Die juristische Presseschau vom 5. August 2020: Durch­su­chung bei Ban­ken­ver­band / Voll­stre­ckungs­an­ord­nung gegen Bun­des­bank? / Aus­sage von Ste­phan E.?

05.08.2020

Hat geschickte Lobbyarbeit die gesetzliche Schließung von Cum-Ex-Schlupflöchern verhindert? Dem EZB-Urteil des BVerfG könnte nun eine Vollstreckungsanordnung folgen und Erklärung des Hauptangeklagten im Mordfall Walter Lübcke angekündigt.

Thema des Tages

StA Köln – Cum-Ex: Im Zuge ihrer Ermittlungen zum Themenkomplex Cum-Ex-Steuerdeals hat die Staatsanwaltschaft Köln Räumlichkeiten des Bundesverbands deutscher Banken durchsuchen lassen. Es werde vermutet, dass der Verband in seinem Austausch mit dem Bundesfinanzministerium auf das Weiterbestehen von Cum-Ex-Schlupflöchern hingewirkt habe, schreibt die SZ (Klaus Ott u.a.). Weitere ausführliche Berichte bringen FAZ (Markus Frühauf/Corinna Budras), Hbl (Volker Votsmeier u.a.) und die Welt (Karsten Seibel). Von besonderem Interesse für die Ermittler sei das Wirken eines ehemaligen Finanzrichters. Der Jurist habe während seiner Abordnung an die Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums die Thematik Cum-Ex bearbeitet, sich zwischenzeitlich jedoch auch vom Bundesverband bezahlen lassen.

In einem Kommentar schlägt Klaus Ott (SZ) einen Bogen von der Finanzkrise über Cum-Ex bis zur Wirecard-Insolvenz und stellt fest, "dass der Staat die verantwortungslos agierenden Teile der Finanzbranche nicht in den Griff bekommt". Nun sei einerseits die Einsetzung eines Sonderermittlers mit "einem schlagkräftigen Team" erforderlich, andererseits die Einführung eines "seit Jahren überfälligen Lobbyregisters". Nur durch Transparenz ließe sich der undurchsichtige Einfluss von Lobbyisten auf die parlamentarische Arbeit eindämmen.

Rechtspolitik

Meinungsfreiheit und Facebook: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ spricht sich Rechtsprofessor Rolf Schwartmann dafür aus, Medienintermediären wie Facebook und Google ebenso wie Rundfunkanbietern "Pluralitätspflichten nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts" aufzuerlegen. Die sogenannten Gemeinschaftsstandards der Plattformen würden die Entfernung unerwünschter Beiträge  weitaus häufiger begründen als das Gesetzesrecht, namentlich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dabei ignorierten diese Standards die von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Meinungsfreiheit.

Equal Pay: Zum 30. Juli ist in der Bundesrepublik die reformierte EU-Entsenderichtlinie durch Ergänzung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes umgesetzt worden. Die neuen Regelungen, die dem Equal Pay-Grundsatz auch bei Entsendungen innerhalb der EU dienen sollen, werden von Rechtsanwältin Sachka Stefanova-Behlert auf FAZ-Einspruch vorgestellt.

Justiz

BVerfG zu EZB-Anleihenkauf: Am heutigen Mittwoch läuft die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Anleihenkaufprogramm PSPP der Europäischen Zentralbank gesetzte Frist für die Durchführung und Dokumentation einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ab. Der vor vier Monaten erfolgreiche Beschwerdeführer Peter Gauweiler trägt sich mit dem Gedanken der Beantragung einer Vollstreckungsanordnung, durch die die Bundesbank angewiesen werden soll, sich aus dem Programm zurückzuziehen. Im Gespräch mit der taz (Christian Rath) erklärt Rechtsprofessor Dietrich Murswiek als Prozessvertreter Gauweilers, dass die EZB die Anforderungen des Gerichts nicht erfüllt habe. Die EZB wolle das Verfassungsgericht "vorführen".

