Die erste rechtspolitische Diskussion des neuen Jahres entzündet sich am "Sozialtourismus." Aber ist die Verweigerung von Leistungen an EU-Ausländer überhaupt europarechtskonform? Außerdem in der Presseschau: Zweites Jahr im NSU-Prozess, Ende in Sicht für Wulff, Deutsche Bank im Visier der Münchner Staatsanwaltschaft, Gutachterstreit über EnBW und eine echte Fan-Leidenschaft.
Thema des Tages
Hartz IV für Ausländer: Haben arbeitslose EU-Ausländer einen Anspruch auf Hartz IV, auch wenn sie zuvor nicht in Deutschland gearbeitet haben? Diese Frage wird demnächst den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Wie die FAZ (Corinna Budras) schreibt, hat das Bundessozialgericht dem Luxemburger Gericht die Frage vorgelegt, ob eine Regelung aus dem Sozialgesetzbuch II, nach der die Anspruchsberechtigung solcher EU-Ausländer ausgeschlossen ist, europarechtskonform ist.
Die taz (Christian Rath) bietet einen "Faktencheck." In Frage und Antwort-Form wird dargelegt, auf welche Sozialleistungen EU-Ausländer in Deutschland Anspruch haben. Zeit.de (Kersten Augustin/Lisa Caspari) erinnert in ihrer Übersicht daran, dass der jüngst von Union und SPD geschlossene Koalitionsvertrag einen "Passus zur Armutswanderung" enthält. Um die Akzeptanz für die Freizügigkeit innerhalb der EU zu stärken, werde die große Koalition "der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken."
Rechtspolitik
Selbstanzeige: Nun berichtet auch die FAZ (Manfred Schäfers) über die Pläne der Finanzministerkonferenz, die Berichtigungspflicht bei steuerrechtlichen Selbstanzeigen auf zehn Jahre auszudehnen.
IT-Sicherheit: Die Welt (Florian Eder) berichtet über Pläne der EU-Kommission zur Erhöhung der Netzsicherheit. Eine Richtlinie soll Betreiber kritischer Infrastrukturen wie etwa Energieanbieter oder Banken dazu verpflichten, Hackerangriffe auf ihre Systeme offenzulegen.
Mediation: Rechtsanwalt Gerfried Braune (ra-braune.de) erinnert daran, dass eine in Paragraf 6 des im Juli 2012 verabschiedeten Mediationsgesetzes vorgesehene Verordnung zur Regelung der Aus- und Fortbildung sogenannter zertifizierter Mediatoren bislang immer noch nicht erlassen wurde.
Justiz
BAG zu Dienstort: Rechtsprofessor Christian Rolfs (beck.blog.de) berichtet über eine jetzt veröffentlichte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom August, nach der ein Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts berechtigt sein kann, einem Arbeitnehmer einen anderen als den im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannten Dienstort zuzuweisen.
OLG München – NSU-Prozess: SZ.de veröffentlicht die Verfilmung einer szenischen Lesung von Protokollmitschriften aus dem Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München. Eine Digitalreportage (Annette Ramelsberger/Fabian Heckenberger) zeichnet das Verfahren nach und erkennt bei der Spurensuche an den verschiedenen Tatorten vielfach "deutschen Alltag und dessen Abgründe". Über den bislang erfolglosen Kampf eines Journalisten um eine Nachakkreditierung im Prozess berichtet die taz (Tobias Schulze).
OLG Hamm zur Anschnallpflicht von Kleinkindern: Ein nun veröffentlichter Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm verpflichtet Autofahrer dazu, dafür Sorge zu tragen, dass mitfahrende Kleinkinder vorschriftsgemäß angeschnallt sind. Udo Vetter (lawblog.de) und lto.de berichten.
LG Hannover – Christian Wulff: Der Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) steht offenbar vor dem Ende. Wie die SZ (Ralf Wiegand) schreibt, soll statt ursprünglich geplanter weiterer 20 Zeugen nur noch ein ermittelnder Polizist vernommen und die Beweisaufnahme damit geschlossen werden. Nach Vernehmung des zuständigen Hauptermittlers des Landeskriminalamtes sehe es nun "klar nach einem Freispruch für Wulff aus". Auch nach dem Bericht von spiegel.de (Gisela Friedrichsen) ist dies "logische Folge der Beweisaufnahme" vor der Strafkammer.
LG Ulm – Scala-Verträge: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg betreibt beim Landgericht Ulm eine Unterlassungsklage gegen die Sparkasse wegen deren Versuch, Kunden mit sogenannten Scala-Verträgen zu einem Ausstieg zu bewegen. Rechtsanwalt Alexander Knauss erklärt für lto.de das Geschäftsmodell, die "alles andere als übersichtliche" Rechtslage und wagt eine Entscheidungsprognose.
