Endlich herrscht Ruhe in Frankfurt, umso lauter ist das Medienecho zum Urteil des BVerwG in Sachen Nachtflugverbot. Außerdem in der Presseschau: Ist die Herdprämie vielleicht verfassungswidrig?, Sippenhaft bei der Gefahrenabwehr, polizeiinterne Ermittlungen nach behördlichem Versagen im Mordfall Lena, der richtige Einstieg ins Jurastudium und warum Fußball nicht vor Kriminalität schützt.
Nachtflugverbot in Frankfurt: Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern das Nachtflugverbot für den Frankfurter Flughafen bestätigt und den Ausbau der Landebahn für rechtmäßig erklärt. Unter anderem die taz (Christian Rath) berichtet. Die Genehmigung von 17 Nachtflügen in der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr nachts bei der Planfeststellung im Jahr 2007 durch das Land Hessen sei unzulässig gewesen. Dies sei bereits am Formfehler der fehlenden Anhörung der Betroffenen gescheitert. Auch wenn bei der Planungsergänzung nun neu über das Nachtflugverbot entschieden würde, werde es "im Ergebnis" beim Verbot bleiben.
Laut FR (Jutta Rippegather) hätten "maximal Expressfrachtflüge" Chancen auf eine Erlaubnis. Auch habe das Gericht klargestellt, dass die Randstunden um die sog. Mediationsnacht "nicht zum Tag gemacht" werden dürfen.
Umfassend erläutert für lto.de RA Jochen Hofmann-Hoeppel die Entscheidung und stellt sie den vorausgegangenen Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gegenüber, der bereits ein Nachtflugverbot ausgesprochen hatte.
Heribert Prantl (SZ) befindet, das Gericht habe Flughafenbetreiber und Politiker "beim alten Wort genommen" – Vor dem Bau der neuen Bahn sei den Anwohnern noch ein Nachtflugverbot versprochen worden, dass sei dann aber wieder vergessen worden. Weiter meint Prantl, der Rechtsstaat habe die Interessen auf respektable Weise ausgeglichen: Ein "Super-Grundrecht auf ungestörte Investitionsausübung", das allem anderen vorgeht, gebe es eben nicht.
"Frankfurt ist jetzt überall", so Christian Rath (taz): Nachtflugverbote seien nun "erst recht" auch für Provinzflughäfen möglich.
Reinhard Müller (FAZ) nimmt die Entscheidung zum Anlass, sich mit der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten, aber auch dem deutschen Demokratie- und Rechtsstaatsempfinden nachzuspüren. Einen "Rest von Obrigkeitsdenken" erblickt er im "Glauben der Deutschen" an die Gerichte, die es richten sollen. Bürger müssten bei Vorhaben wie im Falle des Frankfurter Flughafens frühzeitig informiert und beteiligt werden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
GG und Euro-Rettung: Der Bonner Rechtsprofessor Matthias Herdegen hat sich im Staat und Recht-Teil der FAZ mit der Belastbarkeit des Grundgesetzes zur Bewältigung der Euro-Krise befasst und befindet, dieses bilde einen "verlässlichen Rahmen". Den müsste die Politik aber bei "anstehenden Zustimmungsgesetzen" genau beachten. Herdegen fordert daher etwa für die Zustimmung zum ESM-Vertrag, entgegen des Entwurfs der Bundesregierung, eine "verfassungsändernde" also Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für das Gesetz, "entsprechend Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG".
GG und Betreuungsgeld: Laut SZ (Corinna Nohn) hegt die FDP-Bundestagsfraktion Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Einführung eines Betreuungsgeldes: Fraglich sei, ob der Bund überhaupt zuständig ist. Ein juristisches Gutachten, welches von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben worden ist, halte die Regelung für "verfassungsrechtlich prekär": Dass die Zahlung daran gekoppelt ist, dass "ein Kind keine öffentliche Einrichtung besuche", könne einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darstellen.
Die FTD (Christiane von Hardenberg/Nikolai Fichtner) berichtet ebenfalls und zitiert die Hamburger Verfassungsrechtlerin Margarete Schuler-Harms: Nur wenn allen Eltern zwei- und dreijähriger Kinder das Geld ausbezahlt, verstieße man nicht gegen den Gleichheitssatz. Laut Joachim Wieland, Verfassungsrechtler aus Speyer, verstößt das Betreuungsgeld auch gegen das grundgesetzliche Gebot der Förderung der Gleichberechtigung, so die FTD.
Datenschutzrecht: Wie die Bundesregierung die Pläne der EU-Kommission findet, die im Januar ein Paket mit Datenschutzverordnungen- und Richtlinien vorgestellt hat, erläutert die taz (Christian Rath). Teilweise begrüße sie die Pläne, etwa im Bereich des Datenschutzes in der Wirtschaft; für Privatpersonen und auch Blogger fordere die Regierung indes mehr Freiheit, als in Brüssel vorgesehen ist.
Gewalttäter-Datei Sport: Diese Woche erklärte die Bundesregierung, die Datei Gewalttäter Sport enthalte Daten von mehr als 13.000 Personen. Christian Spiller (zeit.de) kommentiert, die Aufnahme in die Datei erfolge nach dem "Prinzip Sippenhaft". Es genüge, "zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein". Bemerken würden Betroffene ihre Aufnahme häufig erst, wenn der Beamte zur so genannten Gefährderansprache an den Arbeitsplatz käme.