BayVerfGH zu Volksbegehren "Mietenstopp": In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ bezeichnet Rechtsanwalt Joachim Wichert die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Unzulässigkeit des Volksbegehrens "Sechs Jahre Mietenstopp" für "überzeugend begründet". Das Gericht habe mit jenen argumentiert, die eine landesrechtliche Zuständigkeit für derartige Vorhaben bestreiten. Damit sei "das Eis" für den Berliner Mietendeckel "noch dünner geworden".

OLG Frankfurt/M. – Mord an Walter Lübcke: Im Verfahren zur Ermordung Walter Lübckes hat die Verteidigung des Hauptangeklagten Stephan E. für den heutigen Mittwoch eine Erklärung angekündigt, berichtet spiegel.de (Julia Jüttner) und geht im Weiteren auf die mutmaßliche Rolle des wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Markus H. ein. LTO schreibt, dass Frank Hanning, der entpflichtete Verteidiger E.s, Beschwerde gegen seine Abberufung eingelegt hat.

LG Berlin – Untreue durch Anwälte: Auch das Hbl (Rene Bender) schreibt nun über die Entscheidung des Landgerichts Berlin, einen Haftbefehl gegen den "Promi-Anwalt" Hartmut Fromm wieder in Kraft zu setzen. Die von der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Ermittlungen wegen des Verdachts des Parteiverrats seien "so ziemlich der schlimmste Vorwurf", den man mit Blick auf die Arbeit des Anwalts erheben könne. Der Bericht der FAZ (Marcus Jung) legt nahe, dass dieser neue Vorwurf eine Retourkutsche der Anklagebehörde für eine zwischenzeitliche Strafanzeige Fromms ist.

VG Berlin zu wissenschaftlichen Zitaten: Die in einer wissenschaftlichen Arbeit unternommene Verwendung einer ungekennzeichneten Zwischenquelle – im Gegensatz zur Original- oder Letztquelle – stellt eine sanktionsfähige Täuschungshandlung dar, weil so der Anschein erweckt werde, die zitierte Stelle selbst gelesen zu haben. Dies urteilte das Verwaltungsgericht Berlin in einer bislang unveröffentlichten, der FAZ (Jochen Zenthöfer) vorliegenden Entscheidung, mit der einem Politikwissenschaftler der an der FU Berlin erworbene Doktorgrad entzogen wurde.

VG Hamburg zu LfV-Datensammlung: Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz hat sich in einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Hamburg dazu verpflichtet, eine aus 2.000 Seiten bestehende Datensammlung zu der linken Fotojournalistin Marily Stroux zu löschen. Der Bericht der taz-Nord (Kai von Appen) mutmaßt, dass die nach jahrelangem Verfahren überraschende Wendung der Absicht geschuldet sei, verwendete Überwachungspraktiken nicht offenlegen zu müssen.

AG Titisee-Neustadt zu Auerhahn: Nach der Vernehmung von 17 Zeugen hat das Amtsgericht Titisee-Neustadt zwei Männer unter anderem wegen Verletzung des bundesnaturschutzrechlichen Störungsverbotes zu Geldstrafen bzw. einem einwöchigen Jugendarrest verurteilt. Die Angeklagten hatten einen seltenen Auerhahn erschlagen, schreibt die SZ (Oliver Klasen). Dass sie sich gegen das seltene Tier nur verteidigen wollten, mochte ihnen das Gericht nicht abnehmen.

AG Kassel zu Homophobie: Das Amtsgericht Kassel hat einen Biologieprofessor wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Der Biologe hatte in einem Interview gegen die "Ehe für alle" polemisiert und einen Zusammenhang zwischen dem Adoptionsrecht für Homosexuelle und "staatlich geförderter Pädophilie" hergestellt, schreibt die taz (Christoph Schmidt-Lunau).

