SPD-Minister plädieren für Kinderrechte in der Verfassung und stoßen auf Ablehnung. Außerdem in der Presseschau: BGH für Strenge bei überschrittenem Cannabis-Grenzwert und Österreichs Islamgesetz als unpassendes Vorbild für Deutschland.
Thema des Tages
Kinderrechte ins Grundgesetz: Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (beide SPD) plädieren für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz, meldet sueddeutsche.de. Sie äußerten sich anlässlich des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland vor 25 Jahren.
Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) geht davon aus, dass die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz keine praktischen Auswirkungen hätte. "Die schwierige Frage bliebe: Was entspricht dem Kindeswohl?" Christian Geyer (FAZ) erinnert daran, dass das Elternrecht im Grundgesetz vor allem ein Abwehrrecht gegen den Staat ist und insofern auch dem Kind diene. Birgit Kelle (Welt) unterstellt, dass die SPD die Zugriffsrechte des Staates auf die Kinder verbessern und zum Beispiel eine Kita-Pflicht einführen wolle.
Rechtspolitik
Islamgesetz: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Forderung aus seiner Partei nach einem Islamgesetz abgelehnt. Dies widerspräche dem Grundgesetz. Andere CDU-Politiker sprachen sich weiter dafür aus, berichtet die SZ. In einem separaten Kommentar bezeichnet Matthias Drobinski (SZ) den Vorschlag als "populistische Schnapsidee". Ein Islamgesetz sei in Deutschland genauso überflüssig "wie ein Christen-, Buddhisten- oder, man stockt, Judengesetz".
NetzDG: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Brings-Wiesen kritisiert auf juwiss.de den Gesetzentwurf des Justizministeriums zur "Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" als überflüssig. Die entsprechenden Instrumente stünden im Rundfunkstaatsvertrag und im Jugendmedienschutzstaatsvertrag bereits zur Verfügung. Die geplante Zuständigkeit des Bundesamts für Justiz trete neben die der Landesmedienanstalten.
Gnisa im Interview: Vor dem Richter- und Staatsanwältetag, der am heutigen Mittwoch beginnt, erläutert der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, im lto.de-Interview rechtspolitische Positionen: Ermittler sollen verschlüsselte Messenger-Dienste überwachen können. Zentralstellen gegen Cyberkriminalität, wie etwa in Bayern, seien sinnvoll. Den NetzDG-Entwurf des Justizministeriums begrüßt er.
Justiz
EuGH zu Visumsverweigerung: In einem Fall aus Deutschland entschied der Europäische Gerichtshof, dass nationale Behörden bei der Verweigerung von Visa aus Sicherheitsgründen einen weiten Beurteilungsspielraum haben, so lto.de. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte den Fall einer iranischen Informatikerin vorgelegt, die in Deutschland ein Promotionsstudium absolvieren wollte, bei der aber befürchtet wurde, dass ihre Erkenntnisse im Iran für militärische, geheimdienstliche oder repressive Zwecke missbraucht würden.
EGMR – Schulverweigerer: Die Welt (Claudia Becker) stellt den Fall des Ehepaars Wunderlich vor, das seine vier Kinder zu Hause unterrichtet. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen die Eltern dagegen vor, dass ihnen Teile des Sorgerechts entzogen wurden. Der EGMR habe Deutschland inzwischen zur Stellungnahme aufgefordert.
BVerfG – Ministerin und AfD: Das Bundesverfassungsgericht wird am 24. Mai über eine Organklage der AfD gegen die Bundesregierung verhandeln, meldet spiegel.de. Es geht um die Frage, ob Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) auf der Homepage ihres Ministeriums eine AfD-kritische Pressemitteilung veröffentlichen durfte. Das BVerfG hatte in dieser Sache bereits im November 2015 eine einstweilige Anordnung zugunsten der AfD erlassen.
