Überraschend höchstens für den Verkehrsminister: Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hält die Pkw-Maut für europarechtswidrig. Außerdem in der Wochenend-Presseschau: Die Reform des Mordparagrafen und was Thomas Fischer davon hält, Tonbänder für Kohl, ein billiger Deal für Ecclestone, die Yukos-Vollstreckung und ein neuer Sohn für den spanischen König.
Thema des Tages
Pkw-Maut: Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hält die von Verkehrminister Alexander Dobrindt (CSU) geplante Pkw-Maut für unvereinbar mit Europarecht, weil EU-Ausländer im Ergebnis gegenüber Deutschen benachteiligt würden. Das berichteten der Spiegel, die Samstagsausgabe der Badischen Zeitung (Christian Rath) und die Montags-SZ (Claus Hulverscheidt). Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Nach den Plänen sollen zwar sowohl ausländische wie auch deutsche Autofahrer eine Abgabe zahlen, für deutsche wird aber im Gegenzug die Kfz-Steuer gesenkt.
Heribert Prantl (Montags-SZ) kommentiert, in der CSU herrsche offenbar eine "dös is uns wurscht"-Haltung. Man wolle die Maut dennoch durchsetzen, das vorhersehbare Scheitern aber auf die "Deppen in Europa" schieben, wenn der Europäische Gerichtshof die Regelung aufheben würde.
Rechtspolitik
Reform des Mordparagrafen: Der Spiegel (Melanie Amann) befasst sich ausführlich mit den Plänen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), die Tötungsdelikte zu reformieren. Das Vorhaben sei juristisch anspruchsvoll und politisch heikel: Vor allem werde es bei den Bürgern auf wenig Verständnis stoßen, wenn es künftig keinen Mord-, sondern nur einen Totschlagparagrafen geben sollte und einen entsprechend weiten Strafrahmen. Möglich sei aber auch, dass die Expertenkommission stattdessen vorschlage, die Mordmerkmale präziser zu fassen.
Thomas Fischer im Interview: Einer, der die Abschaffung des Mordparagrafen fordert, ist Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp/Jan Fleichhauer) spricht er außerdem über das Rechtsempfinden der Bürger, das Verhältnis von Strafrecht und Moral, seine Kritik an der Staatsanwaltschaft im Fall Edathy und bezeichnet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem das Inzestverbot auch mit dem Argument der Volksgesundheit bestätigt wurde, als "bemerkenswerten Ausrutscher".
Kirchhof zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten: Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, hat sich kritisch zu Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten geäußert. spiegel.de zitiert ihn mit den Worten, Nebentätigkeiten dürften "die parlamentarische Tätigkeit nicht verdrängen." Die FAZ (Johannes Pennekamp) berichtet über eine Studie, wonach Abgeordnete mit höheren Zusatzeinnahmen in der 17. Legislaturperiode (2009 bis 2013) ebenso oft an namentlichen Abstimmungen teilnahmen, wie Abgeordnete mit geringeren Einnahmen und auch nicht signifikant weniger Reden im Parlament hielten.
Restitutionsklage: Wie der Focus (mk) knapp meldet, sollen zivilprozessrechtliche Restitutionsklagen erleichtert werden. Der Bundestag habe einer Petition zugestimmt, wonach die Fristen für die Einreichung aufgehoben und die im Voraus zu entrichtenden Gerichtsgebühren entfallen sollen.
Justiz
Masing zu "Recht auf Vergessen": Auch die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über die "vorläufige Einschätzung" des Verfassungsrichters Johannes Masing zu der "Recht auf Vergessen"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Masing kritisiert insbesondere, dass Google damit die weitreichende Abwägung von Meinungsfreiheit und Privatsphäre überlassen werde. Grundsätzlich begrüße er aber, dass der EuGH Google dem europäischen Datenschutzrecht unterwerfe und erstmals ein "Recht auf Vergessen" im Internet formuliert hat.
Christian Rath (Montags-taz) kommentiert Masings Vorgehen, seine Stellungnahme kurz nach der EuGH-Entscheidung an ausgewählte Personen aus Politik, Wissenschaft und Medien zu geben, aber nicht an die Öffentlichkeit. Das sei sein gutes Recht, aber möglicherweise nicht klug – nun werde Masing mit Positionen zitiert, die er vielleicht gar gar nicht mehr vertrete.
BVerfG – Leistungsschutzrecht: Der Suchmaschinenbetreiber Yahoo hat beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen das Leistungsschutzrecht eingelegt. Yahoo erklärte, man halte das Gesetz, wonach Suchmaschinen im Internet nur sehr begrenzt Textausschnitte zur Verfügung stellen dürfen, für zu unbestimmt. Das meldet spiegel.de.
OLG Köln zu Kohls Tonbändern: Die Tonbänder mit seinen Lebenserinnerungen stehen Altbundeskanzler Helmut Kohl zu – und nicht dem Journalisten Heribert Schwan, der die Gespräche aufgezeichnet hatte, um Kohls Memoiren zu verfassen. Das entschied das Oberlandesgericht Köln am Freitag. Laut spiegel.de überlegt Schwan Revision zum Bundesgerichtshof einzulegen. Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) schreibt, das Urteil sei zwar richtig, aber "unbefriedigend". Die Tonbänder gehörten als historische Quelle in ein Archiv – das aber könne das Gericht nicht anordnen.
LG München – Deal mit Ecclestone? Nach Informationen der Samstags-SZ (Klaus Ott) soll der Prozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone gegen eine Geldauflage in Höhe von 100 Millionen Dollar eingestellt werden. Darauf hätten sich Ecclestone und die Staatsanwaltschaft in einem sogenannten Deal geeinigt, die Zustimmung des Landgerichts München gelte als sicher. Ecclestone ist wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue angeklagt. Im Wirtschaftsteil der Samstags-SZ (Christoph Giesen/Klaus Ott) geht es um Ecclestones Vermögen – 100 Millionen Dollar seien für ihn wohl "ein billiger Deal".
Heribert Prantl (Samstags-SZ) empört sich über den "rechtlichen Zirkus". Das Gericht werde zu "einer Art Waschanlage" für den Formel-1-Chef, Ecclestone könne sich "freikaufen". Die "ohnehin schon fragwürdigen Regeln des Deals" würden so "noch einmal gedehnt, verdreht, verzerrt und verbogen". Auch Kerstin Leitel (Handelsblatt) beschreibt den Prozess als "Theaterstück", betont aber, Deals seien zulässig und eine Geldstrafe werde Ecclestone mehr treffen, als etwa eine Freiheitsstrafe auf Bewährung.
OLG München – Beate Zschäpe: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) schildert nochmals die jüngsten Entwicklungen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München und erklärt, die Zeugenaussage einer Urlaubsbekannten und die Art und Weise, wie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit ihren Verteidgern umgehe, würden das Bild einer selbstbewussten und gut informierten Mittäterin bestätigen.
Neonazis bedrohten Richter: Wie die Samstags-taz-nord (Jean-Philipp Baeck) berichtet, sollen Neonazis am Landgericht Verden einen Richter massiv bedroht haben. Bei einem Prozess im Februar war der Angeklagte Cihan A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren und neun Monaten Jugendstrafe verurteilt worden, er hatte den 25-jährigen Daniel S. nach einem Diskobesuch so getreten, dass dieser starb. Neonazis forderten eine hohe Strafe. Nun erklärten die Verteidger von Cihan A., der Vorsitzende Richter sei konkreter als bisher angenommen bedroht worden, auch deshalb würden sie Revision einlegen.
StA Traunstein – Zivilpolizist erschießt Dealer: Im bayerischen Burghausen ist ein Dealer auf der Flucht von einem Zivilfahnder erschossen worden, nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Traunstein wegen fahrlässiger Tötung. Die Montags-taz (Lisa Schnell) schildert den Fall, der bei den Nachbarn, die Augenzeugen wurden, für Unverständnis und Entsetzen sorgte. Weiter heißt es in dem Bericht, es sei zweifelhaft, ob die Justiz Fälle von Polizeigewalt ausreichend verfolge.
Rechtsanwalt Schroth im Interview: Der Spiegel (Hubert Gude - Zusammenfassung auf spiegel.de) spricht mit dem Rechtsanwalt Klaus Schroth, der den ehemaligen BND-Mitarbeiter Markus R. vertritt. R. wurde wegen des Verdachts der Spionage für den US-Geheimdienst CIA Anfang Juli verhaftet. Schroth schildert R. als einen "kleinen Angestelllten" und als naiv. Außerdem fordert Schroth eine "Kronzeugenrolle" für R. bei einem Verfahren gegen die US-Agenten - seine Aussagebereitschaft müsse bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Recht in der Welt
Österreich - Klage gegen Facebook: Der österreichischer Datenschutz-Akitivist Max Schrems hat Facebook-Nutzer aufgefordert, sich einer Klage gegen das Netzwerk anzuschließen, so zeit.de. Schrems klagt vor dem Handelsgericht Wien wegen Datenschutzverstößen in Facebook-Bestimmungen. Er wolle für jeden Teilnehmer 500 Euro Schadensersatz einklagen.
Russland - Vollstreckung im Yukos-Fall: Wie kommen die enteigneten Yukos-Aktionäre an ihr Geld? Nachdem sowohl der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag, als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland wegen der Yukos-Zerschlagung zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 37 Milliarden Euro bzw. 1,9 Milliarden Euro verurteilt haben, erklärt die FAS (Corinna Budras) die schwierige Vollstreckung. Russland will die Urteile nicht ohne Weiteres akzeptieren. Die Klägeranwälte geben sich aber zuversichtlich und wollen etwa russisches Vermögen im Ausland pfänden.
Uganda – Gericht kippt Anti-Homosexuellen-Gesetz: Das Verfassungsgericht Ugandas hat das umstrittene Gesetz kassiert, das Homosexuellen mit lebenslanger Haftstrafe drohte – allerdings aus formalen Gründen, so die Samstags-taz (Simone Schlindwein). Bei der Abstimmung im Parlament seien zu wenig Abgeordnete anwesend gewesen.
Juristische Ausbildung
Jurastudent über Karrierewege: Im Interview mit der FAS (Corinna Budras/Stefan Heimerl) schildert der Jurastudent Linus Vollmar seine Karriereabsichten. Die Arbeit in der Großkanzlei sei ihm zu stressig, ein sicheres Arbeitsverhältnis im Staatsdienst könne er sich gut vorstellen – so gehe es auch vielen seiner Kommilitonen.
Sonstiges
Debatte um Burka-Verbot: Unter dem Titel "Die Burka als Freiheitssymbol? Nein danke" führt der Rechtsphilosphie-Professor Uwe Volkmann verfassungsblog.de die Debatte um das französische Burka-Verbot fort, das kürzlich vom Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt wurde. Volkmann betont, das Gesetz habe vor allem symbolische Bedeutung – was aber nicht von vorneherein illegitim sei.
Der Snowden-Fall im deutschen Recht: Nach deutschem Recht hätte Edward Snowden sich "vermutlich nicht strafbar gemacht", jedenfalls hätter er keine langjährige Haftstrafe zu erwarten, meint Thomas Stadler (internet-law.de). Er kritisiert den SPD-Fraktionsvorsitzenden, Thomas Oppermann, der gesagt hatte, Snowden werde in den USA für Rechtsverstöße zur Rechenschaft gezogen und dies "wäre in Deutschland nicht anders". Auch Heribert Prantl (Montags-SZ-Feuillleton) betont, Whistleblowing dürfe in Deutschland nicht bestraft werden und schildert Fälle historischer Vorbilder: So wurde der Publizist Carl von Ossietzky 1932 wegen Landesverrat verurteilt, der Angestellte Werner Pätsch dagegen 1963 im Wesentlichen freigesprochen.
Rechtliche Betreuung: Die FAS (Nadine Oberhuber) erklärt, wie man mit Patienetenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht regeln kann, wer was entscheiden soll, wenn man selbst wegen Krankheit oder Alter nicht mehr dazu in der Lage ist.
Rechtswidriges Spiegel-Cover? Der Spiegel zeigt ein Cover mit dem Titel "Stoppt Putin" und Fotos der getöteten Passagiere des MH017-Flugs, die wohl aus dem Internet stammen – ein Verstoß gegen das Presse- und Urheberrecht, meint der Rechtsanwalt Markus Kompa auf lto.de.
Polizeieinsätze bei Fußballspielen: Wer muss für Polizeieinsätze bei Fußballspielen zahlen? Die Montags-FAZ (Julian Trauthig) gibt einen Überblick, wie das in verschiedenen europäischen Ländern geregelt ist. In Deutschland wird darüber diskutiert, nachdem Bremen gefordert hatte, die Deutsche Fußball-Liga solle bei Risikospielen für Polizeieinsätze aufkommen.
FC Bayern Dauerkarten: Der Rechtsanwalt Tim Bagger erklärt auf lto.de, warum FC-Bayern-Fans keinen Anspruch auf eine neue Dauerkarte haben, wenn sie bei zuvielen Heimspielen gefehlt haben.
Das Letzte zum Schluss
Königssohn statt Kellner: Dem spanischen Ex-König Juan Carlos droht neues Ungemach. Nach seinem Rücktritt genießt er nur noch begrenzt Immunität - und sieht prompt einer Vaterschaftsklage entgegen. Ein Kellner aus Gerona ist überzeugt, Juan Carlos ältester Sohn zu sein und hat sich an den Obersten Gerichtshof gewandt. Die Samstags-Welt (Ute Müller) berichtet.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. bis 4. August 2014: Wieder Zweifel an der Pkw-Maut – Kohl bekommt seine Tonbänder – Deal für Ecclestone . In: Legal Tribune Online, 04.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12774/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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