VW drohen wegen der Abgasaffäre Milliardenforderungen seitens der amerikanischen Regierung. Außerdem in der Presseschau: Freie Journalisten sollen im Urhebervertragsrecht gestärkt werden und Rocker klagen gegen Vereinsverbote.
Thema des Tages
USA - Regierung gegen Volkswagen: Im Skandal um manipulierte Abgaswerte wird Volkswagen nun von der US-amerikanischen Regierung verklagt. Der Automobilhersteller habe gegen das Umweltschutzgesetz "Clean Air Act" verstoßen, was Schadensersatzforderungen in Höhe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen könnte. Mit der Umgehung von Emissionsschutzregeln zerstörten Autohersteller das Vertrauen der Öffentlichkeit, gefährdeten die öffentliche Gesundheit und verschafften sich einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Dies bekräftigte Vizejustizminister John Cruden und kündigte an, dass die Regierung alle geeigneten Rechtsmittel nutzen werde. VW habe zum besonderen Ärger der Regierung die Aufklärungsarbeiten "behindert und blockiert", da zunächst Material zurückgehalten und irreführende Informationen zur Verfügung gestellt worden seien. Es berichten die SZ (Claus Hulverscheidt/Klaus Ott), die Welt (Nikolaus Doll/Philipp Vetter) und spiegel.de.
Rechtspolitik
Flüchtlingspolitik – Grenzkontrollen: Angesichts der von Dänemark und Schweden aufgenommenen Grenzkontrollen berichtet die FAZ (Eckart Lohse/Frank Pergande/Matthias Wyssuwa) über die Entwicklung der Flüchtlingspolitik in Nordeuropa. Zudem erläutert die FAZ (Alexander Haneke), warum nach deutschem Recht kein Flüchtling an der Grenze nach Deutschland abgewiesen werden kann.
Journalistenvergütung: Die taz (Christian Rath) berichtet über einen Gesetzesentwurf von Justizminister Heiko Maas, mit dem die finanziellen Interessen freier Journalisten gegenüber den Verlagen gestärkt werden sollen. Zwar sehe das Urheberrechtsgesetz bereits seit 2002 eine "angemessene" Bezahlung vor, Vergütungsregeln seien aber nur schleppend vereinbart worden und würden oft einfach ignoriert. Maas will nun unter anderem ein Verbandsklagerecht einführen. Journalistenverbände halten Maas' Vorschläge für halbherzig.
Anti-Doping-Gesetz: Auf lto.de setzt sich Strafverteidiger Ali B. Norouzi mit dem neuen Anti-Doping-Gesetz auseinander. Er ist der Ansicht, eine strafrechtliche Sanktionierung von Doping im Profisport sei "Sanktionierung von Vorbildversagen" - und nicht die eigentliche Aufgabe des Strafrechts.
Gemeinnützigkeit von Verbänden: Die taz (Martin Kaul) berichtet vom Kampf mehrerer NGOs, darunter dem Kampagnenportal Campact, eine Klarstellung des Gemeinnützigkeitsrechts zu bewirken. Denn ein Anwendungserlass zur Abgabenordnung, nach dem tagespolitische Aktivitäten nicht gemeinnützig seien, wird sowohl von manchen Finanzbeamten als auch von politischen Gegnern gegen die Organisationen ausgelegt – was erhebliche finanzielle Einbußen bedeutet.
Gefahrengebiete in Hamburg: Der Hamburger Senat plant eine Novellierung des Gesetzes zur polizeilichen Datenverarbeitung (PolDVG). Seit 2005 können durch die Polizei sogenannte "Gefahrengebiete" eingerichtet werden, in denen die Polizei verdachtsunabhängig kontrollieren darf. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hielt diese Regelung jedoch Mitte vergangenen Jahres für verfassungswidrig, weil es an Normenklarheit fehle. Diese Rechtsprechung will der Senat nun "ohne Abstriche" umsetzen, meldet die taz-nord (Kai von Appen).