Weitere Themen – Justiz
Keine Heimkinder-Entschädigung: Wie lto.de meldet, sei die Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Heimkindes vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Grund sei, dass der Kläger bestehende Entschädigungsmöglichkeiten nicht durchzusetzen versucht habe.
St. Pauli Karten: Der Fußballclub St. Pauli plane, so lto.de, vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg gegen das polizeiliche Verbot, Tickets an Fans von Hansa Rostock für das Spiel am 22. April in Hamburg zu verkaufen, vorzugehen. Verbotsgrund seien Gewalttätigkeiten bei vergangenen Duellen der beiden Clubs. Den Widerspruch gegen das Verkaufsverbot habe das Verwaltungsgericht Hamburg zurückgewiesen.
Junge im Keller: Über den Prozess gegen eine Mutter sowie den Stiefvater eines siebenjährigen Jungen wegen Misshandlung Schutzbefohlener vor dem Landgericht Duisburg berichtet die SZ (Annette Ramelsberger). Die Angeklagten hätten das Kind über den Zeitraum eines Jahres immer wieder im Keller eingesperrt. Das Urteil werde nach Ostern erwartet.
Mordfall Lena: Eine Selbstanzeige des mutmaßlichen Täters wegen Besitzes von Kinderpornographie und der Aufnahme von Nacktfotos eines siebenjährigen Mädchens, die weder zu einer Durchsuchung noch zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen führte, zieht nicht nur viele Fragen sondern auch interne Ermittlungen bei der Polizei nach sich, wie unter anderem spiegel.de (Simone Utler) informiert. Wie die FAZ (Robert von Lucius/Maximilian Weingartner) berichtet, sei gegen "mehrere Polizisten aus Aurich ein Disziplinarverfahren wegen Pflichtverletzung" eingeleitet worden.
Der "Katastrophe mit Ansage" widmet die SZ (R. Wiegand/W. Bartens/H. Leyendecker) ihre Seite drei und befasst sich nicht nur mit dem polizeilichen Versagen schon vor der Tat, sondern beklagt auch die Rolle der Medien im Fall, besonders nach der Verhaftung des ersten Verdächtigen, sowie dem Kontrollverlust im Zeitalter der "Mitmach-Justiz" im Internet. Die taz (Teresa Havlicek) berichtet ebenfalls unter dem Titel "Im Sande verlaufen" über den Stand der Dinge, insbesondere mit Blick auf die polizeiinternen Ermittlungen.
Mit Patenten bekriegen: Die Unternehmen Facebook und Yahoo verklagen sich gegenseitig wegen Patenverletzungen, weiß die SZ (Sophie Crocoll): In der Sache gehe es um Patente auf Technologien zur Suche und Werbung sowie zum Markieren von Fotos. Facebook habe bislang erst 56 Patente, Yahoo dagegen über 1000.
EGMR in Gefahr: Wie Großbritannien, derzeit mit Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates, eine Schwächung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte herbeiführen will, erläutert die SZ (Thomas Kirchner). So sei etwa geplant, die Zuständigkeit des Gerichtshofs zu begrenzen und das Subsidiaritätsprinzip in die Europäische Menschenrechtskonvention aufzunehmen.
Europäische Einigung und BVerfG: Im Staat und Recht–Teil der FAZ mach sich Reiner Schmidt, Rechtsprofessor in Augsburg, betreffend den europäischen Einigungsprozess weniger Sorge um die "deutsche Souveränität", so Thomas von Danwitz an gleicher Stelle vor zwei Wochen, als um die "Art und Weise". Insgesamt sei das Integrationsprojekt vor allem gefährdet, weil "bestehende Grundregeln" wie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aufgegeben würden. Die deutsche Politik habe "den Raum des Rechts verlassen". Das Bundesverfassungsgericht sei nun Hoffnungsträger und würde wohl auch –nach angekündigten Verfassungsbeschwerden- wieder das letzte Wort haben.
Sonstiges
Einstieg Jurastudium: Der erste Teil eines "Merkblatts" für Jura-Erstsemester findet sich bei bei juraexamen.info. Dort bekommt gibt es rechtzeitig zum Semesterstart Tipps zu Lernmethoden, und Literaturauswahl, wie man Klausuren löst und was der so genannte Gutachtenstil ist.
Das Letzte zum Schluss
Fußballprofis auf Abwegen: Wie aus dem vielversprechenden Stürmer des Drittligisten SV Babelsberg Süleyman Koc ein Krimineller wurde und wie er nun im offenen Vollzug vielleicht eine zweite Chance bei seinem alten Verein bekommt, weiß die SZ (Boris Herrmann) im Sport-Teil. Der junge Fußballprofi sei von ehemaligen Kameraden zum Mitmachen bei Raubüberfällen überredet worden. Guido Kocer, derzeit Spieler bei Erzgebirge Aue, habe ebenfalls mitgemacht, einfach um "ein Abenteuer zu erleben". Von der Beute habe er nichts gewollt, so die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. April 2012: . In: Legal Tribune Online, 05.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5951 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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