BGH zur Haftung von Bewertungsportalen: Wenn ein Portal für Klinikbewertungen den negativen Beitrag eines Patienten bearbeitet, dann macht es sich diesen zu eigen. Das Portal hafte dann als Störer und müsse unwahre Behauptungen löschen. Das entschied laut lto.de der Bundesgerichtshof.
BGH zu Cannabis im Verkehr: Ein Autofahrer, der früher Cannabis konsumiert hat, muss sich vor Fahrtantritt vergewissern, dass er nicht mehr unter dem Einfluss des Wirkstoffs THC steht und den geltenden Grenzwert unterschreitet. Wenn er nicht sicher sei, müsse er auf die Fahrt verzichten. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem jetzt veröffentlichten Beschluss aus dem Februar und billigte die Geldbuße gegen einen Autofahrer, bei dem eine Grenzwertüberschreitung festgestellt worden war. Es berichten lto.de (Alexander Cremer/Pia Lorenz) und community.beck.de (Jörn Patzak).
VGH Kassel – Fraktionszuschüsse für NPD: Der Verwaltungsgerichtshof Kassel verhandelt heute über einen Normenkontrollantrag der NPD. Diese wendet sich gegen einen Satzungsbeschluss der hessischen Gemeinde Büdingen, die Fraktionen die kommunalen Zuschüsse verweigert, wenn sie aus Vertretern verfassungsfeindlicher Parteien bestehen. Ein Vorbericht findet sich nun auch in der Welt (Alina Leimbach).
OLG München – NSU: Die für Donnerstag geplante Vernehmung des Psychiaters Joachim Bauer, der der Angeklagten Beate Zschäpe verminderte Schuldfähigkeit attestiert, wurde vom Oberlandesgericht München wieder abgesagt, berichtet spiegel.de. Grund: Zschäpe habe Bauer nur in seiner Eigenschaft als Sachverständiger von der Schweigepflicht entbunden. Das Gericht habe Bauer jedoch als Zeugen geladen.
SG Heilbronn zu Fußballer-Arthrose: Das Sozialgericht Heilbronn hat einem ehemaligen Profifußballer die Anerkennung seiner Sprunggelenksarthrose als Berufskrankheit verweigert, meldet die FAZ (Marcus Jung). Es fehle die Nennung eines derartigen Schadens in der Berufskrankheiten-Verordnung.
LG Düsseldorf zur Misshandlung autistischer Kinder: Das Landgericht Düsseldorf hat eine Erzieherin wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten verurteilt, berichtet spiegel.de. Sie soll autistische Kinder in ihrer Wohngruppe misshandelt haben, ohne dass dafür therapeutische Gründe vorlagen.
AG Winsen zu geplatztem Reifen: Das Amtsgericht Winsen hat einen Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Der Mann war mit stark abgefahrenen Autoreifen unterwegs, daraufhin platzte ein Reifen und sein Beifahrer starb bei dem Unfall, berichtet spiegel.de.
LG Trier – Mord im Verkehr: Am Landgericht Trier hat der Prozess gegen eine Autofahrerin begonnen, die ihr Fahrzeug gezielt in den Gegenverkehr lenkte, um einen Streit mit ihrem Freund sofort zu beenden. Der Freund starb dabei als Beifahrer, ebenso eine weitere Frau, die sich im Auto befand. Der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs überlebte mit leichten Verletzungen.* Die Frau ist wegen Mordes angeklagt, meldet spiegel.de.
ArbG – Pflege-Überstunden: Die FAZ (Leonie Feuerbach) schildert die Klage eines Polen vor einem nicht näher bezeichneten Arbeitsgericht. Der Mann hatte einen deutschen Rentner betreut, der an Parkinson leidet. Der Mann habe 65 Stunden pro Woche gearbeitet, sei aber nur für 40 Stunden bezahlt worden. Jetzt klagt er auf Bezahlung seiner Überstunden.