VG Berlin – La Belle: Das Verwaltungsgericht Berlin hat nach einer Meldung von welt.de einem Beteiligten am Anschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" den Flüchtlingsstatus aberkannt. Dieser war dem Mann nach Verbüßung seiner Haftstrafe wegen möglicher Repressionen in seiner libyischen Heimat 2008 zuerkannt worden.
StA München – Deutsche Bank: Den Stand der Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft gegen mehrere aktuelle und ehemalige Vorstände der Deutschen Bank wegen versuchten Prozessbetruges beschreibt die SZ (Klaus Ott) ausführlich in ihrem Wirtschafts-Teil. Weil sich der aktuelle Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen bei seiner Zeugenaussage im Schadensersatz-Prozess der Kirch-Erben zurückhaltender geäußert habe als Kollegen, käme er wohl um eine Anklage herum. In einem weiteren Artikel (Klaus Ott) berichtet die Zeitung von einem neuen Zeugen, der den früheren Bank-Chef Rolf Breuer schwer belastet. Bei einem 2002 stattgefundenen Treffen mit Wirtschaftsgrößen und dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) soll nach Darstellung dieses bisher unbekannten Zeugen in eindeutiger Weise über Ende und Aufteilung des Kirch-Konzerns gesprochen worden sein.
StA Mannheim – Meese: Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat ihre gegen den Künstler Jonathan Meese gerichteten Ermittlungen nach einer Meldung von lto.de eingestellt. Während einer Performance hatte Meese Hitlergruß und Hakenkreuz gezeigt, die Grenzen der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit seien hierbei jedoch nicht überschritten worden.
StA Stuttgart – EnBW: Die unter anderem gegen den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) gerichteten Ermittlungen wegen des mutmaßlich zu einem überhöhten Kaufpreis erfolgten Einstieg des Landes beim Energiekonzern EnBW entwickeln sich "zur Schlacht der Wirtschaftsprofessoren". Wie das Handelsblatt (Jürgen Flauger) schreibt, ist von der Verteidigung eines Mitbeschuldigten Mappus' eine "umfassende Dokumentation" vorgelegt worden, die "eklatante Mängel" an dem von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachten belege. Auch die taz (Lena Müssigmann) berichtet.
Recht in der Welt
Kroatien – Perkovic: Der frühere kroatische Geheimdienstoffizier Josip Perkovic ist am 1. Januar in Kroatien aufgrund eines deutschen Haftbefehls festgenommen worden. Ob es tatsächlich zu einer Auslieferung kommt, ist nach dem Bericht der FAZ (Karl-Peter Schwarz), der auch den europarechtlichen Hintergrund des Verfahrens beleuchtet, ungewiss.
Österreich – Restitution: Über einen "Prozess wie bei Kafka" aus Österreich schreibt die FAZ (Anne Kohlick) in ihrem Feuilleton. Weil er in einem eine Immobilie betreffenden Restitutionsantrag unvollständige Angaben gemacht haben soll, ist ein Journalist zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Betrugs verurteilt worden, der Fall ist mittlerweile beim Obersten Gerichtshof des Landes anhängig.
Sonstiges
Verdienstausfallerstattung: Die taz-Berlin (Sebastian Heiser) schreibt über den bislang erfolglosen Versuch einer Berlinerin, vom Amtsgericht Tiergarten als Zeugin in einem Strafverfahren ihren Verdienstausfall erstattet zu bekommen. Der "eigentlich umspektakuläre" Fall beweise, "dass an so manchem Gericht jedes Gespür für die Lebensrealitäten vieler Menschen" fehle.
Das Letzte zum Schluss
Fan-Leidenschaft: Die US-amerikanische Fernsehserie "Breaking Bad" hat auch hierzulande zahlreiche Anhänger. Die Geschichte über einen synthetische Drogen kochenden Chemie-Lehrer wohl ein klein wenig zu ernst genommen hat aber nun ein Fan aus dem Herkunftsland der Show: Spiegel.de (kha) schreibt, dass ein 28-Jähriger festgenommen wurde, nachdem die Polizei mehr als 300 Kilogramm synthetisches Marihuana in seiner Wohnung sicherstellte. Vor einigen Monaten sah der Mann als Sieger eines Gewinnspiels die letzte Folge der mittlerweile eingestellten Serie zusammen mit den Schauspielern.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. Januar 2014: Hartz IV für Ausländer – Ende für Wulff in Sicht – Staatsanwaltschaft gegen Deutsche Bank . In: Legal Tribune Online, 03.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10503/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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