Recht in der Welt

Schweiz – Clemens Tönnies und Cum-Ex: Der Fleischfabrikant hat vor einem Schweizer Bundesgericht einen Schadensersatz von knapp 900.000 Euro erstritten. In dieser Höhe muss die Bank J. Safra Sarasin den Unternehmer wegen Falschberatung im Zusammenhang von Cum-Ex-Steuerdeals entschädigen, berichtet das Hbl (Rene Bender).

Slowakei – Mord an Jan Kociak: Der Sondergerichtshof in Pezinok hat die ursprünglich für den heutigen Mittwoch geplante Urteilsverkündung zur Ermordung des Journalisten Jan Kociak auf Anfang September verschoben. Dies berichtet die FAZ (Stephan Löwenstein) und fasst das Verfahren und dessen Auswirkungen auf die slowakische Politik zusammmen.

USA – Donald Trump: In einem Schreiben an ein Bundesgericht hat die New Yorker Staatsanwaltschaft dargelegt, dass ihre Forderung nach Herausgabe von Steuerunterlagen des US-Präsidenten Donald Trump auch Ermittlungen zu einem möglichen Bank- und Versicherungsbetrug diene. Bislang sei angenommen worden, dass die Anklagebehörde lediglich mutmaßlich illegale Schweigegeldzahlungen im Vorfeld des vergangenen Präsidentschaftswahlkampfes verfolge, so die SZ (Reymer Klüver).

Juristische Ausbildung

Ausbildung mit Kind: Jurastudium und Referendariat stellen auch an Kinderlose hohe Ansprüche, wie beides mit Nachwuchs organisiert werden kann, beschreibt LTO (Sabine Olschner) vertieft.

Sonstiges

Bodycams: Die FAZ (Rüdiger Soldt/Timo Steppat) berichtet zur Diskussion über den Einsatz von Bodycams durch Polizisten. Weil sich bei entsprechenden Modellversuchen Angriffe auf kameratragende Beamte verringert hätten, komme den Geräten eine "deeskalierende Wirkung" zu. In einigen Ländern dürften die Kameras auch bei Wohnungsdurchsuchungen eingesetzt werden, Kritiker wie der im Text zitierte Rechtsprofessor Christoph Gusy hielten auch hierfür eine richterliche Anordnung für notwendig.

Wirecard-Entschädigung: Der Prozessfinanzierer Omni Bridgeway bereitet in Zusammenarbeit mit einer US-amerikanischen Prozesskanzlei Schadensersatzklagen von Anlegern des Finanzdienstleisters Wirecard vor, schreibt die FAZ (Marcus Jung). Die Forderungen würden sich an den Wirtschaftsprüfer EY richten.

DSGVO-Auskunft: In Verhandlungen zu Kündigungsschutzklagen machen Arbeitnehmer zunehmend einen Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung geltend, schreiben die Rechtsanwälte Gerd Kaindl und Dominik Sorber auf LTO. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch für die zum Arbeitnehmer gespeicherten Daten gelte allerdings nicht absolut, seine Verbindung mit überhöhten Abfindungsforderungen könne zudem auch als rechtsmissbräuchlich eingeordnet werden.

Das Letzte

Reisegepäck: "Keine strafrechtliche Relevanz" vermochte die Landshuter Staatsanwaltschaft nach dem Bericht von spiegel.de in dem ungewöhnlichen Reisegepäck einer armenischen Rentnerin erkennen. Die Dame hatte die sterblichen Überreste ihres Gatten aus Griechenland in die alte Heimat überführen wollen und war vom Zoll des Münchner Flughafens gestoppt worden. Der fand es ungewöhnlich, dass eine mitgeführte Holzkiste menschliche Knochen enthielt.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. 

Sie können die tägliche lto-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. August 2020: Durchsuchung bei Bankenverband / Vollstreckungsanordnung gegen Bundesbank? / Aussage von Stephan E.? . In: Legal Tribune Online, 05.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42405/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen