Die juristische Presseschau vom 1. - 4. November 2013: Snowden will aussagen – Prostitutionsgesetz vor Reform – Kettensäge an Halloween

04.11.2013

Edward Snowden will aussagen – wenn Deutschland ihn vor US-Behörden schützt. Wie das möglich und ob es wünschenswert ist, beschäftigt verschiedene Medien. Außerdem in der Presseschau: umstrittene Pkw-Maut, Prostitutionsrecht vor Reform, Brechmittelprozess eingestellt, Ermittlungen gegen von Klaeden – und eine Kettensäge, die an Halloween die Polizei auf den Plan rief.

Thema des Tages

Edward Snowden: Edward Snowden hat signalisiert, zur Aufklärung der Spionageaffäre in Deutschland beitragen zu wollen. Die Samstags-SZ (Heribert Prantl) beschäftigt sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen eines möglichen Verhörs des Ex-NSA-Mitarbeiters und Whistleblowers in Deutschland. Wenn ein Untersuchungsausschuss Snowden befragen wolle, müsse der Bundesinnenminister eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Vor einer Auslieferung in die USA wiederum schütze ihn eine Regelung des deutsch-amerikanischen Rechtshilfeabkommens, demzufolge eine Auslieferung bei Straftaten mit "politischem Charakter" verweigert werden könne. Auch die Badische Zeitung (Christian Rath) liefert einen rechtlichen Überblick zum Thema Snowden.

In einem gesonderten Kommentar fordert Prantl (SZ) von der Bundesregierung eine entsprechende Zusicherung für Snowden, einen "Flüchtling, wie er im Buche steht". Dafür könne man auch einen "maßvollen Konflikt" mit den USA riskieren. Auch Ludwig Greven (zeit.de) fordert die Bundesregierung dazu auf, Snowden "dauerhaften Schutz" zu gewähren. Christian Rath (Montags-taz) meint, auf eine solche Zusage könne Snowden "lange warten". Mit einer illegalen Einreise sei er wahrscheinlich besser bedient – ihn auszuliefern würde eine Große Koalition "kaum wagen".

Rechtspolitik

Pkw-Maut: Die EU-Kommission ist dem nach einer Äußerung des Verkehrskommissars Siim Kallas entstandenen Eindruck entgegengetreten, sie halte eine auf Ausländer begrenzte Pkw-Maut in Deutschland für europarechtlich zulässig. Wie die Freitags-FAZ (Michael Stabenow/Manfred Schäfers) berichtet, lehnt die EU-Behörde "die Forderung nach einer ausschließlich von ausländischen Autofahrern zu entrichtenden Maut auf deutschen Straßen weiterhin kategorisch ab". Sie werde sich jeder "willkürlichen Schlechterstellung von Ausländern" entgegenstellen. Die Freitags-taz (Christian Rath) erläutert derweil die Stellungnahme des Verkehrskommissars und zieht Vergleiche zu Kompensationsregelungen bei der Lkw-Maut. Nach einem Bericht der Montags-FAZ (Kerstin Schwenn) prüft das Bundesverkehrsministerium unterdessen verschiedene Maut-Modelle.

Prostitutionsverbot: Die Welt am Sonntag (S. Meyer/L.-M. Nagel) konstatiert, dass das deutsche Prostitutionsgesetz die erhoffte Normalisierung der Sexarbeit nicht erreicht habe und berichtet über die Reformdiskussion in den Koalitionsverhandlungen. Die Montags-Welt (Jörg Eigendorf/Marc Neller) führt ein Interview mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, die ein Prostitutionsverbot fordert. Die Montags-taz (Reinhard Wolff) stellt die schwedischen Erfahrungen mit dem seit 1999 geltenden Verbot der Prostitution vor.

In der Montags-Welt fordert Jörg Eigendorf nachdrücklich eine Reform. In keinem anderen Bereich dulde "der Staat so viel Intransparenz und Verbrechen".

Vorratsdatenspeicherung: Einem Bericht der Freitags-FAZ (Peter Carstens) zufolge haben sich Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, die Vorratsdatenspeicherung für Telefon- und Internetverbindungsdaten wieder einzuführen. Es bestehe aber noch Uneinigkeit in Detailfragen, unter anderem in der Frage der Speicherzeit.

Reinhard Müller (Freitags-FAZ) begrüßt die grundsätzliche Einigung, befürchtet aber ein Fallen rechtsstaatlicher Grenzen. Entscheidend sei, "unter welchen Voraussetzungen auf die Daten zugegriffen werden darf und wie das kontrolliert wird."

Datenschutz: Im Gespräch mit dem Spiegel (Jörg Schindler/Fidelius Schmid, Vorabmeldung auf spiegel.de) kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar den "Fetisch" von "Sicherheit durch umfassende Überwachung", dem die USA erlegen seien. Für Deutschland fordert er eine regierungsunabhängige Stellung der Datenschutzbeauftragten und eine wirksamere Überwachung der Geheimdienste, etwa durch eine bessere Kooperation unter den Kontrollinstitutionen G10-Kommission, parlamentarischem Kontrollgremium und den Datenschützern.

No Spy-Abkommen: Zwischen Deutschland und den USA wird nach einem Bericht der FAS (Markus Wehner) schon bald ein Anti-Spionageabkommen geschlossen werden. Die Zeitung will aus Kreisen der Bundesregierung erfahren haben, dass eine Delegation des Kanzleramts in Washington eine entsprechende Absprache getroffen habe; das Abkommen solle schon zu Beginn des kommenden Jahres geschlossen werden. EU-Parlamentarier sähen durch bilaterale Verhandlungen derweil die Position der EU "torpediert".

Florian Kolf (Montags-Handelsblatt) fordert, das Abkommen müsse auch ein klar formuliertes Verbot der Wirtschaftsspionage enthalten. Dagegen fordert Thomas Stadler (internet-law.de), dass die demokratische Gesellschaft "dem System Geheimdienst den Kampf ansagen" müsse. Die aktuelle Tätigkeit der Dienste sei mit dem Rechtsstaat unvereinbar. Der gerichtliche Rechtsschutz sei deutlich eingeschränkt, eine parlamentarische Kontrolle existiere "nur in der Theorie".

Oppositionsrechte: Auf der "Staat und Recht"-Seite der Freitags-FAZ findet sich eine Pro-Contra-Debatte zur verfassungsrechtlichen Stärkung der Oppositionsrechte. Während Kyrill-A. Schwarz eine solche für "verfassungsrechtlich nicht angezeigt" hält, ist eine "kraftvolle Opposition" in den Augen von Michael Kloepfer "überlebenswichtig". Angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse wähnt er diese "in großer Gefahr".

Staatsbürgerschaftsrecht: Die Freitags-taz (Daniel Bax) führt ein Interview mit dem Rechtsanwalt und Staatsbürgerrechts-Experten Sükrü Uslucan zur "ruhenden Staatsbürgerschaft". Horst Seehofer (CSU) hatte ein solches Modell als Alternative zur doppelten Staatsbürgerschaft in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, wie die Zeitung in einem weiteren Artikel berichtet. Die Samstags-Welt (Freia Peters) berichtet ausführlich über die Diskussionen in der Koalitionsrunde.

Reinhard Müller (Samstags-FAZ) spricht sich gegen den Doppelpass aus – dieser sei ein "Bärendienst für die Integration".

Intersexualität im Personenstandsrecht: Am Freitag ist eine Änderung des Personenstandsrechts in Kraft getreten, nach der Eltern sich nicht bereits nach der Geburt für ein Geschlecht entscheiden müssen, wenn sich dieses bei Neugeborenen nicht eindeutig bestimmen lässt. Die Freitags-taz (Simone Schmollack) berichtet über die Neuerung und die weitergehenden Forderungen von Intersexuellen-Verbänden.

Heide Oestreich (Freitags-taz) kritisiert, dass frühkindliche "genitalangleichende Operationen" nach wie vor erlaubt bleiben – und hält diese ohne informierte Einwilligung der konkret Betroffenen für menschenrechtswidrig.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. - 4. November 2013: Snowden will aussagen – Prostitutionsgesetz vor Reform – Kettensäge an Halloween . In: Legal Tribune Online, 04.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9946/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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