Justiz
BVerwG – Motorradclubverbote: Am heutigen Dienstag starten vor dem Bundesverwaltungsgericht zwei Verhandlungen über die Vereinsverbote von Rockerclubs. Der Verein "Gremium MC Sachsen" und eine seiner Niederlassungen waren 2013 verboten worden und klagten dagegen. Eine Aufhebung der Verbote wäre ein schwerer Rückschlag im staatlichen Kampf gegen die Rockerkriminalität, vermutet die Welt (Sven Eichstädt).
BGH zu Unterschrift des Verteidigers: Rechtsmittelschriften sind nur dann wirksam, wenn sie vom Pflichtverteidiger eigenhändig unterschrieben wurden, entschied der BGH im vergangenen Dezember laut lawblog.de (Udo Vetter). Die Unterschrift eines Anwaltskollegen reiche nur dann aus, wenn dieser gegenüber der Anwaltskammer als Vertreter bestellt sei.
BFH zu Faxen kurz vor Mitternacht: Bei einem fristgebundenen Schriftsatz muss die übliche Versendungszeit für ein Telefax berücksichtigt werden, wenn dieses erst kurz vor Mitternacht abgeschickt wird. Anderenfalls liegt ein schuldhaftes Fristversäumnis vor und auch die Wiedereinsetzung ist ausgeschlossen. Das stellte der Bundesfinanzhof im Oktober 2015 klar, wie rechtslupe.de darstellt.
LAG Nürnberg zu Drogen am Steuer: Wird ein Arbeitnehmer bei einer privaten Autofahrt unter Drogeneinfluss erwischt, kann dies unter Umständen eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen, wenn die Drogenfahrt Auswirkungen auf sein Arbeitsverhältnis hat. Dies führte das Landesarbeitsgericht Nürnberg im Juli 2015 zum Fall eines Lkw-Fahrers aus, wie blog.beck.de (Carsten Krumm) schreibt.
VG Köln zu Racial Profiling: Die Kontrolle eines Schwarzen am Kölner Hauptbahnhof sei kein unzulässiges Racial Profiling gewesen, weil der Mann sich auffällig verhalten hatte, urteilte nun das Verwaltungsgericht Köln laut lawblog.de (Udo Vetter). Der kontrollierte Passant glaubte dagegen, er sei nur wegen seiner Hautfarbe kontrolliert worden.
AGH Hamm zu Akteneinsichtsrecht: Anwälte haben bei der Rechtsanwaltskammer jederzeit Anspruch auf Einsicht in ihre vollständige Personalakte, entschied der Anwaltsgerichtshof in Hamm. Dieses Recht dürfe nicht mit dem Hinweis darauf verwehrt werden, eine Einsicht sei vor kurzem erfolgt und es bestehe daher kein berechtigtes Interesse. Auf lto.de begrüßt der Wissenschaftliche Mitarbeiter Christian Deckenbrock die Entscheidung grundsätzlich, sieht jedoch auch Missbrauchsgefahren.
StA Bremen – Terrorverdacht gegen Muslime: Die Staatsanwaltschaft in Bremen hat das Terrorverfahren gegen zwei Muslime eingestellt, wie die taz-nord meldet. Sie waren unter anderem verdächtigt worden, 60 Maschinenpistolen erworben zu haben, mit denen ein Anschlag habe verübt werden sollen. Der Verdacht hatte zu einem spektakulären Anti-Terror-Einsatz der Polizei geführt. In einem Kommentar meint Klaus Wolschner (taz-nord), es bedürfe einer Entschuldigung der Behörden.
StA Hamburg – Angriff auf Davidwache: In Hamburg sind die Ermittlungen wegen des vermeintlichen Angriffs von Autonomen auf die Polizeiwache Davidstraße, bei dem ein Polizist schwer verletzt worden sein soll, eingestellt worden. Täter konnten nicht ermittelt werden. Es sei sogar umstritten, ob der Angriff überhaupt stattgefunden habe, berichtet die taz-nord (Kai von Appen) berichtete.
