein nach Friedhofssatzung bestimmter Ruhewald soll naturbelassen bleiben, Grabschmuck jeglicher Art ist regelmäßig untersagt. Aus diesem Grund wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage einer Witwe ab, die die letzte Ruhestätte ihres Gatten mit Blumen, Moos und anderen Pflanzen dekorierte und sich an der Entfernung der Pflanzen durch die Friedhofsverwaltung störte. LTO berichtet.

VG Köln zu Briefporto-Erhöhung: In einem Eilbeschluss hat das Verwaltungsgericht Köln die 2019 erfolgte Genehmigung der Erhöhung des Briefportos als voraussichtlich rechtswidrig bezeichnet. Die zuständige Bundesnetzagentur sei bei ihrer Genehmigung von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, so LTO zum Beschluss, der unmittelbare Folgen zunächst nur für den antragstellenden Logistik-Verband habe.

StA Köln – Cum-Ex/Lehman Brothers: Das Hbl (Volker Votsmeier) schreibt über eine offenbar bevorstehende Einigung zwischen der Staatsanwaltschaft Köln und dem Insolvenzverwalter der US-Investmentbank Lehman Brothers in Sachen Cum-Ex. Die Bank habe sich zwar nie an Kapitalertragsteuern bereichert, an den rechtlich fragwürdigen Geschäften aber durch Provisionen für Leerverkäufe von Aktien profitiert. Von diesen Profiten sollten nun rund 50 Millionen Euro zurückerstattet werden.

Recht in der Welt

Pakistan – "Jungfrauentests": Das Oberste Gericht der pakistanischen Provinz Punjab hat die Durchführung sogenannter "Jungfrauentests" verbotenen, berichtet die taz (Nathalie Mayroth). Die Tests seien vor allem in Vergewaltigungsfällen zum Einsatz gekommen. Sobald sich durch die auch "Zwei-Finger-Test" genannte Untersuchung eine sexuelle Vorgeschichte der Frau vorgeblich nachweisen ließ, sei angenommen worden, dass ein in Streit stehender Sexualkontakt mit dem Einverständnis der Frau erfolgt sei.

China – Rechtsanwälte: Zwei chinesische Rechtsanwälte, die jüngst für die Verteidigung von Hongkonger Aktivisten mandatiert worden waren, werden mit dem Entzug ihrer Lizenz bedroht. Entsprechende Schreiben der zuständigen Justizbehörden begründeten die Drohung etwa mit "unangebrachten Äußerungen" im Internet, schreibt die FAZ (Friederike Böge).

Sonstiges

Corona – Klagen gegen Impfhersteller: Die Rechtsanwälte Tobias Bomsdorf und Dominik Seehawer loten im Recht und Steuern-Teil der FAZ die Chancen von Schadensersatzklagen gegen die Hersteller von Impfstoffen aus. Diese seien angesichts einer relativ weit verbreiteten Impfskepsis verbunden mit herkömmlicher Corona-Leugnung "nur eine Frage der Zeit", zumal das Arzneimittelgesetz vermeintlich oder tatsächlich Impfgeschädigten durch eine verschuldensunabhängige Haftung der Hersteller scheinbar entgegenkomme. Übersehen werde gleichwohl, dass die Haftung wegen möglicher Folgeerkrankungen wieder entfalle, wenn Risiken des Impfstoffs im Verhältnis zu seinem Nutzen vertretbar erscheinen und lege artis bewertet wurden. Darüber hinaus müsse auch immer noch die Kausalität zwischen Folgeerkrankung und Impfung sachverständig belegt werden.

Syndizi-Beitragserstattung: Im vergangenen September urteilte das Bundessozialgericht, dass – anders als von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vertreten – eine rückwirkende Befreiung von Syndikusrechtsanwälten von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich möglich ist. Nachdem die Begründung der Entscheidung seit Anfang Dezember vorliegt, hat die DRV Mitte Dezember damit begonnnen, Befreiungsbescheide zu verschicken. Rechtsanwalt Martin W. Huff erläutert auf LTO vertieft, wie betroffene Anwälte auch in noch anhängigen Gerichtsverfahren hierauf reagieren können.

Briefwahl: Bereits vor Corona stieg der Anteil jener Wahlberechtigten, die ihre Stimme per Briefwahl abgaben, stetig und "signifikant", schreibt Wolfgang Reitzammer im FAZ-Einspruch. Kritiker der Möglichkeit sähen hierdurch die grundgesetzlichen Wahlrechtsgrundsätze der freien und geheimen Wahl sowie jenen der Öffentlichkeit der Wahl verletzt oder zumindest gefährdet. Dagegen seien die zuletzt vom US-Präsidenten ins Gespräch gebrachte Gefahr von Betrügereien im Zusammenhang mit der Briefwahl wohl vernachlässigbar.

 

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lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Januar 2021: Weiter im Lockdown / Zukunft für Home Office? / Klagen wegen Impfung? . In: Legal Tribune Online, 06.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43899/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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