StA Nürnberg-Fürth – Reichsbürger-Mordanklage: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat Anklage wegen Mordes gegen den sogenannten Reichsbürger erhoben, der im Oktober 2016 einen Polizisten erschossen hat, berichtet die SZ (Steve Przybilla).
StA Berlin – Mord an Türken: Im Interview mit der taz (Susanne Memarnia) schildert der Anwalt Onur Özata den Fall des 2012 in Neukölln erschossenen Türken Burak Bektas. Der Anwalt wirft der Staatsanwaltschaft mangelndes Interesse an Ermittlungen in rechten Kreisen vor.
Richter in der Wirtschaft: "Wie unabhängig agieren Richter, die sich insbesondere durch ihre Amtszeit für einen Millionen-Job in der Wirtschaft qualifizieren?", fragt Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de) und antwortet: "Erst richten, dann raffen – das geht!" Er begrüßt die Entwicklung von Ethik-Regeln für Richter.
* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst, die Fahrerin des entgegenkommenden Fahrzeugs sei gestorben. Geändert am 5.4.2017, 10:15.
Recht in der Welt
USA – Richter Gorsuch: Am Donnerstag soll im US-Senat über den von Präsident Donald Trump nominierten Kandidaten für den Supreme Court, Neil Gorsuch, abgestimmt werden. Die Demokraten wollen die Bestätigung durch Dauerreden (Filibuster) verhindern. Die Republikaner haben angekündigt, dass sie dann die Möglichkeit des Filibusters bei der Bestätigung von Supreme-Court-Richtern abschaffen werden, berichtet die SZ (Hubert Wetzel). Im Interview mit verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) beschäftigt sich auch Rechtsprofessor Mattias Kumm mit dieser Entwicklung.
USA – Whistleblower: Katharina Kort (Hbl) begrüßt eine Entscheidung von US-Behörden zum Schutz eines Whistleblowers. Dem bei der Bank Wells Fargo beschäftigte Vermögensberater war gekündigt worden, nachdem er intern auf Missstände hingewiesen hatte. Er muss nun wieder eingestellt werden und erhält 5,4 Millionen Dollar. "Nur wenn sich Aufrichtigkeit auszahlt, werden Mitarbeiter Missstände in ihren Unternehmen aufdecken", kommentiert Kort.
Österreich – Islamgesetz: zeit.de (Catharina Felke/Ferdinand Otto) stellt das österreichische Islamgesetz vor, das Vorbild für die aktuelle Diskussion in Deutschland ist. Die Situation in Österreich sei aber nur bedingt vergleichbar, weil die Muslime dort schon seit den 1970er-Jahren in zwei großen öffentlich-rechtlichen Körperschaften organisiert sind. Die vor zwei Jahren beschlossene Verschärfung, dass Imame nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden dürfen, spiele in der Praxis keine Rolle: "Geld aus dem Ausland fließt immer noch, wenn auch nicht mehr direkt, sondern über Stiftungen – ein juristisches Schlupfloch."
Sonstiges
Beihilferecht: Anwalt Kristian Tomczak schildert in der FAZ, wie Unternehmen sich gegen eine Rechtsverletzung durch staatlich gewährte Beihilfen an Wettbewerber wehren können: durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission und durch eine Konkurrentenklage vor einem nationalen Gericht.
Das Letzte zum Schluss
Illegale Zebrastreifen: Wieder einmal geht eine Kommune gegen bürgerschaftliches Engagement zur Verkehrsberuhigung vor. Die hessische Stadt Eppertshausen hat Strafanzeige gegen die Urheber zweier privat auf die Straße gemalter Zebrastreifen gestellt, meldet spiegel.de. Die Polizei ermittelt nun wegen Amtsanmaßung, Sachbeschädigung und – ausgerechnet – gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. April 2017: Skepsis bei Kinderrechten im Grundgesetz / BGH zu Cannabis im Verkehr / Islamgesetz in Österreich . In: Legal Tribune Online, 05.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22575/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag