Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2016: Freie Fahrt für Maut / End­lich Ende im NSU-Pro­zess? / Ver­fas­sungs­be­schwerden mit Stra­tegie

02.12.2016

Die EU-Kommission stimmt sich mit dem Verkehrsministerium über die PKW-Maut ab. Außerdem in der Presseschau: Bundesteilhabegesetz, absehbares Ende im NSU-Verfahren und die GFF betreibt Verfassungsbeschwerden mit Strategie.

Thema des Tages

PKW-Maut: Die EU-Kommission hat sich mit dem von Alexander Dobrindt (CSU) geleiteten Bundesverkehrsministerium über die Voraussetzungen der Einführung einer PKW-Maut auf deutschen Autobahnen geeinigt. Einzelheiten berichten bild.de (Dirk Hoeren) und die SZ (Markus Balser/Daniel Brössler). Nach jüngsten Bericht behält sich das Nachbarland Österreich wegen möglicher Benachteiligung seiner Autofahrer eine Klage beim Europäischen Gerichtshof vor.

Nach dem Kommentar von Markus Balser (SZ) hat sich der Verkehrsminister offenbar "sehr viel mehr einfallen lassen", als die Gegner Projekts für möglich gehalten hatten. Verkehrspolitisch bleibe die Neuerung aber "beinahe wirkungslos". Nach Hendrick Kafsack (FAZ) ist das Kalkül des Kommissionspräsidenten "leicht zu durchschauen". So sei die "mit den EU-Verträgen eigentlich unvereinbare Ausländer-Diskriminierung" mit dem "legalistischen" Argument, eine Eins-zu-eins-Verrechnung von Maut und Kfz-Steuer finde nicht statt, umgangen worden, um einen Konflikt mit Deutschland zu vermeiden. Für Christoph B. Schiltz (Welt) besteht die Zukunft der Beteiligung von Autofahrern an Infrastrukturkosten in einem europaweiten System, das Straßennutzungsgebühren einheitlich regele, und nicht in der deutschen "Retro-Maut".

Rechtspolitik

EU-Digitalcharta: Die soeben von der "Zeit"-Stiftung initiierte "Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union" erfährt Widerspruch von Rechtsanwalt Niko Härting auf lto.de. In seinem Kommentar kritisiert der Autor "diese sehr deutsche Aktion", weil deren Verfasser anscheinend davon ausgingen, dass die geltende europäische Grundrechtecharta in der "Hochrisikozone" Internet nicht ausreichen würde. Inhaltlich konzentriere sich die Digitalcharta auf Einschränkungen von Freiheitsrechten und Allgemeinplätze. Auch Michael Hanfeld (FAZ) zeigt sich im Medien-Teil der Zeitung skeptisch gegenüber dem Vorhaben. Die in der Charta behandelten Themen würden inzwischen von Politik und Justiz ernstgenommen. Um einer Aushöhlung von Grundrechten vorzubeugen, bedürfe es eines Digitalgesetzes, "das ganz konkret Ansprüche der Bürger gegen Unternehmen formuliert", die mit persönlichen Daten Handel treiben.

Bundesteilhabegesetz: Der Bundestag hat das Bundesteilhabegesetz beschlossen. Die wichtigsten Regelungen, die Vorgeschichte des Gesetzes und die von Betroffenenverbänden weiterhin vorgebrachte Kritik stellt die taz (Constantin Grosch/Marie Gronwald) dar. In ihrem Wirtschafts-Teil berichtet die FAZ (Britta Beeger) ebenfalls. Im Interview mit der SZ (Christoph Dorner) gibt Verena Bentele, Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, ihre Einschätzung zum Gesetz ab. Raul Krauthausen (taz) bezeichnet  das Gesetz in einem Kommentar als "nicht mehr als ein Reförmchen", das den versprochenen Paradigmenwechsel nicht vollziehe.

Arbeitszeit: In dem soeben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vorgestellten "Weißbuch Arbeiten 4.0" werden Vorschläge unter anderem zur Anpassung von Arbeitszeitbestimmungen im digitalen Zeitalter unterbreitet. Die Rechtsanwälte Alexander Bissels und Hannah Krings unterziehen auf lto.de das Vorhaben einer ausführlichen, kritischen Analyse und kommen zu dem Schluss, dass die angedeuteten bzw. angeregten Neuregelungen den durch europarechtliche Bestimmungen zulässigen Rahmen nur unzureichend ausschöpfen würden.

Datenaustausch: Das Europäische Parlament hat mit großer dem sogenannten "Umbrella Agreement", einem Abkommen zwischen EU und den USA zum Austausch personenbezogener Daten zwischen Polizei und Justiz für Strafverfolgungszwecke, zugestimmt. Die weiterhin erforderliche Zustimmung des Ministerrates gelte als sicher, schreibt netzpolitik.org (Simon Rebiger).

Musterklagen: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet zum zum vorgelegten Musterklagen-Entwurf. Nach diesem sollten Verbände, Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern bei möglichen Ansprüchen von mindestens zehn Betroffenen die Möglichkeit erhalten, in einem Musterverfahren Sachverhalte verbindlich entscheiden zu lassen. Verbraucher würden sich elektronisch für eine solche Musterklage registrieren lassen können. Nach der Meldung von deutschlandfunk.de (Gudula Geuther) stehen die Aussichten für eine Durchsetzung des Entwurfs wegen Vorbehalten in der Union gegen weitere Rechte für Verbraucherverbände nicht gut.

BauGB: Durch die am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossene Novelle des Baugesetzbuchs wird auch die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren ermöglicht. Nach dem Bericht der SZ (Michael Bauchmüller) erlaubt dieser auf Betreiben der CSU eingefügte Passus die Bebauung vormaliger Ackerflächen an den Rändern bestehender Siedlungsgebiete. Dies widerspreche dem eigentlichen Ziel der Reform, innerstädtische Flächen für den Wohnungsbau besser auszunutzen.

Meldepflicht für Steuersparmodelle: Steuerberater und Anwälte sollen nach Vorstellung der Landesfinanzminister gesetzlich dazu verpflichtet werden, von ihnen entwickelte Steuersparmodelle anzumelden. Dies schreibt die SZ (Cerstin Gammelin).

E-Books: E-Books und Onlinezeitungen sollen künftig den gleichen vergünstigten Mehrwertsteuersatz wie Printprodukte für sich in Anspruch nehmen können. Diese Ankündigung der EU-Kommission gehe auch auf die Kritik an einem unlängst ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein, nach der eine solche Besteuerung in Frankreich und Luxemburg noch untersagt wurde. Dies schreibt die SZ (Alexander Mühlauer).

IMK – Presseausweis: Die Innenministerkonferenz hat die (Wieder-) Einführung eines einheitlichen Presseausweises für hauptberufliche Journalisten beschlossen. Der Bericht von taz.de (Christian Rath) erklärt die Funktion und Vorteile eines solchen Ausweises, die Gründe für die 2008 erfolgte Abschaffung des Vorgängermodells und die Kriterien, nach denen künftig Ausweise ausgestellt werden sollen.

Kopftuch: Nach Meldung der SZ will der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) durch Änderung des Richtergesetzes das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke und Symbole verhindern. Das Vorhaben sei als "eindeutige Absage an das Kopftuch auf der Richterbank" zu verstehen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2016: Freie Fahrt für Maut / Endlich Ende im NSU-Prozess? / Verfassungsbeschwerden mit Strategie . In: Legal Tribune Online, 02.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21313/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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