Verurteilter Islamist flüchtete: Die FAZ (Reiner Burger) berichtet über den Fall des verurteilten Dschihadisten Hasan K, der trotz massiver Überwachung der islamistischen Szene durch die Sicherheitsbehörden – insbesondere nach dem Pariser Anschlag – aus Deutschland ausreisen konnte. Gegen ihn war ein längerer Strafprozess geführt worden, ohne dass er jemals in Untersuchungshaft genommen wurde. Auch als er im Herbst 2014 vom Landgericht Wuppertal zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden, blieb er auf freiem Fuß und setzte sich ab, nachdem seine Revision abgelehnt worden war.
Recht in der Welt
Polen – Mediengesetz: Gegen das umstrittene neue Mediengesetz, nach dem die Regierung über die Besetzung von Leitungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden soll, haben vier europäische Journalistenverbände beim Europarat eine Beschwerde eingelegt. Durch das Gesetz würden die Garantien für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beseitigt. Europarats-Generalsekretär Jagland schlug vor, dass Polen das Gesetz durch die Experten des Europarats überprüfen lassen solle, wie spiegel.de berichtet.
Polen – EU-Sanktionen: Auch lto.de und die FAZ (Helene Bubrowski und Konrad Schuller) beschreiben nun die Möglichkeiten der EU-Kommission zu Maßnahmen nach dem sogenannten "Rechtsstaatsmechanismus", wonach es "Empfehlungen" an den Mitgliedsstaat geben kann. Dass Sanktionen gegen Polen beschlossen würden, sei dagegen unwahrscheinlich, weil es hierzu einer einstimmigen Entscheidung des Europäischen Rats, also der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, bedürfe – und etwa der ungarische Ministerpräsident Orban wahrscheinlich nicht zustimmen werde.
Reinhard Müller (FAZ) hält im Leitartikel angesichts der Vorgänge in Polen, die einen "Staatsstreich" und Angriff auf den Rechtsstaat darstellten, ein Einschreiten der EU für angemessen. Wenn EU-Staaten sich auf "nationale Souveränität" beriefen und sich Einmischung verböten, ließen sie dabei außer Acht, dass sie sich mit dem Beitritt zur EU eben auch unter die Kontrolle der EU und der anderen Mitgliedstaaten gestellt hätten.
Frankreich - Medienfreiheit: Die FAZ (Michaela Wiegel) schreibt über die Einflussnahme des französischen Staats auf öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender. Bis 1982 sei der Sender ORTF quasi durch den Elysée-Palastes geführt worden und noch immer sei der Einfluss der Regierung groß, insbesondere unter dem ehemaligen Präsidenten Sarkozy. Auch von der Hollande-Regierung durchgeführte Änderungen des Mediengesetzes hätten viele Missstände nicht beheben können.
Sonstiges
Geschichte des BVerfG: Die FAZ (Florian Meinel) stellt das Buch "Democracy's Guardians. A History of the German Federal Constitutional Court. 1951– 2001" des Amerikaners Justin Collings vor, in dem dieser die Entwicklung des höchsten deutschen Gerichts zu dem politischen Verfassungsorgan beschreibt, das er heute in ihm sieht. Er skizziert die Auseinandersetzungen zwischen der Politik und dem Gericht, aus denen sich letztlich die Rolle des Verfassungsgerichts als Bewahrer des Grundgesetzes erst nach und nach ergeben habe. Damit beleuchte der Verfasser "flott und unterhaltsam" geschrieben viele interessante Details der deutschen Nachkriegsdemokratie.
Maßnahmen gegen "Reichsbürger": Das Brandenburgischen Institut für Gemeinwesen (demos) hat für Mitarbeiter der Brandenburger Verwaltung ein Handbuch erstellt, das diese für den Umgang mit selbsternannten Reichsbürgern wappnen soll. Diese hielten das Grundgesetz, deutsche Behörden und Gerichte für illegitim, weil sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bezweifelten – weshalb es immer wieder zu Konflikten komme. Empfohlen wird unter anderem, nicht mit "Reichsbürgern" zu diskutieren und schnelle, konsequente Maßnahmen zu ergreifen. Dies berichtet sueddeutsche.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 05. Januar 2016: US-Regierung verklagt VW / Höhere Journalistenvergütung? / Rocker vor dem BVerwG . In: Legal Tribune Online, 05.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18024/ (abgerufen am: 01.10.2023 )
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